Gesichtserkennung: 50 Millionen Führerscheinbilder für die britische Polizei
Mit einer von der britischen Regierung heimlich eingeführten Gesetzesnovelle dürften Ermittler per Gesichtserkennung die Führerschein-Datenbank durchsuchen.
Mit einem juristischen Kniff will die britische Regierung der Polizei den Zugriff auf die nationale Führerschein-Datenbank und die darin gespeicherten rund 50 Millionen Fotos geben. Diese sollen die Ermittler für die biometrische Gesichtserkennung nutzen und etwa mit aktuellen Fahndungsbildern abgleichen dürfen, berichtet der Guardian. Doch es hagelt Proteste gegen die lange Zeit stillschweigend vorangetriebene Initiative. "Dies ist ein weiteres Beispiel dafür, wie die Überwachung mit Gesichtserkennung ausgeweitet wird, ohne dass klare Grenzen gesetzt sind oder der Einsatz unabhängig überwacht wird", moniert der frühere unabhängige Polizeikontrolleur Peter Fussey. Dabei sei die Technik überaus fehleranfällig und könnte zu vielen falschen Verdächtigungen führen.
Chris Jones, Direktor der Bürgerrechtsorganisation Statewatch, beklagt, der ohne öffentliche Ankündigung und Konsultation ausgeheckte Plan würde jeden Autofahrer unter ständige polizeiliche Beobachtung stellen. Das Vorhaben öffne eine breite Hintertür, um der Polizei "Zugriff auf beliebige Daten zu gewähren – mit geringen oder keinen Sicherheitsvorkehrungen", warnt Carole McCartney, Professorin für Strafjustiz an der Universität Leicester. Katy Watts von der Bürgerrechtsgruppe Liberty spricht von einer "Abkürzung zu einer umfassenden Überwachung durch den Staat. Darüber sollten wir uns alle darüber Sorgen machen." Der von der Regierung "eingesparte" frühere britische Beauftragte für das Speichern und Nutzen biometrischer Materialien, Fraser Sampson, schlug jüngst Alarm: Das Königreich praktiziere Rundum-Überwachung, die mit Künstlicher Intelligenz (KI) noch gefährlicher werde.
Fahnder: Automatisierte Gesichtserkennung ist nützlich
Der Zugriff auf Führerscheindaten wird durch Bestimmungen im Zusammenhang mit dem Criminal Justice and Court Services Act von 2000 kontrolliert. Dieses Gesetz verlangt von der Polizei, einen triftigen Grund zusammen mit einem Verstoß vor allem gegen Straßenverkehrsgesetze anzugeben. In einer Erläuterung zum geplanten neuen Strafrechtsgesetz heißt es dem Bericht zufolge nun: Klausel 21 ermögliche Vorschriften, den Zugriff auf Fahrerinformationen aus der als DVLA bekannten Datenbank "für alle polizeilichen oder Strafverfolgungszwecke vorzusehen". Polizeiminister Chris Philp habe während einer ersten Ausschusssitzung im Parlament am 12. Dezember erstmals den eigentlichen Zweck dieser Gesetzesänderung eingeräumt.
Derzeit sei ein Anzapfen der DVLA schwierig, um automatisiert nach Gesichtern zu suchen, führte Philp demnach aus. Mit dem Vorhaben werde sich dies ändern. Von Graeme Biggar, dem Generaldirektor der National Crime Agency (NCA), ließ sich der Minister bestätigen, dass die Erlaubnis zu einem stärkeren Einsatz der umstrittenen Technik für die Strafverfolgung "nützlich" wäre. Ein Sprecher des Innenministeriums hob gegenüber dem Guardian hervor, dass es "keinen automatischen Zugriff auf DVLA-Datensätze zur Gesichtserkennung" geben werde. An sämtlichen weiteren Entwicklungen in diese Richtung würden die Abgeordneten beteiligt. Mit der Neufassung des Prüm-Vertrags zum polizeilichen Informationsaustausch, der Großbritannien trotz Brexit weiter einschließt, sollten ursprünglich auch Führerscheindaten einbezogen werden. Das EU-Parlament legte sich aber quer. Mit der neuen KI-Verordnung ziehen die EU-Gesetzgeber durchlässige Grenzen für Gesichtserkennung ein.
(tiw)