Firmen, die Gehälter nennen, bekommen mehr Bewerbungen​ ​

In Deutschland wird zum Schluss einer Bewerbung über Geld gesprochen. Dann gibt es für die eine oder andere Seite ein böses Erwachen. Das lässt sich vermeiden.

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(Bild: lassedesignen/Shutterstock.com)

Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Peter Ilg
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Mitunter sind die Bedingungen der Unternehmen an Bewerber unfair. Etwa beim Gehalt. Meistens bieten die Firmen in ihren Stellenanzeigen ein "attraktives Gehalt" oder "leistungsgerechte Bezahlung". Was immer sich auch dahinter verbergen mag, lassen sie im Dunkeln. Von den Bewerbern erwarten sie aber überwiegend eine Angabe ihrer Gehaltsvorstellung. Die Unternehmen wollen Fakten, bieten selbst aber nur Worthülsen. Das kann dauerhaft nicht gut gehen.

heise jobs – der IT-Stellenmarkt

Zu Arbeitsplätzen und Stellenangeboten in der IT-Branche siehe auch den Stellenmarkt auf heise online:

Deshalb werden in Stellenanzeigen zunehmend Gehälter genannt. Auf dem Stellenportal germantechjobs.de ist es sogar Pflicht, dass in allen Inseraten zumindest Gehaltsspannen genannt werden oder eine Gehaltssumme. Das Unternehmen gibt es seit 2020. Dessen Gründer, Gregory Tomasik, hat bereits 2018 eine Jobplattform in der Schweiz gegründet und zuvor dort als Entwickler gearbeitet. Auch in der Schweiz werden über die Plattform ausschließlich IT-Jobs vermittelt. "Unsere war die Erste, auf der Gehaltsspannen stehen müssen", sagt Tomasik. Die Spanne kann bis zu 30.000 Euro betragen. Somit haben die Kandidaten bereits eine Vorstellung über das mögliche Einkommen – und die Firmen die Flexibilität für Verhandlungen.

Anfangs gab und gibt es Widerstände bei manchen Firmen, wenn sie ihre Gehälter offenlegen sollen. "Das ist in allen europäischen Ländern ähnlich", sagt Tomasik. Wenn sie aber von anderen hören, dass es sich lohnt, machen sie mit. Rund 900 IT-Stellen stehen derzeit auf germantechjobs.de, die monatlich gut 45.000 Besucher hat.

Eine andere Jobplattform, Stepstone, hat Stellenanzeigen auf der eigenen Seite analysiert und herausgefunden, dass Stellenausschreibungen mit der Angabe von Gehältern bis zu 30 Prozent häufiger geklickt werden als vergleichbare Ausschreibungen ohne Einkommensnennung. Außerdem führt die damit einhergehende Transparenz beim Gehalt dazu, dass sich potenzielle Kandidatinnen und Kandidaten häufiger bewerben. Gehälter zu nennen, ist damit ein großer Vorteil für die Firmen bei der Personalgewinnung.

In Deutschland wird das Gehalt quasi traditionell in der letzten Gesprächsrunde thematisiert. "Viel zu oft merken die Beteiligten erst dann, dass die Gehaltsvorstellungen nicht zusammenpassen", sagt Andreas Lieb, Personaldirektor beim Spieleentwickler Innogames. Das sorge für Frust bei Bewerbern und Recruitern. Um den zu vermeiden und beiden Parteien Geld und Zeit zu sparen, hat Innogames im Sommer letzten Jahres eine Tabelle veröffentlicht, in denen für die häufigsten Jobs in der Firma eine Gehaltsbandbreite genannt wird. Sie deckt 80 Prozent der rund 430 Beschäftigten ab. Nach Veröffentlichung der Gehaltsranges konnten mehrere, darunter auch lange Zeit vakante Stellen, binnen kurzer Frist besetzt werden.

In Österreich ist es gesetzlich vorgeschrieben, dass in Stellenanzeigen ein konkretes Mindestgehalt stehen muss. Grundlage dafür ist das österreichische Gleichbehandlungsgesetz. Weil sich die Vorschrift aber auf das Mindestgehalt für die Position bezieht, wird es üblicherweise darüberliegen. Der Nutzen dieser Regelung ist für Bewerber somit eher gering. Schweden setzt beim Geld auf völlige Transparenz. Wer wissen möchte, wie viel der Kollege oder Vorgesetzte verdient, kann einfach im jährlich erscheinenden Steuerkalender nachschauen. Das Problem hier: Um sich mit der Kollegin oder dem Kollegen vergleichen zu können, müssen alle Parameter identisch sein. Das ist so gut wie ausgeschlossen, weil neben fachlichem eben auch persönliche Eigenschaften beim Gehalt zählen.

Für die Europäische Union und speziell in Deutschland gibt es keine gesetzlichen Vorschriften zur Gehaltsangabe in Stellenausschreibungen. Die EU jedoch will den Grundsatz des gleichen Entgelts für Männer und Frauen bei gleicher Arbeit durch neue EU-weit gültigen Vorschriften zur Lohntransparenz ausbauen. In Deutschland schreibt das bestehende Entgelttransparenzgesetz vor, dass Männer und Frauen bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit auch gleich bezahlt werden müssen.

"Grundsätzlich ist es schon hilfreich, wenn für das Gehalt eine Bandbreite in Anzeigen genannt wird", sagt Gehaltsexpertin Claudia Kimich. Wenn Firmen das machen, heißt das aber noch lange nicht, dass das Einkommen von vornherein feststeht. "Die Gehaltsangabe ist lediglich eine Hausnummer, über die verhandelt wird. In etwa der Hälfte aller Fälle halten sich die Unternehmen an diese Spannweite, in der anderen geht sie darüber hinaus. "In Zeiten zunehmenden IT-Fachkräftemangels wird es für die Bewerber immer leichter, ihre Forderungen durchzusetzen", sagt Kimich, die selbst Informatik studiert hat. Geschenkt bekomme allerdings keiner mehr Geld. Gut verhandeln erfordern ordentliche Vorbereitung und Übung.

Auf dem Jobportal Honeypot bewerben sich Unternehmen bei Kandidaten. Diese Plattform funktioniert somit anders als die meisten anderen Jobportale. "Wir empfehlen den Unternehmen, dass sie bei ihrer Bewerbung eine Gehaltsspanne angeben", sagt Geschäftsführer Jost Schatzmann. Damit sparen sich beide Seiten oft Zeit und damit Geld. Im vergangenen Jahr lagen im deutschsprachigen Raum die durchschnittlichen Angebote der Unternehmen in der Schweiz mit umgerechnet rund 97.500 Euro deutlich vor Deutschland mit 69.000 Euro und Österreich mit 59.300 Euro. In der Schweiz hat auch der höchste Zuwachs gegenüber dem Vorjahr stattgefunden. Er betrug 5,3 Prozent, gegenüber 3,6 Prozent in Deutschland und 3 Prozent in Österreich. Solche Steigerungsraten sollten beide Seiten kennen.

Das Gehalt ist ein hartes Filterkriterium für Bewerber und hat eine wichtige Rolle bei der Arbeitgeberwahl. "Es ist aber nicht der allein entscheidende Faktor, wegen dessen sich Kandidaten für die eine oder andere Firma entscheiden", sagt Schatzmann. In einem gedachten Ranking kommen an erster Stelle die Menschen: Mit wem wird zusammengearbeitet? Nach dem Wer folgt das Wie: Wie ist die Arbeitskultur und ist Homeoffice möglich? Dann kommt das Fachliche: Welche Programmiersprachen werden angewandt, ist das Produkt interessant und kann ich etwas Neues lernen? "Geld liegt unter den Top-5-Positionen", sagt Schatzmann. Das Ranking sei jedoch sehr individuell.

Die etwa 80 Mitarbeiter von Honeypot kommen aus gut 30 Ländern und es sind überwiegend junge Leute. "Es sind eher jüngere Beschäftigte, für die das Gehalt kein Tabuthema mehr ist", sagt Schatzmann. Die Einstellung zur Gehaltstransparenz ist keine Frage der Nationalität. Mit den nachfolgenden Generationen an Beschäftigten wird Gehalt wohl von ganz allein transparenter werden. Und das ist gut so.

(axk)