Flatrate-Streit: Telekom bietet VATM "Nachhilfe in Netztechnik" an

Die Deutsche Telekom hat auf die vom Verband der Anbieter von Telekommunikations- und Mehrwertdiensten erhobenen Vorwürfe reagiert.

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Von
  • Axel Vahldiek

Die Deutsche Telekom hat auf die vom Verband der Anbieter von Telekommunikations- und Mehrwertdiensten (VATM) am gestrigen Donnerstag erhobenen Vorwürfe reagiert. Unter anderem hatte der VATM der Telekom "Volksverdummung" vorgeworfen. Hintergrund ist eine Aussage von Ron Sommer, demzufolge es mit der Einführung des neuen Großhandelsflatrate-Angebots zu Netzengpässen kommen könnte, was besonders fatale Folgen für die Erreichbarkeit des Notrufs und insgesamt für den Wirtschaftsstandort Deutschland haben würde. Der VATM hingegen glaubt nicht, dass es auf Grund der Entscheidung zu Engpässen im Netz komme.

Im Gespräch mit heise online empfahl Telekom-Sprecher Ulrich Lissek dem VATM nun, Nachhilfestunden in Netzwerktechnik zu nehmen. "Unwissenheit sollte man nicht durch dumme Sprüche konterkarieren", kommentierte Lissek. Es könne sehr wohl zu Netzengpässen kommen, Ähnliches sei auch 1997 an der amerikanischen Ostküste passiert, und auch die Einführung der AOL-Flatrate in Frankreich habe noch am selben Tag zu Problemen geführt.

Der VATM hingegen bleibt bei seinem Vorwurf der "Volksverdummung": Wie Geschäftsführer Jürgen Grützner gegenüber heise online sagte, würde das Netz derzeit zu 95 Prozent von Telekom- und T-Online-Kunden genutzt. Und die hätten das Netz auch nicht überlastet. Wenn da jetzt 5 Prozent Kunden anderer Provider hinzukämen, würde das kaum etwas ausmachen. Außerdem habe der VATM von der Telekom schon lange den Ausbau auch des ISDN-Netzes gefordert. Wenn es also tatsächlich zu Engpässen kommen würde, dann sei die Telekom schuld und niemand anderes. Die Telekom betreibe hier eine "unseriöse Art der Argumentation; das hat mit technischem Know-how nichts zu tun". Zudem sei bei der zu erwartenden Kundengruppe ohnehin mit keiner übermäßigen Belastung des Netzes zu rechnen: Das ISDN-Flatrate-Angebot ist vor allem für Normalverbraucher attraktiv, die allein schon wegen der hohen Stromkosten ihre Rechner abschalten, wenn sie ihn nicht nutzen. Die so genannten Poweruser, die rund um die Uhr online sein wollten, würden sich hingegen sowieso einen Breitband-Anschluss zulegen.

Die Forderung des VATM an die Telekom, den Anschluss an das Telekom-Netz nicht in den 1600 Teilnehmervermittlungsstellen, sondern in den 475 Regionalvermittlungsstellen bereitzustellen, hält Telekom-Sprecher Lissek für falsch. Der VATM soll laut Lissek jetzt "erst einmal das Rechnen anfangen: Sachverstand und unternehmerische Kreativität sind gefragt." Anstatt auf das Angebot zu schimpfen, solle der VATM "eine Denkpause einlegen". Wenn der VATM jetzt argumentiere, dass die Provider zu hohe Kosten aufzuwenden hätten, um eine bundesweite Flatrate anbieten zu können, dann sei das so nicht richtig: Es würde doch reichen, in den Ballungsgebieten den Großteil der Kunden mit zu Pauschalpreisen von der Telekom gemieteten Primärmultiplexanschlüssen zu versorgen. Der geringe Kundenanteil in wenig bewohnten Gegenden hingegen könne der Onlinedienst-Anbieter ja weiterhin mit einem Zugang versorgen, den er selbst von der Telekom zu einem zeitbasierten Tarif anmietet. Mit einer sauberen Mischkalkulation würde sich das schon rechnen, meinte Lissek. Auch könnten die Anbieter sich ja zusammenschließen, um so weitere Kosten zu sparen.

Der VATM hingegen bleibt bei seiner Forderung: Grützner erklärte, es könne nicht angehen, dass die Onlinedienst-Anbieter jetzt das Netz der Telekom quasi nachbauen sollten, indem sie eigene Leitungen von den Regional- zu den Teilnehmervermittlunssgstellen bauen oder mieten. Trotzdem will sich der VATM vorläufig nicht an die Regulierungsbehörde wenden: Grützner ist "zuversichtlich, dass wir in Gesprächen hier eine Lösung finden".

Hintergrund der aufflammenden Streitereien ist ein Angebot der Deutschen Telekom, nach dem Onlinedienst-Anbieter seit dem heutigen Freitag, den 15. Dezember, für 4800 Mark monatlich einen Primärmultiplexanschluss (30 B-Kanäle) mit insgesamt knapp 2 MBit/s Bandbreite mieten können. Das Angebot kann an den zirka 1.600 Teilnehmervermittlungsstellen der Deutschen Telekom in Anspruch genommen werden. Damit sollen Provider einen kalkulierbaren Internet-Zugang zum Pauschaltarif anbieten können. Ähnliche Anläufe waren bisher oft an der Gebührenstruktur der Telekom gescheitert, daher hatte die Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (RegTP) in einer Entscheidung die Telekom verpflichtet, ihr Netz Onlinedienst-Anbieter auch zu einem zeitunabhängigen Tarif zur Verfügung zu stellen. Allerdings hätte die Telekom ein entsprechendes Angebot erst am 1. Februar des nächsten Jahres machen müssen. (axv)