Flugzeug im Schlepptau: Elektroflugzeuge sollen Energie anderer Flieger sparen

Ein US-Start-up hat eine scheinbar verrückte Idee zur Elektrifizierung des Luftverkehrs: Elektrische Schleppflugzeuge, die sich wie beim Staffellauf ablösen.

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(Bild: Screenshot, Magpie Aviation)

Lesezeit: 5 Min.

Würde man ein Elektroflugzeug so mit Batterien vollpacken, dass es auch für Mittel- oder gar Langstrecken reicht, bliebe kaum mehr Platz für Fracht oder Passagiere. Das kalifornische Start-up Magpie Aviation hat jetzt eine verrückt klingende, aber nicht völlig unplausible Alternative vorgestellt: Elektrische Schleppflugzeuge, die herkömmliche Fracht- oder Passagiermaschinen ein Stück weit hinter sich her ziehen.

Das Prinzip ist nichts Neues. Schon im zweiten Weltkrieg wurden Lastensegler mit Schleppflugzeugen zum Ziel gebracht. Auch in der Segelfliegerei ist der "F-Schlepp" eine gängige Startmethode. Allerdings wird das Schleppseil dabei am Boden eingeklinkt, und beide Maschinen starten zusammen. Das Konzept von Magpie sieht hingegen vor, dass die zu schleppenden Flugzeuge aus eigener Kraft starten und sich erst in der Luft in das Schleppseil einklinken. Das macht die Sache noch einmal komplizierter. Aber das Start-up hat bereits eine automatisch Kupplung demonstriert, die eine Verbindung der beiden Maschinen während des Flugs ermöglicht.

Vorbild war das Auftanken von Militärjets in der Luft. Dabei zieht das Tankflugzeug einen Schlauch hinter sich her, der von einem kleinen Fallschirm stabilisiert wird. Der Jet muss mit seinem Tankstutzen nun in die trichterförmige Kupplung des Schlauchs hineinfliegen, wo er automatisch verriegelt wird.

Magpie hat dieses Verfahren nun noch um elektronische Hilfen erweitert. Optische Sensoren und GPS mit sogenannter Echtzeitkinematik erlauben eine zentimetergenaue Positionierung der Kupplungsteile. Mit Leitblechen wird die Kupplung am Schleppseil automatisch zum Gegenstück an der Flugzeugnase gelenkt. "Der Pilot muss sich der Schleppmaschine nur mit der richtigen Geschwindigkeit annähern", sagte Magpie-CTO Andrew Goessling gegenüber Aviationweek. "Alles andere – vertikale und horizontale Ausrichtung – übernimmt das Gerät." Deshalb sei das Andocken einfacher als das Auftanken in der Luft beim Militär, das vom Piloten "beträchtliche fliegerische Fähigkeiten" verlange.

Mit dieser Konstruktion gelang des Magpie auf Testflügen mehrmals, ein Segelflugzeug mit einer Schleppmaschine zu verbinden. Laut Aviationweek ein Novum in der Luftfahrtgeschichte. Ein Segelflugzeug wählte Magpie vor allem aus Kostengründen. Es erhöhte aber auch die Schwierigkeit der Tests. "Schließlich gibt es keinen Gashebel, um den Abstand zu kontrollieren", sagt Goessling.

Das Schleppseil für diese Versuche war etwa 100 Meter lang. Für spätere Einsätze mit größeren Maschinen spricht Magpie über Seillängen von 500 bis 1500 Meter. Das soll beide Maschinen ausreichend von Turbulenzen entkoppeln. Bis 2030, hofft das Start-up, könne man Maschinen von der Größe eines Turboprop-Regionalfliegers im Alltagsbetrieb abschleppen. Später sollen auch Single-Aisle-Jets folgen. Die geschleppten Maschinen selbst können elektrisch, konventionell oder hybrid angetrieben werden.

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Zunächst sollen die fliegenden Traktoren nur dabei helfen, Flugzeuge kurz nach dem Start auf Reiseflughöhe zu bringen. In Zukunft, so die Vision, könnten ganze Flotten von Abschleppern, die auf preisgünstigen Regionalflughäfen entlang der Flugroute stationiert sind, sich wie bei einem Staffellauf ablösen und so elektrische Strecken von mehr als tausend Kilometern ermöglichen. Die geschleppten Maschinen sollen dabei stets genug Energie an Bord haben, um zur Not auf einem Alternativ-Flughafen landen zu können, falls es mit der Staffelübergabe nicht klappen sollte.

Das Ganze klingt nach einem gewaltigen Aufwand. Schließlich müssen für jeden Lang- oder Mittelstreckenflug mehrere Starts von Schleppflugzeugen koordiniert werden. Und sinnvoll ist das System nur, wenn es wirklich durchgängig mit hinreichender Zuverlässigkeit funktioniert, damit Maschinen nicht regelmäßig mangels Anschluss-Schlepper außerplanmäßig irgendwo landen müssen. Auf seiner Webseite zeigt das Start-up eine Grafik, wonach sein System zwar geringfügig teurer im Betrieb sei als konventionelle Passagiermaschinen, aber immer noch günstiger als klimaneutraler Treibstoff oder Wasserstoff. Außerdem, argumentiert das Start-up, komme das Konzept auch für eine (Teil-)Elektrifizierung der bestehenden Flotte in Frage.

Aber vielleicht muss es gar nicht die ganz große Vision sein: Die meiste Energie verbraucht ein Flugzeug schließlich bei Start und Steigflug. Hat es seine Reiseflughöhe erst einmal erreicht, ist die weitere Fortbewegung relativ sparsam. Mit einer zusätzlichen Starthilfe am Boden, etwa in Form einer Winde, und einem Schleppflugzeug für den ersten Aufstieg ließen sich möglicherweise recht schlanke E-Flugzeuge mit brauchbarer Reichweite realisieren.

"Es klingt verrückt, aber wir konnten keinen Grund finden, warum es nicht funktionieren sollte", sagte CEO Vander Lind bei der Vorstellung. Nach eigenen Angaben hat das Start-up schon Kontakt zur US-Luftfahrtbehörde FAA wegen einer Zulassung des Verfahrens aufgenommen.

(grh)