Gates-Rücktritt: Schwäche oder taktisches Manöver?

Der Rücktritt von Bill Gates, den ersten Blick ein Zeichen der Schwäche von Microsoft, könnte sich als geschicktes taktisches Manöver erweisen.

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Von
  • Wolfgang Stieler

Der Rücktritt von Bill Gates, der auf den ersten Blick wie ein Zeichen der Schwäche von Microsoft wirkt, ist ein gewagter Coup. Ausgerechnet zu einer Zeit, in der Microsoft wie noch nie zuvor in der erfolgreichen Firmengeschichte unter Druck steht, tritt die legendäre Gründerfigur Gates zurück.

Die Begründung, er wolle sich nunmehr der Software-Architektur widmen, erscheint fadenscheinig - ähnlich hatte Gates auch schon im Juli 1998 argumentiert, als er Steve Ballmer den Präsidentenposten überliess. Trotz aller gegenteiligen Behauptungen der Microsoft-Führungsetage bleibt in der Öffentlichkeit fast zwangsläufig der Eindruck, Gates würde unter dem Druck der angedrohten Microsoft-Aufspaltung den Kampf um sein Software-Imperium aufgeben.

Der Rücktritt könnte sich jedoch als geschicktes taktisches Manöver erweisen, das mehrere Probleme auf einen Schlag löst. Bill Gates, dessen Video-Aussagen im Anti-Trust-Prozess einen sehr negativen Eindruck hinterließen, zieht sich aus der Schusslinie zurück. Mit Ballmer repräsentiert nun ein völlig anderer Charaktertyp das Unternehmen: ein robuster Geschäftsmann, der bei öffentlichen Auftritten gerne einmal auf das Mikrofon verzichtet. Auch schon einmal als Microsofts Wadenbeißer bezeichnet, scheut sich der ehemalige Procter&Gamble-Manager und Gates-Intimus nicht, mit harten Bandagen gegen die Konkurrenz zu kämpfen. Microsoft-intern wird durch diese Personalwahl zugleich signalisiert, dass sich für die Mitarbeiter nichts Grundlegendes ändert.

Sollte es tatsächlich zu einer Aufspaltung Microsofts kommen, hat Bill Gates schon deutlich gemacht, bei welchem Unternehmensteil er bleiben wird: der Betriebssystem-Einheit. Wie der Phönix aus der Asche tauchte er dann wieder als Chef derjenigen Firma auf, die mit Windows die eigentliche Basis für Microsofts Monopol ihr Eigen nennt.

Zudem: Die Megafusion von AOL mit Time Warner erwischte Microsoft offensichtlich kalt. Der Wechsel in der Führungsspitze ist eine geschickte, indirekte Antwort auf das Entstehen des riesigen Internet-Unterhaltungskonzerns. Microsoft, so die Botschaft, stellt sich den neuen Herausforderungen der Branche. Nicht umsonst verband Microsoft die Mitteilung von Gates' Rücktritt mit der Ankündigung eines Strategiewechsels. Man wolle sich in Zukunft auf Software- und Internet-Dienstleistungen konzentrieren; das Internet müsse anwenderfreundlicher werden, damit Firmen, Konsumenten und Entwickler die Dienste, die sie nutzen, besser auf ihre Bedürfnisse zuschneiden sowie die benötigten Informationen speichern und gemeinsam nutzen könnten - jederzeit, überall und mit beliebigen Geräten, wie Microsoft in der Erklärung zum Gates-Rücktritt mitteilt.

Prompt bewerteten Analysten Gates' Entscheidung positiv. Microsoft müsse sich auf den grundlegenden Wandel in der Informationstechnologie vorbereiten, sagte William Epifanio von J.P. Morgan Securities der Wirtschaftsagentur Bloomberg. Der Trend gehe weg von der Lizenzierung von Software. "Es ist großartig, dass Gates sich auf diese Fragen konzentrieren will, denn er ist auf dieser Ebene besonders gut." (wst)