Kernfusion: US-Forscher melden Durchbruch bei Laserfusion

Das Lawrence Livermore National Laboratory meldet, dass bei einem Fusions-Experiment mehr Energie erzeugt als verbraucht wurde. Das nährt Hoffnung.

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Blick in die Fusionsanlage des Lawrence Livermore National Laboratory.

Die Fusionsanlage des Lawrence Livermore National Laboratory

(Bild: LLNL)

Lesezeit: 5 Min.
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Einem Team des Lawrence Livermore National Laboratory (LLNL) ist es nach eigenen Angaben gelungen, bei einem Laser-Fusionsexperiment mehr Energie zu gewinnen, als zuvor hineingesteckt wurde. Die Fusionsreaktion habe 3,15 Megajoule Energie produziert, während die Laser 2,05 Megajoule Energie in das Target mit dem Brennstoff gepumpt haben, teilte das LLNL am Dienstag mit. Dabei seien rund vier Prozent des Fusions-Brennstoffes verbraucht worden.

Die "National Ignition Facility" (NIF) am LLNL forscht an der sogenannten Trägheitsfusion. Dabei wird mit Lasern ein Goldröhrchen beschossen, in dem ein Diamant-Kügelchen liegt, das gefrorenes Deuterium und Tritium enthält. Der Laser-Beschuss erzeugt intensive, homogene Röntgenstrahlung, die die Schale des Kügelchens verdampfen lässt, was wiederum eine Druckwelle erzeugt, die den Wasserstoff extrem schnell komprimiert. Dabei entstehen im besten Fall Temperaturen und Drücke, die ausreichen, um eine Kernfusion zu zünden.

Primär wurden diese Experimente dazu konzipiert, Bedingungen zu erforschen, die vorherrschen, wenn eine Atombombe explodiert. So soll auch ohne Atomwaffentests die "Qualität von Atomwaffen" gesichert werden. Parallel dazu sollte die 2009 in Betrieb genommene NIF jedoch auch zeigen, dass die Laserfusion sich dafür eignet, ein kommerzielles Fusionskraftwerk zu bauen.

Dieser Prozess war allerdings lange relativ erfolglos. Obwohl am NIF der stärkste Laser der Welt installiert ist, war die Energie-Ausbeute der Fusionsexperimente zunächst sehr gering. Erst 2021 meldeten die Forschenden erstmals einen Durchbruch: Am 8. August 2021 sei es ihnen gelungen, bei einem Schuss 1,39 Megajoule Energie zu erzeugen – und damit 70 Prozent der Energie, die sie vorher hineingesteckt hatten. Das ließ vermuten, dass bei dem Experiment tatsächlich eine sich – zumindest kurzfristig – selbst erhaltende Fusionsreaktion erzeugt wurde.

Normalerweise würden die Forscher am NIF ihre Ergebnisse sorgfältig prüfen, um dann ein Paper zu veröffentlichen, zitiert die New York Times Mark Herrmann, den stellvertretenden Direktor des Forschungsprogramms für "fundamental weapons physics" am LLNL, "Aber diese Nachricht verbreitet sich wie ein Lauffeuer." Die Financial Times verbreitete die Erfolgsmeldung noch vor der offiziellen Pressekonferenz unter Berufung auf "ungenannte Mitarbeiter".

Die Hype-Strategie des LLNL, bei der offenbar gezielt Journalisten vorab über noch nicht unabhängig überprüfte Ergebnisse informiert werden, dürfte nicht unwesentlich damit zu tun haben, dass die Trägheitsfusions-Experimente am LLNL so lange erfolglos geblieben sind. Die NIF-Forscher hatten lange mit zwei Schwierigkeiten zu kämpfen: Zum einen gelang es ihnen nicht, so viel von der Laserenergie in das Plasma einzukoppeln, wie in Simulationen berechnet. Zum anderen hatten sie mit Instabilitäten zu kämpfen: Schon kleinste Unregelmäßigkeiten in der Geometrie des Brennstoffkügelchens führen dazu, dass das brennende Plasma zu schnell wieder auseinanderfliegt.

Das Paper zum Durchbruch vom August 2021 – erschienen im Januar 2022 – nennt zwei Gründe für die Verbesserung der Energieausbeute: Ein größeres Brennstoffkügelchen und eine Anpassung des Laserpulses, um die Symmetrie bei der Einkopplung der Energie besser zu erhalten.

Ähnlich tastend sind die Forschenden nun weiter vorgegangen. Da die Simulationen den Prozess nicht vollständig erfassen und die Messergebnisse Interpretationen unterliegen, spielten sie verschiedene Szenarien durch. Bei dem erfolgreichen Experiment von vergangener Woche ist die Diamant-Schale des Brennstoffkügelchens noch etwas dicker geworden; die Energie-Übertragung zwischen den Laserstrahlen in der Phase, in der das Ziel abschmilzt, wurde ebenfalls verbessert.

Obgleich die Forschenden das Experiment als "historischen Durchbruch" feiern, bleibt noch ein langer Weg zu einem ernsthaft brauchbaren Fusionskraftwerk. Denn um die zwei Megajoule Laserleistung zu erzeugen, muss man rund 300 Megajoule elektrischer Energie aufbringen. Der Output muss also noch erheblich vergrößert werden. In einem Laserfusions-Kraftwerk müssen zudem in schneller Folge hintereinander ständig neue Brennstoff-Kugeln gezündet werden. Bisher kommen die LLNL-Forscher aber nur auf bestenfalls eine Zündung pro Tag.

Der Mainstream der Fusionsforschung konzentriert sich ohnehin auf den magnetischen Einschluss von Plasma. Stellvertretend dafür steht ITER (International Thermonuclear Experimental Reactor), der große, internationale Forschungsreaktor. Er ist seit den 1980er-Jahren geplant und nähert sich endlich der Fertigstellung in Südfrankreich. Eine Fusionsreaktion wird dort selbst im besten Falle frühestens 2035 zu sehen sein.

Doch die Fusionsforschung hat in den vergangenen Jahren enormen Aufschwung genommen. Die Ingenieure von heute verfügen über technische Möglichkeiten, von denen vor 20 Jahren noch niemand zu träumen wagte. Aus diesem Grund gibt es mittlerweile rund 30 private Unternehmen, die an kleinen Fusionsreaktoren arbeiten.

Die Chance, dass eines davon früher als ITER zum Zug kommt, steht nicht schlecht. In Deutschland will das Start-Up Marvel Fusion mit einem Nicht-Gleichgewichtsansatz eine Bor-Protonen-Fusion erzeugen. Bisher hat es die Technik allerdings nur in Simulationen gezeigt.

(wst)