Geplante Videodokumentation von Strafprozessen stößt auf Kritik

Die geplante digitale Videodokumentation von Strafprozessen zieht Kritik auf sich. Die Hilfsorganisation Weißer Ring warnt vor möglichen Folgen für die Opfer.

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(Bild: Wirestock Images/Shutterstock.com)

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Ein Referentenentwurf aus dem Bundesjustizministerium sieht vor, dass künftig Hauptverhandlungen in Strafprozessen digital dokumentiert werden sollen. Dazu sollen bis zu drei Kameras die Verhandlung aufzeichnen. Das Ministerium hat den Entwurf "für ein Gesetz zur digitalen Dokumentation der strafgerichtlichen Hauptverhandlung" Ende November an die Verbände und Länder übermittelt. Wie im Koalitionsvertrag vereinbart, solle die Hauptverhandlung in Bild und Ton aufgezeichnet werden, hatte Minister Marco Buschmann (FDP) dazu gesagt. Die automatisierte Übertragung der Tonaufzeichnung mittels einer Transkriptionssoftware in ein Textdokument sei auch zentraler Bestandteil des Entwurfs.

Doch von der Hilfsorganisation für Kriminalitätsopfer "Weißer Ring" kommt Kritik, sie lehnt die geplante Video-Dokumentation von Strafprozessen ab. "Das Bundesjustizministerium hat bei seinen Plänen offenbar die Opfer vergessen", sagte der Bundesvorsitzende des Weißen Rings, Patrick Liesching, der Deutschen Presse-Agentur in Mainz.

"Für Opfer ist die Aussage vor Gericht schon jetzt eine schwere Belastung. Künftig sollen sie sich aber nicht nur dem Angeklagten, seinen Strafverteidigern und der Öffentlichkeit aussetzen, sondern auch noch drei Kameras", kritisierte Liesching, der auch Staatsanwalt in Fulda ist. "Die Opfer müssen damit rechnen, dass ihnen jede Gestik, jede Mimik, jede Unsicherheit immer wieder vorgehalten wird", gab der Jurist zu Bedenken. "Ihre Verletzlichkeit wird auf Dauer konserviert – und findet sich im schlimmsten Fall vielleicht sogar auf YouTube wieder."

Die Dokumentation müsse gemäß der Strafprozessordnung allen Verfahrensbeteiligten zugänglich gemacht werden. Dies könnten bei großen Prozessen "Dutzende Personen" sein, gibt der Weiße Ring zu Bedenken. "Im Fall einer unerlaubten Weitergabe der Bilder ließe sich der Täter kaum ermitteln." "Das kommt einer Einschüchterung von Opferzeugen durch Verfahrensregeln gleich", kritisierte Liesching. Damit sei auch das Argument des Ministeriums hinfällig, die Dokumentation verbessere die Wahrheitsfindung. "Ein eingeschüchterter Zeuge ist kein guter Zeuge."

Der Weiße Ring befürchtet eine "weitere Machtverschiebung zulasten der Opfer" im Strafverfahren. Denn: Ein Angeklagter kann vor Gericht die Aussage verweigern – ein Opferzeuge dürfe dies aber nicht. "Die geplante Video-Dokumentation ist ein Geschenk an Konfliktverteidiger und wird zur Verzögerung und Verkomplizierung der oft ohnehin schon komplexen Verfahren führen."

(tiw)