Gesundheits-Digitalagentur-Gesetz: Viel Kritik an Doppelrolle der Gematik

Mit der Gematik als Digitalagentur des Bundesgesundheitsministeriums soll alles besser werden. Es hagelt jedoch Kritik an der geplanten Doppelrolle der Gematik.

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Datennetze in einer Hand

(Bild: sdecoret/Shutterstock.com)

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Künftig soll die Gematik als Agentur des Bundesgesundheitsministeriums die Beschleunigung des Gesundheitswesens voranbringen und einen störungsfreien Betrieb der Telematikinfrastruktur ermöglichen und dafür hart durchgreifen können. In der Vergangenheit fehlte es der Gematik an Handlungsspielraum. Doch an dem Gesetzentwurf gibt es erhebliche Kritik – etwa bezüglich der Doppelrolle der Gematik. Strittig ist aber auch die Finanzierung der Gematik, beziehungsweise der künftigen "Digitalagentur Gesundheit", die Kosten sollen die Krankenversicherungen und damit die Versicherten tragen.

Das Gesetz soll die Handlungsfähigkeit der Gematik stärken, indem sie zu einer Digitalagentur Gesundheit ausbaut wird. Wie genau das geschehen soll und welche neuen Aufgaben, Prozessverantwortlichkeiten künftig von der Agentur übernommen werden sollen, dazu wurden die Sachverständigen in einer Anhörung im Bundestag befragt.

Von Dr. Doris Pfeiffer vom Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen kam Kritik an der Finanzierung der Digitalagentur Gesundheit. Seit der letzten Legislaturperiode stamme der Löwenanteil der Finanzierung der Digitalisierung des Gesundheitswesens von den gesetzlichen Krankenkassen.

"Der GKV-Spitzenverband muss den Haushalt der Gematik finanzieren", so Pfeiffer. Dennoch liegt die Entscheidungshoheit beim Bundesgesundheitsministerium. Aus Beitragszahlersicht sei es "ein Unding, dass wir hier keine Möglichkeit haben, die Finanzierung dieser Gesellschaft zu beeinflussen, beziehungsweise hier die Finanzierungsversorgung zu erhöhen". Die Finanzverantwortung, die die Versicherten tragen, passe aus ihrer Sicht nicht mit der Entscheidungsverantwortung zusammen. Zudem müssten bestimmte Anforderungen auch zentral festgelegt werden.

Ebenso sieht Melanie Wendling vom Bundesverband der Gesundheits-IT (Bvitg) die Diplomatie der Gematik gefährdet, da diese einerseits als Zertifizierer agiert und zugleich auch selbst Anwendungen entwickeln oder Aufträge dafür vergeben kann. Das sei ein unzulässiger Eingriff in den Markt. Damit erhalte die Gematik eine Doppelrolle, die für den Bvitg nicht hinnehmbar sei.

Ebenfalls Kritik an der Rolle der Gematik übte Dr. Verena Benz vom Bitkom und schätzt die erweiterten Befugnisse der Digitalagentur als "überzogen" ein. Die Anbieter selbst hätten ein Interesse daran, die Störungen der Telematikinfrastruktur zu verhindern und zu beseitigen, allerdings würden übermäßige Eingriffe, auch ohne weitere Ankündigung seitens der Gematik, die Störungsbeseitigung eher behindern als fördern.

Auch von anderen Seiten, wie beispielsweise von Gabriele Overwiening, der Präsidentin der Apothekerverbände, hagelte es Kritik für die geplante Doppelrolle der Digitalagentur Gesundheit. Zusammen mit dem Bundesgesundheitsministerium werde sie zum Gesellschafter und Gesetzgeber, erhalte aber auch die Aufsicht über die Gesellschafter und kann so beispielsweise Bußgelder verteilen.

Die Frage von Sebastian Mieves, eHealth-Sprecher der SPD, ob Ärzte künftig länger als 90 Tage lang Zugriff auf die elektronische Patientenakte haben sollten, beantwortete Nicola Buhlinger-Göpfarth vom Hausärztinnenverband mit einem klaren Ja. "Schon jetzt haben die Praxen dauerhaften Zugriff auf die Behandlungsdaten. "Der dauerhafte Zugriff wäre also auch aus hausärztlicher Sicht im Hinblick auf die Steuerungs- und Koordinationsleistung einer auf Dauer angelegten Arzt-Patienten-Beziehung, die derzeit so nur im hausärztlichen Sektor angelegt ist, nur konsequent", erklärte Buhlinger-Göpfarth. Auf diese Weise könnte schnell auf dringliche Anfragen reagiert werden und gezielt Informationen mit weiteren an der Patientenversorgung Beteiligten teilen – etwa Labore oder Apotheken oder Ärzte.

Um Dokumente zwischen den verschiedenen Einrichtungen auszutauschen, wären die Dienste KIM und TIM hilfreich, wenn die Technik zuverlässig funktioniere. Auf die Frage, ob es bei der Registrierung für die elektronische Patientenakte bei der Krankenkasse noch Regelungsbedarf gebe, heißt es von Klaus Rupp, der als Sachverständiger von der Techniker Krankenkasse geladen wurde, dass diese zu kompliziert sei. Viele Versicherte würden die Registrierung daher nicht abschließen.

"Wenn Sie das dann mit dem Banking-Bereich vergleichen, dann sehen Sie, dass Sie da eben auch andere Möglichkeiten haben. Und wir haben es jetzt hier mit der Gesundheitsidee und im Zugang zu ePA doch mit wesentlich mehr Aufwänden zu tun", so Rupp. Daher solle seiner Ansicht nach ein Ausgleich zwischen Datenschutzanforderungen und Nutzbarkeit geschaffen werden. Dafür müsse es auch möglich sein, die PIN für den Personalausweis nicht nur mit dem Gang zum Bürgerservice zurücksetzen zu können. Geplant ist bereits, dass sich die PIN auch online zurücksetzen lässt.

Auf den Wunsch nach einer Erklärung, warum es bisher noch keine obligatorische Vergabe der Krankenversichertennummer (KVNR) für die Privatversicherten gibt, erklärte Anke Schlieker vom PKV-Verband, dass die KVNR aufwendig generiert werden müssen. Die Krankenversichertennummer ist die Voraussetzung für Anwendungen wie die digitale Identität und damit auch der elektronischen Patientenakte, dem E-Rezept und weiterer Anwendungen. "Auch für andere Zwecke, wie für die ganzen Implantateregister, Krebsregister und so weiter, braucht man diese Nummer. [...]. Diese Nummer muss in einem individuellen Prozess aufwendig generiert werden. Und dabei brauchen wir die aktive Mitwirkung der Versicherten. Die müssen einen Antrag stellen, insbesondere damit die datenschutzrechtlichen Einwilligungen in die Nutzung von personenbezogenen Daten vorhanden sind. Die Unternehmen sind da sehr aktiv."

Zudem gebe es nur wenige, die sich zurückmelden. "Seit zwei Jahren [...] werden Mailings verschickt [...] und bis heute sind gerade mal zehn Prozent der PKV-Versicherten mit einer KVNR versorgt". Das sei ein "sehr aufwendiger, ein sehr bürokratischer und sehr teurer Prozess". Zudem könnten nicht alle Versicherten erreicht werden. Gerade "die Gruppen, die es wirklich brauchen, also die vulnerablen Gruppen, die chronisch Kranken, die Älteren, die Pflegebedürftigen. Die fremdsprachigen Versicherten erreichen wir in der Regel nicht."

Daher fordere der PKV-Verband "seit Jahren eine gesetzliche Regelung, damit die PKV-Unternehmen die KVNR für jeden Versicherten zustimmungsfrei und obligatorisch bilden können". Dann wäre die Nummer vorhanden, wenn sie wirklich gebraucht wird im Behandlungsfall, und dann würde sich auch die Opt-out-ePA und das E-Rezept in der PKV durchsetzen", so Schlieker. Es habe immer Gespräche mit dem BMG gegeben, konkrete Umsetzungsvorschläge seien bis heute aber nicht aufgegriffen worden.

(mack)