Future Health Day: Von Wegen in die Cloud, Daten und KI

An der Technologie hapert es bei der Digitalisierung nicht, so Gottfried Ludewig von T-Systems. Der Umzug in die Cloud und vernetzte Systeme seien notwendig.

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Gottfried Ludewig auf dem Future Health Day

Der obligatorische Ländervergleich auf Veranstaltungen zur Gesundheitsdigitalisierung.

(Bild: heise online)

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This article is also available in English. It was translated with technical assistance and editorially reviewed before publication.

"In den meisten Kliniken und Arztpraxen sieht es noch aus wie vor 20 Jahren. Papier, Telefonate, Bettklingel und sogar Faxe gehören noch zum Alltag. Das können wir uns in Anbetracht des demografischen Wandels nicht mehr leisten. Wir müssen digitalisieren, sonst fliegt uns das System um die Ohren", sagte Gottfried Ludewig, Leiter der Gesundheitssparte von T-Systems auf dem vergangenen Future Health Day der Telekom. Eine wichtige Rolle bei der Digitalisierung des Gesundheitswesens spielt auch die Finanzierung, wie auf der Veranstaltung thematisiert wurde. Mit dem Transformationsfonds und dem Sondervermögen freut sich vor allem die Industrie über neue Möglichkeiten.

"Wenn wir feststellen, dass das Thema Sensorik uns ermöglicht, 24-7 Daten zu erfassen und diese eigentlich auch zurückzuspielen ins System, dann liegt es sicherlich nicht am Mangel der Technologie", so Ludewig. Man müsse die Infrastrukturen raus aus den Kellern in die Cloud holen und in vernetzte Systeme investieren. Andere Länder wie Dänemark würden laut Ludewig zeigen, dass es geht. In Griechenland gebe es bisher die fortschrittlichste Telemedizinplattform.

In der Schweiz und Österreich verläuft die Digitalisierung im Gesundheitswesen genauso durchwachsen wie in Deutschland. Das elektronische Patientendossier (EPD), das Schweizer Pendant zur elektronischen Patientenakte (ePA), haben erst 100.000 Menschen. In der Schweiz und den Niederlanden muss man staatlichen Patientenakten aktiv zustimmen. Alle anderen europäischen Länder erstellen diese inzwischen – zumindest in Teilen – automatisch, sofern man nicht widerspricht.

Seit 15 Jahren versuche man das EPD zu installieren, so Martin Fiedler, der ärztliche Direktor des Universitätsspitals Bern. Bei den Kliniken als Vorreiter gilt in der Schweiz das Inselspital Bern.

Die Software von Epic würden im Berner Spital bereits 30.000 Patientinnen und Patienten nutzen, erklärte Fiedler. Bei Epic, dessen Standgröße sich auf der diesjährigen DMEA mindestens verdoppelt hat, handelt es sich um eines der größten US-amerikanischen Unternehmen für Gesundheitssoftware. Darüber können unter anderem Röntgenbilder und medizinische Werte abgerufen, der Check-in im Krankenhaus und mehr gemacht werden. Außerdem sei das System mit Nachsorgeeinrichtungen vernetzt. Epic bezeichnete Fiedler als "beste Entscheidung", die getroffen wurde.

Man könne laut Dietmar Schulz, CIO beim Robert Bosch Krankenhaus, nicht von Anfang an alles in die Cloud verschieben. Dabei sei ein schrittweiser Übergang erforderlich, "und wir brauchen eine Integrationsplattform, die uns ermöglicht, On-premise mit Cloud sicher zu verbinden". Die größte Herausforderung sei es jedoch, alle Datenentitäten maschinenlesbar zu machen. Beim Robert Bosch Krankenhaus strebe man einen 5-Jahres-Plan an, um die Infrastruktur Schicht für Schicht neu aufzubauen und die alte abzulösen. Parallel wolle man dazu wahrscheinlich ein 5G-Campusnetz aufbauen. Der Plan ist es, ein agiles Krankenhaus zu bauen, wobei Ärzte für die Optimierung medizinischer Prozesse verantwortlich seien.

"Wir brauchen keine neuen Gesetze, wir müssen jetzt erstmal anfangen", sagte Simone Schwering, stellvertretende Vorsitzende der Barmer Krankenkasse in einem Panel dazu, ob Digitale Identitäten, ePA, TI Messenger und Co. für die digitale Gesundheitswende reichen. Man müsse laut Schwering das nutzen, was da ist. Viele Möglichkeiten seien noch unbekannt, obwohl sie funktionieren. Die Einführung digitaler Identitäten, insbesondere im Gesundheitswesen, sei ein bedeutender Schritt in Richtung effizienter und sicherer Prozesse. Die Barmer Krankenkasse habe bereits 2,8 Millionen Versicherte mit digitalen Identitäten ausgestattet. "Unsere Versicherten wollen digitale Produkte und sind begeistert davon", erklärte Schwering. "Ohne digitale Identität gibt es nachher keine komplett digitalen Prozesse", so Gottfried Ludewig. Es brauche sichere, aber zugängliche Lösungen.

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Sobald das 2024 auf Drängen der Online-Apotheken gestartete Cardlink-Verfahren auslaufe, würden die digitalen Identitäten laut Gematik-Geschäftsführer Florian Fuhrmann weitere Verbreitung finden. "Wir sind mittendrin in der Digitalisierung." Die Vision einer integrierten, patientenzentrierten Datenhaltung sei ein Paradigmenwechsel, der Zeit und Engagement erfordere. "Wir müssen uns auf jeden Fall zu einer TI 2.0 entwickeln und eine Komplexitätsreduktion hinbekommen", erklärte Fuhrmann. Seit Jahren wird die Komplexität der Telematikinfrastruktur kritisiert.

"Die Themen TIM, KIM, ePA sind erst der Anfang", so Fuhrmann. In den Modellregionen, an denen rund 300 Leistungserbringer teilnehmen, geschehe viel Positives, jedoch seien die Softwarehersteller noch nicht so weit wie gewünscht. Man sei allerdings auf einem guten Weg. Die elektronische Medikationsliste habe bereits eine lebensgefährliche Interaktion verhindern können.

Dr. Irmgard Stippler, Vorstandsvorsitzende der AOK Bayern, erläuterte die Vorteile, die sich aus den Möglichkeiten des § 25b des Gesundheitsdatennutzungsgesetzes ergeben, Daten für prädiktive Modelle zusammenzuführen. Analytische Instrumente gebe es bei den Krankenkassen zwar schon länger, aber jetzt gebe es mehr Möglichkeiten für "Impfprävention in der Pflege, Arzneimitteltherapiesicherheit und und und". In der Vergangenheit wurde der § 25b von Datenschützern scharf kritisiert, da dieser dafür sorgen könnte, dass Krankenkassen auf Versicherte viel Druck ausüben könnten.

Bei der AOK Bayern habe man sich unter anderem einen Use Case in der Pflege vorgenommen, um Versicherte frühzeitig auf Pflegesituationen aufmerksam zu machen. Ein weiterer Use Case sei, Menschen, die auf dem Bau arbeiten, in Zusammenarbeit mit der Rentenversicherung frühzeitig zu einer medizinischen Rehabilitation zu verhelfen. Die Kasse taste sich langsam voran, da sie in diesem Bereich nach der KI-Verordnung als Hochrisikounternehmen eingestuft ist. Insgesamt müsse man erneut klären, was KI ist und was nicht. Beim Aufbau der KI-Compliance müsse zudem die Frage geklärt werden, ob "alles, was wir einsetzen, Hochrisiko-KI" ist oder nicht.

Intern werde zudem daran gearbeitet, die Sachbearbeitung vollständig zu automatisieren, wobei am Ende der Mensch stehe. Bei einem Bonusprogramm, bei dem man durch Fitnessstudio, Blutspenden und andere Dinge Punkte sammeln kann, dauert es neun Tage, bis ein Sachbearbeiter das geprüft hat. Mit KI wäre das in Echtzeit möglich, wobei die KI mit dem Versicherten chattet und dann zum Beispiel auf falsche Angaben hinweist. Sobald die Unterlagen hochgeladen sind, kann die Bewilligung erfolgen. Das sind die ersten Schritte.

Das Bundesgesundheitsministerium sei laut Thomas Renner, der dort Unterabteilungsleiter fĂĽr den Bereich "Digitalisierung und Innovation" ist, auf einem guten Weg, die Voraussetzungen dafĂĽr zu schaffen, dass KI in All-Policies auch geschehen kann. "Und das betrifft natĂĽrlich die elektronische Patientenakte [...]. Das betrifft aber auch den Krankenhaussektor". Es brauche eine "stabile, basale Digitalisierung der Infrastruktur im Gesundheitswesen. Und ich glaube, da ist eine Menge passiert", so Renner. Wichtig fĂĽr KI sei die DatenverfĂĽgbarkeit, mit der man dank des Gesundheitsdatennutzungsgesetzes ebenfalls auf einem guten Weg sei, um KI in die Anwendung zu bringen.

Beim BMG werden die Anwendungsfälle für KI intern noch geprüft. Viele Ressorts würden mit "gekapselten Sprachmodellen" beginnen. Erste Anwendungsfälle liegen in der Beantwortung von parlamentarischen Anfragen, bei der KI unterstütze. Daten aus Reallaboren seien ebenfalls notwendig. Die Qualität der KI-Systeme korreliere mit der Qualität der Daten. Ebenso müsse man eine ehrliche Debatte führen, wie viel Effizienz und Qualität KI-Lösungen für ein System bringen und ob das finanziert werden kann.

(mack)