Französischer EU-Vorsitz: Universal-Ladegerät, Chatkontrolle & Euro-7-Abgasnorm
Die neue französische EU-Ratspräsidentschaft hat sich mit ihrem Programm für die kommenden sechs Monate im Bereich Digital- und Klimapolitik viel vorgenommen.
Frankreich hat das Programm für seine Präsidentschaft im EU-Rat von Januar bis Ende Juni 2022 festgelegt und am Freitag veröffentlicht. Auf 65 Seiten beschreibt der neue Vorsitz des Gremiums der Regierungsvertreter der Mitgliedsstaaten seine Leitlinien, Prioritäten und übergeordnete Ziele wie ein souveränes und menschliches Europa mit einem starken Wachstumsmodell.
"Eigene Regeln für die digitale Welt"
Der Kontinent soll demnach bedeutsam sein für "technologische Spitzenleistungen". Das vorgesehene Modell werde Innovation und Wachstum der europäischen Akteure im digitalen Bereich unterstützen, gleichzeitig müsse die EU aber "eigene Regeln für die digitale Welt" aufstellen. Es gelte, "wirtschaftliche Entwicklung mit klimapolitischen Ambitionen" zu vereinbaren sowie "hochwertige, qualifizierte und besser bezahlte Arbeitsplätze" zu bieten.
Konkret wird die französische Ratspräsidentschaft laut dem Plan etwa "die Arbeit an den verschiedenen Dossiers fortsetzen, die zu einem harmonisierten Rahmen innerhalb des Binnenmarktes beitragen und gleichzeitig ein hohes Maß an Verbraucherschutz gewährleisten". Dies betreffe insbesondere den Vorschlag für ein Universal-Ladegerät, "das den Nutzern den Alltag erleichtern und zugleich ein Ziel des Umweltschutzes erfüllen wird".
Eigentlich bestehen schon seit Jahren EU-Vorgaben, wonach Hersteller von Mobiltelefonen, Tablets und anderer das Funkspektrum nutzender Geräte ihren Kunden einen universellen Ladestecker mitliefern sollen. Bislang stand dabei aber die Selbstregulierung im Vordergrund. Apple befolgte die nicht wasserdicht formulierten Auflagen so bislang nur teilweise. Die EU-Kommission will mit einem Gesetzentwurf daher nun einheitliche Ladekabel auf Basis des USB-C-Anschlusses einführen.
Tempo für EU-Digitalgesetzgebung
Die Debatte mit dem EU-Parlament über das Gesetz für digitale Dienste will Frankreich "bestmöglich vorantreiben". Die Abgeordneten werden nächste Woche ihren Standpunkt für den Digital Services Act (DSA) festlegen. Behörden jeglicher Art sollen demnach Host-Providern ohne Richtervorbehalt künftig grenzüberschreitende Anordnungen schicken können, um gegen illegale Inhalte vorzugehen.
Um große Online-Plattformen stärker zu regulieren, wird sich die Ratspräsidentschaft parallel "für den Fortschritt der Verhandlungen über das Gesetz für digitale Märkte einsetzen". Die EU brauche zeitnah ein Instrument zur vorsorglichen Monopolkontrolle von Konzernen wie Amazon, Apple, Google und Facebook, wie es die aktuellen Entwürfe von Rat und Parlament für den Digital Markets Act (DMA) vorsehen. Die geplanten neuen kartellrechtlichen Ansätzen dienten "der Zugänglichkeit und Gerechtigkeit der digitalen Märkte".
Das umstrittene und verzögerte Vorhaben der Kommission für eine flächendeckende "Chatkontrolle" wollen die Franzosen schnell aufgreifen. "Um die rechtlichen Instrumente zur Bekämpfung der Pädokriminalität im Internet zu stärken", werde man "Verhandlungen über den bevorstehenden Vorschlag der Kommission zur Verhinderung und Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen führen", heißt es dazu. Im Raum steht eine Pflicht auch für Anbieter durchgehend verschlüsselter Messenger-Dienste wie WhatsApp, Signal und Threema, private Nachrichten ihrer Nutzer nach sexuellen Missbrauchsdarstellungen von Kindern zu scannen.
Erhöhung der Cybersicherheit
Zu einem "erfolgreichen Abschluss" bringen will die Ratsführung die Gespräche der EU-Gremien über den nicht minder umkämpften Richtlinienentwurf für den Zugang zu elektronischen Beweismitteln (E-Evidence). Entsprechende Zugriffe auf Daten in der Cloud oder E-Mail-Konten seien "in strafrechtlichen Ermittlungsverfahren oft maßgebend". Damit müssten aber die Grundrechte gewahrt werden.
"Die Erhöhung der Cybersicherheit wird einen Schwerpunkt der Ratspräsidentschaft darstellen", ist dem Programm zu entnehmen. Kapazitäten der EU zur Prävention von und Reaktion auf Cyberangriffe müssten im "Kampf gegen hybride Bedrohungen" ausgebaut, mehr einschlägige Übungen durchgeführt werden. Die Arbeit an der E-Privacy-Verordnung zum Schutz der Privatsphäre und personenbezogener Daten in der elektronischen Kommunikation, die etwa neue Cookie-Regeln bringen soll, plant Frankreich fortzusetzen.
Zu einer ihrer Prioritäten wird die Ratsspitze dem Papier nach auch die Entwicklung von vertrauenswürdiger Künstlicher Intelligenz (KI) "im Dienste der Menschen" machen. Umstritten ist hier vor allem ein potenzielles Verbot biometrischer Gesichtserkennung. Die Modernisierung der Richtlinie über die allgemeine Produktsicherheit, die etwa für KI-Systeme, Implantate und Hirn-Computer-Schnittstellen wichtig ist, steht ebenfalls auf dem Programm.
Kein Wort zu Gaia-X
Die Digitalisierung im Gesundheitswesen soll "ein zentraler Aufgabenbereich" der Präsidentschaft sein. Wichtige Vorhaben von gemeinsamem europäischem Interesse (IPCEI) will Frankreich vor allem auch in den Bereichen Wasserstoff, Elektronik und Cloud-Computing beschleunigen. Vom bisherigen deutsch-französischen Cloud-Vorzeigeprojekt Gaia-X ist nach Widrigkeiten keine Rede, dafür aber von der geplanten Gesetzesinitiative zu Microchips.
Befassen will sich Frankreich ferner mit der "Einführung einer neuen europäischen Emissionsnorm für alle Schadstoffe außer CO2 für die Markteinführung von Neufahrzeugen" (Euro 7). Die Autobauer haben derzeit noch daran zu knabbern, die Abgasgrenzwerte für Fahrzeuge der Norm Euro 6 einzuhalten. Beim Nachfolger für Luftqualitätsvorgaben wird es auch um die Frage gehen, ob und wann damit der Verbrennungsmotor endgültig vor dem Aus steht.
Die Verhandlungen über einen Verordnungsvorschlag, mit dem ein harmonisierter Rahmen für den Zugang zu Fahrzeugdaten geschaffen werden soll, werden die Franzosen laut der Ankündigung rasch aufnehmen. Teil der Agenda sind zudem etwa die Dekarbonisierung der Industrie und verschiedener Verkehrsträger sowie das Ankurbeln einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft mit neuen Vorschriften etwa für Batterien.
(mho)