Weltklimabericht: Die kommenden acht Jahre sind entscheidend

Um den Klimawandel abzudämmen, sind weitreichende Maßnahmen erforderlich. Teil 3 des Weltklimaberichts des Weltklimarats zeigt einige von ihnen auf.

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(Bild: NicoElNino/Shutterstock.com)

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Inhaltsverzeichnis

Das Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC), auch Weltklimarat genannt, zieht in seinem aktuellen Bericht zum Stand des weltweiten Klimawandels eine düstere Bilanz. Die Arbeitsgruppe 3, die sich mit den technischen und wirtschaftlichen Möglichkeiten der Begrenzung des Klimawandel beschäftigt, kommt in ihrem Bericht zu dem Ergebnis, dass die Treibhausgasreduktion deutlich forciert werden müsse, um die menschengemachte Klimaerwärmung ausreichend bremsen zu können.

Bleibt es beim derzeitigen Tempo der Treibhausgasreduktion, steuere die Welt bis 2100 auf eine Klimaerwärmung von 3,2 Grad Celsius im Vergleich zu vorindustriellen Zeiten zu, schreibt die Arbeitsgruppe in dem Bericht "Climate Change 2022 – Migation of Climate Change". Sie sieht drei Optionen, um dies zu verhindern: Ausstieg aus der Verbrennung fossiler Energieträger, Umstieg auf erneuerbare Energien sowie eine technische Verringerung von Treibhausgas. Auch die Kernkraft zur Energieerzeugung bringen die Wissenschaftler wieder ins Spiel.

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Für Hoesung Lee, dem Vorsitzenden der IPCC, ist die Welt "am Scheideweg". Nun müssten die Weichen gestellt werden, die darüber entschieden, ob eine "lebenswerte Zukunft" auf der Erde sichergestellt werden könne. "Die Werkzeuge und das Wissen", um die Erderwärmung zu reduzieren, seien vorhanden. Dabei gelte es weiterhin, das gesetzte Ziel einer Erderwärmung von maximal 1,5 Grad Celsius nicht zu reißen. Dies lasse sich nur durch radikale Einschnitte erreichen. Denn der weltweite Ausstoß von Treibhausgasen ist zwischen 2010 und 2019 so hoch wie nie zuvor gewesen. Einziger Lichtblick sei, dass sich das Wachstum der Emissionen in dem Zeitraum etwas verlangsamt habe. Ginge es so weiter, werde die Klimakrise aber nicht zu bewältigen sein.

UN-Generalsekretär António Guterres fand bei der Vorstellung des Berichtes der IPCC am Montag deutliche Worte: "Wir sind auf der Überholspur Richtung Klima-Desaster unterwegs". Ein Anstieg der CO₂-Emissionen müsste 2025 gestoppt werden, um das 1,5-Grad-Ziel noch einhalten zu können. Dann seien allerdings massive Anstrengungen nötig: Bis 2030 müsste der CO₂-Ausstoß um 43 Prozent reduziert werden. Hinzu komme eine Reduzierung des Methan-Ausstoßes um ein Drittel.

Aber auch dann könne die Marke von 1,5 Grad Celsius zumindest zeitweise überschritten werden, geht aus dem Bericht hervor. Selbst wenn eine Erderwärmung um 2 Grad Celsius akzeptiert würde, müsste die Reduktion weltweit noch mindestens 25 Prozent durchschnittlich betragen. Hier seien vor allem die Industrieländer in der Pflicht, die dann immer höhere Reduzierungen vornehmen müssten. Industriell weniger entwickelte Länder würden nur einen geringen Anteil am menschengemachten Klimawandel haben. Die 50 am wenigsten entwickelten von ihnen würden lediglich 0,4 Prozent dazu beitragen.

Die bisherigen in Aussicht gestellten Bemühungen der Staaten weltweit reichen nach Ansicht der Autoren des Berichtes nicht aus, um die Klimakrise zu bewältigen. Die kommenden acht Jahre seien deshalb entscheidend. Dazu hat der Weltklimarat das Potenzial von verschiedenen einzelnen Maßnahmen auf ihr Potenzial untersucht. Dazu zählen der Ausbau von erneuerbaren Energien wie Solarenergie und Windkraft sowie die Reduzierung der Zerstörung von Waldflächen. Allein diese drei Optionen hätten jeweils ein Potenzial, etwa 10 Prozent der Treibhausgase zu vermeiden. Teuer sei das nicht. Ein Umstieg würde sich auch wirtschaftlich lohnen, da etwa die Kosten für Solar- und Windenergie seit 2010 um etwa 85 Prozent zurückgegangen seien.

Der Verzicht auf die Verbrennung fossiler Energieträger sei entscheidend. So sollten alternative Kraftstoffe wie Wasserstoff genutzt werden, generell aber Kraftstoff gespart werden, indem Städte so umgestaltet werden, dass Menschen etwa ihre Arbeitsstellen oder andere Ziele fußläufig, per Fahrrad oder mit elektrisch betriebenem öffentlichen Nahverkehr erreichen können, sich also klimafreundlicher fortbewegen.

Ebenfalls gehöre es dazu, dass sich Menschen mehr Gedanken um ihren persönlichen Lebensstil machen, ihn entsprechend anpassen und sich insgesamt klimafreundlicher verhalten. Die Autoren haben berechnet, dass sich durch entsprechende politische Regulierungen, neue Technik und Infrastruktur hier bis 2050 alleine etwa 40 bis 70 Prozent der Treibhausemissionen verringern ließen.

Doch selbst wenn diese Maßnahmen ausgeschöpft würden, reiche dies nicht aus. Es blieben immer Restemissionen. Der Weltklimarat sieht deshalb die Notwendigkeit, CO₂ aus Abgasen und direkt aus der Luft mit Carbon Capture an Storage (CCS) beziehungsweise Carbon Dioxide Removal (CDR) herauszufiltern. Das CO₂ soll dann in unterirdischen Speichern dauerhaft gelagert werden. Ohne diese beiden Maßnahmen sei es nicht möglich, die gesteckten Klimaziele zu erreichen. Besonders dann, wenn die Erwärmung bereits über das 1,5-Grad-Ziel hinausgegangen ist und erst mühsam wieder reduziert werden muss.

Der Weltklimarat bringt auch die Kernenergie zur Energiegewinnung wieder ins Spiel. Sie sei allerdings nur dann lohnend, wenn auf bereits bestehende Kraftwerke zurückgegriffen werden kann. Lediglich dann sei die Energiegewinnung günstig.

Der Klimabericht des Weltklimarates basiert auf der Arbeit von mehreren Hundert Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus insgesamt 65 Ländern. Für den Klimabericht werteten sie zehntausende Studien aus, um den aktuellen Stand im Bereich des weltweiten Klimawandels darzustellen. Teil davon ist der hier geschilderte dritte Teil, bei dem mögliche Maßnahmen gegen den Klimawandel beleuchtet werden.

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(olb)