Freihandel: Brexit bremst TTIP aus
Der geplante Austritt Großbritanniens aus der EU gibt den Kritikern des geplanten transatlantischen Handelsabkommens TTIP Auftrieb. Handelskommissarin Cecila Malmström hält an der Initiative zwar fest, doch der Wind hat sich gedreht.
Das Nein der britischen Mehrheit zum weiteren Verbleib in der EU rüttelt die transatlantischen Handelsbeziehungen und den Zeitplan auf dem Weg hin zum TTIP-Abkommen durcheinander. Der Brexit habe die Gespräche über die geplante Übereinkunft zwischen der EU und den USA nicht einfacher gemacht, heißt es in Berliner Regierungskreisen. Die frühere US-Handelsbeauftragte Susan Schwab meinte, dass es schon immer schwer vorstellbar gewesen sei, TTIP noch in diesem Jahr fertig auszuhandeln. Unter den geänderten Vorzeichen und ohne London scheine dies nun völlig unmöglich.
Klare Worte aus Frankreich
Noch deutlicher äußerte sich der französische Premierminister Manuel Valls von den regierenden Sozialisten am Sonntag vor Mitgliedern seiner Partei laut einem Agenturbericht. "Ich kann ihnen klipp und klar sagen: es kann kein transatlantisches Handelsabkommen geben", betonte er mit Blick auf Brexit und TTIP. Die Gespräche seien "nicht in der richtigen Spur". Die Freihandelsübereinkunft dürfe nicht beschlossen werden, "wenn sie EU-Interessen nicht berücksichtigt". Frankreich werde darüber wachen. Voriges Jahr hatte der französische Staatssekretär für Außenhandel, Matthias Fekl, TTIP bereits als "völlig intransparent" kritisiert und mit einem Verhandlungsabbruch gedroht.
EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström will dagegen weitermachen wie bisher: Die EU verfolge weiter eine "ehrgeizige Handelsagenda" und "wir werden unsere Verhandlungen mit Schlüsselpartnern fortführen", erklärte die Liberale am Montagabend. Sie zeigte sich entschlossen, "in den kommenden Monaten größtmögliche Fortschritte zu erzielen", insbesondere bei den Gesprächen mit den USA über TTIP.
Die Schwedin kündigte an, an diesem Dienstag nach Washington zu fliegen, um die Verhandlungen gemeinsam mit ihrem Amtskollegen voranzutreiben. Malmström will zudem "in Kürze einen Vorschlag für die Ratifizierung unseres Handelsabkommens mit Kanada" (Ceta) vorlegen, mit dem eine "neue Ära beim Investitionsschutz" beginne. Der US-Handelsbeauftragter Michael Froman meinte nach dem britischen Votum, dass wirtschaftlich und strategisch gesehen weiter viel für TTIP spreche. Aber auch die verbliebenen Präsidentschaftskandidaten der Demokraten und der Republikaner, Hillary Clinton und Donald Trump, gelten nicht als heiße Befürworter des Abkommens.
Noch Optimismus vorhanden
Bernd Lange, Vorsitzender des Handelsausschusses im EU-Parlament, geht davon aus, dass ein Abschluss der Gespräche über TTIP auch nach der geplanten nächsten Runde im Juli in weiter Ferne liegt. "Die USA weichen nicht von ihren harten Verhandlungspositionen ab. Sie zeigen kaum Entgegenkommen bei der öffentlichen Beschaffung und geistigem Eigentum", monierte der SPD-Abgeordnete gegenüber der Welt. Sollte bis Herbst kein Durchbruch erzielt werden, dürfte TTIP zunächst mindestens bis zur US-Regierungsbildung im Januar 2017 auf Eis liegen. (mho)