Diamantstaub: Neue Hoffnung gegen Erderwärmung?
Diamantstaub könnte die Erderwärmung bremsen, indem er das Sonnenlicht ins All reflektiert. Forschende untersuchen Chancen und Risiken dieser Methode.
Die Idee ist so verführerisch wie umstritten: einen Teil des Sonnenlichts einfach zurück ins All spiegeln – und so die sich erhitzende Erde abkühlen. Die meisten Verfechterinnen und Verfechter dieses Verfahrens setzen dabei auf das Vorbild Vulkanausbruch: Schwefeldioxid-Gas wird in die obere Atmosphäre gepustet, wo es chemisch zu reflektierenden Schwefelsäure-Tröpfchen reagiert. Der Ausbruch des Vulkans Mount Pinatuba auf den Philippinen 1991 etwa kühlte das Weltklima für ein bis zwei Jahre um etwa ein halbes Grad Celsius ab.
Diamantstaub als Alternative
Schweizer Forschende um Sandro Vattioni von der Eidgenössisch-Technischen Hochschule Zürich (ETH) allerdings favorisieren Diamantstaub als Werkzeug für das solare Geoengineering. Die winzigen Kohlenstoffkristalle mit Durchmessern von etwa 300 Nanometern spiegelten das Licht effizienter und hätten vermutlich weniger unerwünschte Nebenwirkungen, schrieben sie kürzlich im Fachblatt Geophysical Research Letters. Auch Kalksteinkristalle oder Aluminiumoxidpartikel könnten der Studie zufolge gute Alternativen zu Schwefeldioxid sein.
"Bisherige Studien waren stark vereinfacht und haben zum Beispiel nur auf die optischen Effekte geschaut. Also darauf, wie viel Licht die Aerosole von der Erdoberfläche fernhalten können", sagt Vattioni. Sein Team habe jetzt die optischen und physikochemischen Eigenschaften der Teilchen in ein Klimamodell eingebaut. Das sei wichtig, um mögliche unerwünschte Nebenwirkungen der Kühlmaßnahme zu ermitteln.
Von Schwefelsäure zum Beispiel ist bekannt, dass sie Licht aufnehmen und sich dabei erwärmen kann. "Diese lokale Erhitzung wirkt sich auf die globale Windzirkulation aus und auch auf die Niederschlagsverteilung, also darauf, wann es wo wie viel regnet", erklärt Vattioni. Zudem förderten die Schwefelsäure-Tröpfchen die Aktivierung reaktiver Chlorverbindungen in der Stratosphäre, die wiederum den Abbau der schützenden Ozonschicht befeuern könnten.
Um den Effekt von Festkörperteilchen wie Diamantstaub einschätzen zu können, haben die Forschenden mit Computersimulationen gearbeitet. Im zugrunde liegenden Modell werden die Partikel in einer Höhe von 20 Kilometern in der Stratosphäre freigesetzt, wo sie laut Vattioni für ein bis zwei Jahre bleiben würden. "Weiter unten in der wetterbestimmenden Troposphäre beträgt die Aufenthaltsdauer nur wenige Tage bis Wochen. Unter anderem, weil die Teilchen mit dem Regen innerhalb kurzer Zeit wieder auf die Erde gespült werden", so der Forscher. Auch die Wechselwirkungen der Teilchen untereinander seien in die Simulationen eingeflossen. "Wenn sie kollidieren und zu Agglomeraten verklumpen, reduziert sich deren Reflektivität und sie fallen auch schneller wieder aus der Stratosphäre heraus."
Die Simulationen zeigen zum einen, wie groß der Kühleffekt wäre. "Wenn wir zum Beispiel fünf Megatonnen Diamantstaub pro Jahr freisetzen würden, dann würde die Strahlungsleistung, die auf der Erde ankommt, um minus 2,1 Watt pro Quadratmeter sinken", sagt Vattioni. "Und das wiederum könnte – so schätzen wir – eine durchschnittliche Abkühlung der Oberflächentemperaturen um circa ein Grad Celsius bewirken."
Vielversprechend fielen die Berechnungen auch zu möglichen Nebenwirkungen auf das Wettergeschehen aus. "Da Diamant praktisch kein Licht absorbiert, gibt es kaum lokale Erwärmung und praktisch keinen Einfluss auf die globalen Winde", berichtet der Wissenschaftler. Was die Förderung des Ozon-Abbaus betreffe, gebe es allerdings noch "große Unsicherheiten". Das hat eine vorherige Studie gezeigt. Zwar ist Diamant an sich chemisch ausgesprochen reaktionsträge. Aber bildet sich eine Wasserschicht auf den Kristallen, können ozonabbauende Chlorverbindungen aktiviert werden [-] wie auf den Schwefelsäure-Tröpfchen. In welchem Ausmaß sich in der sehr trockenen Stratosphäre aber überhaupt Wasser anlagert und wie viel Chlor dadurch aktiviert wird, ist noch unklar.
Herausforderungen des solaren Geoengineerings
Die Kosten für eine Diamantstaub-Kühlung des Planeten hat das Team bisher nicht berechnet. "Seit sich Diamant synthetisch herstellen lässt, sinken die Preise immer weiter. Trotzdem wären die jährlichen Produktionskosten wahrscheinlich um einige Größenordnungen höher als jene von Schwefeldioxid oder Kalkstein, die wiederum kaum ins Gewicht fallen würden", schätzt der Forscher.
Ozon-Abbau und Kosten sind nicht die einzigen Unsicherheitsfaktoren. Unter anderem ist die Wirkung auf die Umwelt noch unklar. Durch die Partikel in der oberen Atmosphäre steigt der Anteil an diffusem Licht und der Festkörperstaub landet wieder auf der Erde – beides mit bisher unbekannten Folgen.
"Solche Bedenken muss man unbedingt ernst nehmen. Es braucht noch mehr Forschung, bevor man überhaupt über einen möglichen Einsatz nachdenken kann", ist der Wissenschaftler überzeugt. Der Forscher plädiert für weitere Laborexperimente und Modellstudien. Auch kleinere Feldversuche mit ein paar Kilogramm Schwefelverbindungen, Diamant- oder Kalksteinstaub sollten in Betracht gezogen werden, sagt er. "Am Ende gilt es, mögliche Risiken durch das solare Geoengineering gegenüber den Risiken durch die Folgen des Klimawandels abzuwägen."
In der Wissenschaftsgemeinde ist das solare Geoengineering umstritten. In einem offenen Brief vom Januar 2022 forderten Forschende, die Methode weltweit zu untersagen. Negative Folgen könnten nicht sicher genug ausgeschlossen werden könnten und eine globale, demokratische Regulierung wäre praktisch nicht möglich. Zudem drohe die Technologie "zu einem mächtigen Argument für Industrielobbyisten, Klimaleugner und einige Regierungen zu werden, um politische Maßnahmen zur Dekarbonisierung zu verzögern."
Andere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler reagierten darauf im letzten Jahr mit einem Gegenbrief. Das solare Geoengineering solle angesichts der weiteren Verschärfung der Klimakrise als mögliche Klimaanpassungsmethode weiter erforscht und die Anwendung nicht kategorisch ausgeschlossen werden, heißt es darin. Auch Vationi ist überzeugt: "Wir müssen uns damit befassen. Allein schon, weil die Methode so einfach und kostengünstig ist, dass sie – ob verboten oder nicht – womöglich irgendwann zum Einsatz kommt. Und dann sollten wir zumindest wissen, mit was wir es zu tun haben."
Dieser Beitrag ist zuerst bei t3n.de erschienen.
(vza)