Gesetz gegen Hass im Netz: "Morddrohungen sind keine Meinungsäußerungen"

Vor vier Tagen hatte der Bundesrat den neuen Entwurf abgelehnt – Bundesjustizministerin Lambrecht dringt darauf, das Gesetz gegen Hass im Netz zu verabschieden.

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(Bild: Shutterstock)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Silke Hahn
  • mit Material der dpa
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Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) hat darauf gedrungen, das von ihr eingebrachte Gesetz gegen Hass und Hetze im Internet endlich zu verabschieden. Es sei erschütternd, dass zum Beispiel Menschen, die über Frauenhass berichten, noch mehr Frauenhass auf sich zögen. Auch "wer mit Fakten dazu beiträgt, dass wir die Pandemie besser bekämpfen können, wird mit Drohungen überzogen", sagte Lambrecht dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) am heutigen Dienstag.

Hetze im Netz müsse ein Ende haben und Täter wie Täterinnen müssten konsequent von der Justiz verfolgt werden, sagte die Justizministerin gegenüber dem RND. "Morddrohungen sind keine Meinungsäußerung, sondern Straftaten", so Lambrecht weiter. Zuletzt hatte zum Beispiel SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach laut eigener Aussage Morddrohungen erhalten.

"Erneut rollt eine Hasswelle über mich im Internet, mit Morddrohungen und Beleidigungen, die schwer zu ertragen sind. Immer wieder Aufrufe zur Gewalt", twitterte er. Die Hassbotschaften zielten darauf ab, ihn und andere einzuschüchtern – auf seinem Schreibtisch türmten sich ihm zufolge die Ermittlungsverfahren.

SPD-Gesundheitsexperte Lauterbach twittert über massive Anfeindungen im Netz.

(Bild: Twitter)

Am 12. Februar 2021 hatte der Bundesrat die Reform der Bestandsdatenauskunft abgelehnt und damit einhergehend auch ein "Reparaturgesetz" zum Gesetzesvorhaben gegen Hass und Hetze im Netz. Mit dem Gesetz hätten Behörden bereits im Verdachtsfall weitreichende Befugnisse zum Zugriff auf Nutzerdaten sozialer Netzwerke erhalten. Kritiker hatten den Bundesrat im Vorfeld gewarnt, dass die geplante Bestandsdatenauskunft die Privatsphäre beschneide, da die Herausgabe von Passwörtern Zugriff auf Online-Konten und die digitale Identität aller ermögliche.

Das sah der Bundesrat offenbar ähnlich. Bereits im Frühjahr 2020 hatte er sich als Kammer der Länder kritisch zum Gesetzesentwurf geäußert und Korrekturbedarf angemahnt: Eine "Filterfunktion" sei geboten, um die Länderhaushalte nicht zu überlasten. Auch der deutsche Richterbund hatte Bedenken geäußert, da bei der vorgesehenen Meldepflicht für Hass und Hetze in sozialen Netzen die Strafjustiz vorab personelle Verstärkung und "mehr Digitalkompetenz" bräuchte, um den zusätzlichen Verfahren gewachsen zu sein.

Lambrecht hatte den Gesetzesentwurf nach dem Mord an dem hessischen CDU-Politiker Walter Lübcke vorgelegt: Lübcke war 2019 vor seinem Haus von einem Rechtsextremen erschossen worden – zuvor hatte es im Internet eine Hasskampagne und Mordaufrufe gegen ihn gegeben. Der Fall hatte eine tiefgreifende Debatte ausgelöst mit anschließenden Reformvorschlägen für die Justiz im Umgang mit Cybermobbing.

Der Gesetzesentwurf zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Hasskriminalität liegt seit Juni 2020 vor und trotz zahlreicher Änderungen weiterhin auf Eis. Künftig würde durch das geplante Gesetz bereits eine Straftat begehen, wer anderen Körperverletzung oder sexuelle Übergriffe androht – zuvor galt das erst bei Morddrohungen. "Alle, die für einen entschiedenen Kampf gegen Rechtsextremismus, Hass und Hetze eintreten, müssen jetzt den Worten Taten folgen lassen und hier konstruktiv an einer Lösung mitarbeiten", betonte Lambrecht.

Das Gesetzespaket gegen Hass im Netz war bereits im Bundestag verabschiedet worden. Es kann aber erst in Kraft treten, wenn die nötigen Änderungen zur Nutzung von Bestandsdaten die Zustimmung von Bundestag und Bundesrat finden. Zu den Bestandsdaten gehören neben Name und Adresse der Nutzer unter anderem auch Passwörter und die Bankverbindung sowie die IP-Adresse des Computers. Bundesrat, Bundestag und Bundesregierung könnten nun den Vermittlungsausschuss anrufen, um dort eine Lösung zu finden.

(sih)