Gar nicht so dezentral: Hälfte der Accounts im Fediverse bei Hetzner gehostet

Das Fediverse gilt als offene und dezentrale Alternative zu Twitter, Facebook & Co. Ob das technisch gelingt, hat ein Entwickler einfach mal geprüft.

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Mastodon auf Smartphone

Der mit Abstand größte Teil des Fediverse entfällt auf Mastodon

(Bild: Tada Images/Shutterstock.com)

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Während die meisten Instanzen des sogenannten Fediverse – zu dem unter anderem der Kurznachrichtendienst Mastodon gehört – beim französischen Provider OVH gehostet werden, liegen mehr als die Hälfte aller Accounts auf einem Server des deutschen Konkurrenten Hetzner. Das hat der britische Software-Entwickler Ben Cartwright-Cox ermittelt und meint, dass die Zahlen für ein dezentrales Netzwerk "nicht wirklich großartig" seien, insgesamt könnte es aber schlimmer sein. Gleichzeitig macht seine Aufschlüsselung deutlich, wie stark das über das Protokoll ActivityPub verbundene Netzwerk aus verschiedenen sozialen Netzwerken weiterhin in Deutschland und Europa verankert ist. Das dürfte sich in diesem Jahr aber ändern.

Cartwright-Cox hat sich für seine Analyse die Offenheit der dem Fediverse zugrundeliegenden Protokolle zunutze gemacht und gewissermaßen eine eigene Instanz simuliert. Die hat dann mit den anderen kommuniziert und Informationen über Hosting-Umgebung und die Nutzungszahlen erhalten. Um Missbrauch zu verhindern, schlüsselt er das technisch nicht weiter auf. Herausgefunden hat er dabei, dass mehr als 22 Prozent aller Instanzen – also Server – im Fediverse bei OVH gehostet werden und 11 Prozent bei Hetzner. 14 Prozent werden von Cloudflare geschützt. Laut Cartwright-Cox dürfte etwa ein Drittel davon hinter einem Heimanschluss liegen, die werden also "zu Hause" gehostet. Meist dürfte es sich um Ein-Personen-Instanzen handeln.

Weil die Größe der Instanzen aber stark variiert, hat Cartwright-Cox dann noch geprüft, wie viele Accounts es jeweils gibt und da ändert sich das Bild dramatisch. Insgesamt sind mehr als die Hälfte der etwa drei Millionen aktiven User auf einer Instanz aktiv, die bei Hetzner gehostet wird. Weitere 10 Prozent finden sich bei OVH. Diese starke Zentralisierung liegt unter anderem an der immensen Größe der zentralen Mastodon-Instanz mastodon.social, wo es fast 1,8 Millionen Accounts gibt. Aber selbst wenn man die herausnehme, kommen Hetzner und OVH demnach noch zusammen einen Anteil von fast 50 Prozent. Ideal sei das etwa wegen der Ausfallgefahr nicht, meint Cartwright-Cox, aber die europäischen Hoster seien immerhin besser als Amazon, Azure, Oracle oder Google.

Abgesehen von diesem enormen Ungleichgewicht zugunsten von Hetzner und OVH zeigen die Grafiken von Cartwright-Cox aber durchaus Vielfalt. Neun Hoster kommen demnach auf jeweils mehr als einen Prozent der Accounts, weitere 13 Prozent der Nutzerschaft entfallen in Summe auf andere Hoster. Die Dominanz von mastodon.social wird auch im Fediverse und bei Mastodon kritisch gesehen, wird aber vorangetrieben, um den Einstieg ins Fediverse zu erleichtern. Insgesamt dürfte sich die Verteilung in diesem Jahr aber merklich ändern. Einerseits hat der US-Konzern Meta damit begonnen, den Kurznachrichtendienst Threads ans Fediverse anzubinden, andererseits soll die Magazin-App Flipboard sogar komplett ins Fediverse einziehen. Beide haben viel größere Nutzungszahlen.

(mho)