Frankreich fordert automatisierten EU-weiten Abgleich von DNA- und Gesichtsdaten

Die französische Ratspräsidentschaft will die geplante Prüm-II-Verordnung für polizeiliche Zusammenarbeit und Datenaustausch in der EU deutlich aufbohren.

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(Bild: Neosiam32896395/Shutterstock.com)

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Der Prümer Vertrag, der bislang den Austausch etwa von Gen- und Fingerabdruckdaten in der EU in vergleichsweise engen Grenzen regelt, soll massiv ausgedehnt werden. Dies sieht ein als vertraulich eingestufter Vorschlag der französischen EU-Ratspräsidentschaft vor, den die britische Bürgerrechtsorganisation Statewatch veröffentlicht hat.

Frankreich strebt demnach einen automatisierten EU-weiten Abgleich aller DNA-Profile der Polizeibehörden der Mitgliedsstaaten untereinander sowie mit Europol an, um das Prüm-Netzwerk massiv auszubauen. Das aktuell an der Spitze des Ministerrats stehende Land drängt zugleich darauf, den polizeilichen Austausch von Gesichtsbildern vollständig zu automatisieren, indem die Anforderungen für eine menschliche Überprüfung entfallen sollen.

Die Initiative ist Teil einer geänderten Fassung eines ursprünglich von der EU-Kommission im Dezember veröffentlichten Entwurfs für eine Verordnung "über den automatisierten Datenaustausch für die polizeiliche Zusammenarbeit", mit dem die 2005 begründete Prüm-Rahmenvereinbarung erweitert werden soll. Diese regelt den Austausch etwa von Gen- und Fingerabdruckdaten in der EU inklusive Großbritanniens, wobei ein manueller Abruf personenbezogener Informationen erst nach einem Treffer bei einer maschinellen Suche möglich ist.

Laut dem Plan der Kommission sollen künftig auch Gesichtsbilder von Verdächtigen und verurteilten Straftätern sowie Strafregisterdaten umfasst werden. Bekannt war bereits, dass der Rat auch Führerscheindaten einbezogen wissen will. Ferner hat die Kommission auf EU-Ebene einen zentralen Router ins Spiel gebracht, an den die nationalen Polizei-Datenbanken angeschlossen werden können. Damit sollen sich die bisher benötigten "zahlreichen Verbindungen zwischen den einzelnen nationalen" IT-Systemen im Strafverfolgungsbereich erübrigen.

Der Ratsvorsitz will die vorgesehene Datendrehscheibe nun für einen Massenabgleich von Geninformationen nutzen: "Die Mitgliedstaaten führen bei der ersten Verbindung mit dem Router über ihre nationalen Kontaktstellen eine automatisierte Suche durch, indem sie alle ihre DNA-Profile mit allen in den Datenbanken der anderen Mitgliedstaaten und von Europol gespeicherten DNA-Profilen vergleichen", heißt es in dem französischen Papier. Die EU-Länder und Europol sollen dafür "bilateral die Modalitäten dieser automatisierten Abfragen" vereinbaren.

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Im selben Artikel heißt es weiter, dass solche Massenabfragen regelmäßig erfolgen dürften. So sollen die Mitgliedstaaten untereinander Verabredungen treffen können, um "auch zu einem späteren Zeitpunkt automatisierte Abfragen durch Abgleich von DNA-Profilen mit allen in den Datenbanken der anderen Mitgliedstaaten und von Europol gespeicherten DNA-Profilen durchzuführen".

Teile des Entwurfs der Franzosen sind in sich widersprüchlich. So heißt es an anderer Stelle: "Abfragen dürfen nur in Einzelfällen und unter Beachtung derselben Garantien und Schutzmaßnahmen durchgeführt werden, die für ähnliche Abfragen auf nationaler Ebene erforderlich sind." Statewatch moniert zu diesem Punkt: Bei der zuvor für zulässig erklärten massenhaften, automatisierten Suche in und dem Abgleich von DNA-Profilen handle es sich offensichtlich gerade nicht um einen "Einzelfall".

Würde der Vorschlag aktuell umgesetzt, ließe er die Verarbeitung von Millionen sensibler personenbezogener Daten zu, kritisieren die Bürgerrechtler weiter. Die EU-Staaten verfügten Ende 2021 über insgesamt fast 17 Millionen DNA-Proben, wie aus den jüngsten, vom Rat verbreiteten Statistiken zu Gendatenbanken hervorgeht. Mit Ausnahme von Deutschland und Malta sind die DNA-Datenbanken demnach 2021 in allen Mitgliedsländern angewachsen, in Bulgarien etwa um 30 und in Polen sogar um 38 Prozent. Das aufgebohrte Prüm-Netzwerk soll bis 2027 in Betrieb gehen, sodass die Bestände bis dahin noch weiter zunehmen dürften.

Frankreich will obendrein den Schutz der Grundrechte einschränken. So sollen die Abfragen nun nur noch "im Einklang mit dem nationalen Recht des ersuchenden Mitgliedstaats" durchgeführt werden. Bisher lautete die Formulierung, dass hier "dieselben Garantien und Sicherheiten" gelten müssten, "die für ähnliche Abfragen auf nationaler Ebene erforderlich" sind.

Der Ansatz für das Prüm-Upgrade, auch polizeiliche Gesichtserkennungsdatenbanken einzubeziehen, dürfte "das technische Rückgrat eines europaweiten biometrischen Massenüberwachungssystems bilden", beklagt Statewatch. Laut der Kommission soll dabei ein Foto einer unbekannten Person, das etwa eine Überwachungskamera an einem Tatort aufgenommen hat, mit einer Datenbank abgeglichen werden können, die Gesichtsbilder bekannter Personen enthält. Die mithilfe biometrischer Gesichtserkennung ausgegebene Trefferliste werde dann von einer menschlichen Fachkraft im anfragenden Mitgliedstaat überprüft.

In der aktuellen Fassung der Ratspräsidentschaft wird die Pflicht einer menschlichen Kontrolle vor einem Austausch persönlicher Daten gestrichen und stattdessen fakultativ gemacht: "Die nationale Kontaktstelle des ersuchenden Mitgliedstaats kann beschließen, eine Übereinstimmung zwischen zwei Gesichtsbildern manuell zu bestätigen." In diesem Fall informiere sie das entsprechende Land und bestätige die Deckung mit den erhaltenen Referenzdaten. Im Allgemeinen soll der Abgleich von Gesichtsbildern so automatisch erfolgen. Der EU-Datenschutzbeauftragte Wojciech Wiewiórowski hatte jüngst kritisiert, dass schon der Kommissionsentwurf etwa auch über den Einbezug von Europol deutlich übers Ziel hinausschieße.

(tiw)