Gasförderung: Niederlande drehen nach 60 Jahren den Hahn zu

Das Aus für die Gasförderung in den Niederlanden nimmt dem Nachbarland Deutschlands eine wichtige Einnahmequelle. Folgeprobleme bleiben noch lange erhalten.

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Luftbild aus den Niederlanden

Im Osten der Niederlande befindet sich im Untergrund eines der größten Gasfelder der Welt. Bald endet dort jedoch die Förderung.

(Bild: Ministerie van Economische Zaken en Klimaat)

Lesezeit: 3 Min.

Nach 60 Jahren wollen die Niederlande zum 1. Oktober die Gasförderung in Europas größtem Festland-Gasfeld im Raum Groningen beenden. Dies teilte das zuständige Ministerium für Wirtschaft und Klima mit. Die Niederlande waren jahrzehntelang auch eine Bezugsquelle Deutschlands und im Jahr 2022 laut Bundesnetzagentur der viertgrößte Importeur. Mit der Änderung sind besonders im Nordwesten technische Umstellungen an Heizanlagen nötig, weil in den Niederlanden niedrigkalorisches Gas (L-Gas) gefördert wurde, aber aus anderen Bezugsquellen üblicherweise Erdgas mit höherem Energiegehalt (H-Gas) geliefert wird.

Finanziell ist der Wegfall der Gasförderung für die Niederlande ein erheblicher Verlust. Über 400 Milliarden Euro soll der Staat mit dem Gas aus dem 900 Quadratkilometer großen Groningen-Feld eingenommen haben. Gleichwohl sorgt die Nachricht in der betroffenen Region im Nordosten der Niederlande eher für Aufatmen: Bewohner erleben zunehmend Erdbeben und bleiben auf den Kosten für die Behebung der Schäden sitzen. Angesichts dessen wurde die Förderung des zu über 80 Prozent ausgeschöpften Gasfeldes bereits seit einigen Jahren gedrosselt. Neuen Aufwind bekam die eigene Gasförderung im Jahr 2022 durch den drohenden Mangel infolge des Russlandkonflikts.

Bei sehr starker Kälte behält sich die Regierung noch bis Oktober 2024 vor, die Produktion an den elf Förderstandorten vorübergehend wieder aufzunehmen. Nach dem Stichtag soll das Kapitel Gas aber endgültig geschlossen und die Förderanlagen abgerissen werden.

"Ein wichtiger Moment nach jahrzehntelanger Gasförderung und insbesondere den Folgen dieser Gasförderung für die Einwohner von Groningen. Die Probleme der Einwohner von Groningen sind noch nicht gelöst und leider werden die Erdbeben noch Jahre andauern, aber die Quelle allen Elends wird ab Oktober geschlossen sein", teilte Staatssekretär Hans Vijlbrief auf Twitter mit. Durch die Entnahme des Erdgases in drei bis vier Kilometer Tiefe ist es mit den Jahren zu bis zu 70 Zentimeter tiefen Absenkungen des Bodens gekommen. Da diese Absenkungen nicht gleichmäßig erfolgen, kommt es im Boden zu Spannungen, die Erdbeben auslösen können.

In der Region Groningen werden durch die Absenkungen auch Nachteile im Hochwasserschutz und bei der Entwässerung befürchtet. Es wird kritisiert, dass die Erträge aus der Gasförderung in den vergangenen Jahrzehnten vor allem in Infrastrukturprojekte im Westen des Landes geflossen seien. Auch sei es versäumt worden, die entstandenen Hohlräume mit anderen Gasen, etwa zur Kohlendioxid-Abscheidung, zu befüllen, was die Bodenprobleme möglicherweise gemildert hätte.

In Deutschland wird indessen damit gerechnet, dass im Oktober 2029 endgültig kein niederländisches L-Gas mehr importiert wird. In den Niederlanden wird aktuell eine Stickstoffanlage in Zuidbroek errichtet, die H-Gas in L-Gas umwandelt, sodass in Deutschlands Nachbarland auch nach dem Ende der Förderung weiterhin das niedrigkalorische Gas verwendet werden kann. Im Jahr 2022 importierte Deutschland 255.509 Gigawattstunden Erdgas aus den Niederlanden. In die Menge sind allerdings auch Flüssigerdgas-Importe einzurechnen, wenn Gas an den niederländischen LNG-Terminals zum Weitertransport nach Deutschland eingespeist wird.

(mki)