Forscher: Klimawandel treibt Hitzewellen wohl stärker als bisher gedacht

Welche Extremwetterereignisse sich konkret auf den Klimawandel zurückführen lassen, ist schwer nachzuweisen. Oft fehlt es Attributionsforschern an Daten.

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Anzahl der Hitzewarnungen im Sommer 2018 (l.) und während der Hitzewelle vom 23. Juli bis 9. August.

(Bild: DWD)

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Die zunehmenden Hitzewellen lassen sich weltweit eindeutig und klar auf den Klimawandel zurückführen. Dennoch werde das Ausmaß der Auswirkungen von Regierungen, Ökonomen und Versicherern unterschätzt, haben Forscher des Imperial College London und der Universität Oxford mitgearbeitet ermittelt. So sei etwa die beispiellose Hitzewelle in Sibirien vor zwei Jahren ohne den menschengemachten Klimawandel unmöglich gewesen.

Hitzewellen seien häufiger und intensiver geworden und direkt für Zehntausende Todesfälle weltweit verantwortlich, schreiben die Forscher im Fachmagazin "Environmental Reseach: Climate". Dieser Einfluss werde aufgrund von großen Mängeln in der Datenlage bislang höchstwahrscheinlich deutlich unterschätzt.

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler betreiben Attributionsforschung. Dafür hatten sie auf Basis des aktuellen Berichts des Weltklimarats (IPCC) und etlicher weiterer Studien analysiert, inwieweit konkrete Extremwetterereignisse wie Hitzewellen, extreme Niederschläge, Waldbrände, tropische Wirbelstürme und Dürren eindeutig auf den Einfluss des Klimawandels zurückgeführt werden können.

Die Erkenntnisse seien gewissermaßen "Preisschilder" für die verschiedensten Auswirkungen des Klimawandels, die Konsequenzen für die notwendige Begrenzung der Erderwärmung und die Anpassung an das veränderte Klima hätten, schreiben die Autoren. Nicht überall lässt sich der Zusammenhang demnach so eindeutig nachweisen wie an Hitzewellen: So spiele etwa bei tropischen Wirbelstürmen die Region und das jeweilige Ereignis eine Rolle dabei, wie stark diese den Klimawandel als Ursache zugeschrieben werden könne, heißt es in der Studie.

Die Attributionsforschung unterliege derzeit einigen Beschränkungen, schreibt das Forschungsteam. Momentan mangele es noch an Möglichkeiten, auf geografische Heterogenitäten einzugehen, oft fehle es an Daten zum Klima und den Auswirkungen. Daher haben die Forschen den derzeitigen Wissensstand über die Einflüsse des Klimawandels auf fünf Wettergefahren untersucht: extreme Temperaturen, starke Regenfälle, Dürre, Waldbrände und tropische Wirbelstürme.

Hitzeextreme haben den Forschern zufolge wegen des Klimawandels weltweit an Wahrscheinlichkeit und Intensität zugenommen, ihnen seien direkt Zehntausende von Todesfällen zuzurechnen. Diese Zahlen würden unterschätzt, da es vor allem in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen an den nötigen Informationen fehle. Da gebe es große Lücken. Gleichzeitig seien beispielsweise manche Dürren nicht auf den Klimawandel zurückzuführen.

Für eine bessere Erforschung der Zusammenhänge, seien dringend transparente Informationen und Wetterdaten aus vielen Ländern notwendig. So behindere etwa Korruption in Südafrika die Finanzierung meteorologischer Stationen. Im dürregeplagten Somalia hätten ungeordnete Regierungswechsel zu einer Unterbrechung der Messungen geführt. In Polen und vielen anderen Ländern wiederum seien Wetterdaten nur gegen hohe Gebühren verfügbar.

"Wir haben bislang keinen vollständigen und detaillierten Überblick darüber, welche Auswirkungen der Klimawandel bereits heute hat", sagte die am Imperial College London tätige deutsche Klimaforscherin Friederike Otto einer Mitteilung zufolge. Es gebe aber mittlerweile die Werkzeuge und das Verständnis, um einen solchen Überblick zu erarbeiten – und dies müsse unbedingt auch weltweit geschehen. "Sonst enthalten wir Ländern das Wissen vor, wie sie ihre knappen Mittel am besten nutzen können und die Menschen sich am besten und sichersten an den Klimawandel anpassen können."

In der Attributionsforschung wird der mögliche Einfluss des Klimawandels auf extreme Wetterereignisse wie Dürren, Hitzewellen, Kälteeinbrüche und extreme Regenfälle kommuniziert und analysiert. So soll sich grundsätzlich abschätzen lassen, inwieweit der vom Menschen verursachte Klimawandel für das Auftreten individueller Wetter- oder Klimaextreme verantwortlich ist. Für derartige statistische Analysen werden Klimasimulationen mit speziell gewählten Randbedingungen verwendet, da die Beobachtungszeitreihen häufig noch nicht ausreichend lang zur Verfügung stehen, erläutert der Deutsche Wetterdienst (DWD). Das Imperial College London arbeitet unter anderem mit dem DWD zusammen.

(anw)