Kernfusion: "ITER bleibt der Schneepflug"

Das Kernfusionsforschungsprojekt ITER hat einen neuen Zeitplan. Es bleibe aber Vorreiter für die Technologie, sagt Prof. Dr. Hartmut Zohm.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 121 Kommentare lesen
Hartmut Zohm

Prof. Dr. Hartmut Zohm in seinem jüngsten Youtube-Video.

(Bild: Screenshot aus dem Youtube-Channel "Urknall, Weltallt und das Leben")

Lesezeit: 3 Min.

Die Rolle des Forschungsprojekts International Thermonuclear Experimental Reactor (ITER) für die Kernfusion hat sich nach Meinung eines beteiligten Experten auch nach dem neuen Zeitplan nicht entscheidend geändert. "ITER ist immer noch der 'Schneepflug', der den Weg bahnt, auf dem alle anderen dann mit besserer Traktion fahren können", erklärte Prof. Dr. Hartmut Zohm gegenüber heise online. Er leitet am Max-Planck-Institut für Plasmaphysik (IPP) in Garching den Bereich Tokamak-Szenario-Entwicklung.

Nachdem in dem Projekt in den vergangenen Jahren einige Probleme aufgetreten waren, legte ITER-Generaldirektor Pietro Barabaschi vorvorige Woche einen neuen Zeitplan für das Projekt vor. Nun soll nicht mehr, wie früher vorgesehen, der Reaktor zunächst mit einem "symbolischen Plasma" aus ionisiertem Wasserstoff gefüllt werden. Ursprünglich sollte der Versuchsreaktor 2035 erstmals mit Deuterium und Tritium gefüllt werden, diese Betriebsphase ist jetzt für 2039 vorgesehen. Drei Jahre vorher soll die volle magnetische Energie erreicht werden. Es würden sich Mehrkosten von 5 Milliarden Euro ergeben, teilte ITER mit.

Auch nach diesem neuen Plan blieben die Herausforderungen im Großen und Ganzen bestehen, "und auch die Art wie wir sie angehen wollen", sagte Zohm. Die Rolle von ITER durch den Output in allen Phasen des Projekts, also den Bau, die Montage und die Inbetriebnahme, sowie anschließend die Demonstration des brennenden Plasmas, bleibe durch den neuen Zeitplan bestehen. Es handele sich nicht einfach um eine Verschiebung um zehn Jahre, sondern eine völlig neue Strategie. Durch sie würden sich auch vor der Inbetriebnahme wertvolle Erkenntnisse ergeben.

Hier erwähnte Zohm die Wolframwand, eine der Änderungen am ITER-Tokamak, die sich in den vergangenen Jahren ergeben hätten. In Garching seien am Tokamak "ASDEX Upgrade" bereits seit 1996 Erfahrungen mit dem Material gesammelt worden. ITER habe zuvor auf drei Materialien gesetzt, neben Wolfram auf Kohlenstoff im Divertor und Beryllium im Hauptraum, nun folge ITER mit seiner voll mit Wolfram ausgekleideten Wand dem Beispiel aus Garching.

Zohm gehörte einem internationalen Expertengremium an, das 2023 im Auftrag der Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) ein Memorandum zur Entwicklung der Kernfusion vorgelegt hatte. Es ging davon aus, dass ein Demonstrationskraftwerk bis 2045 machbar ist. Die Ministerin hatte das Team befragt, nachdem im Dezember 2022 "der weltweit erste Beweis der wissenschaftlichen Machbarkeit in der lasergetriebenen Trägheitsfusion" erbracht worden sei.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

Mit Ihrer Zustimmmung wird hier ein externes YouTube-Video (Google Ireland Limited) geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Google Ireland Limited) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Nun sagte Zohm gegenüber heise online, es seien "die Anstrengungen zur Trägheitsfusion bisher nicht nennenswert nach oben gefahren worden, in Deutschland wird aber daran gearbeitet, dass sich das ändert". Der Rückstand in der Technologie gegenüber der Magnetfusion werde aber nach seiner Einschätzung nicht so schnell aufzuholen sein.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

Mit Ihrer Zustimmmung wird hier eine externe Umfrage (Opinary GmbH) geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Opinary GmbH) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Das IPP in Garching arbeitete 1988 mit an den ersten Plänen für ITER. Die Bauarbeiten an dem Forschungsreaktor am Standort Cadarache in Südfrankreich begannen 2010, 2020 begann die Montage von ITER. Verzögerungen haben sich durch die Coronavirus-Pandemie und die – noch laufenden – Reparaturen wichtiger Komponenten ergeben.

ITER: Der Kernfusions-Versuchsreaktor in Frankreich (95 Bilder)

Achtzehn D-förmige Ringfeldmagnete, die um das Vakuumgefäß herum platziert sind, sollen ein Magnetfeld erzeugen, dessen Hauptfunktion darin besteht, die Plasmapartikel zu begrenzen. (Bild: ITER)

(anw)