Gesundheitswesen: Verbraucherschützer fordern mehr Schutz bei Datennutzung

Verbraucherschützer, Ärzte und Verbände sind uneins, ob Krankenkassen mit geplantem Gesundheitsdatennutzungsgesetz mehr Versichertendaten verwerten dürfen.

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(Bild: Puttachat Kumkrong/Shutterstock.com)

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Anlässlich der ersten Anhörung zum Gesundheitsdatennutzungsgesetz (GDNG) hat auch der Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv) eine Stellungnahme veröffentlicht, in der er Verbesserungen des GNDG fordert. Aus Sicht des vzbv seien die Daten im aktuell vorliegenden Referentenentwurf der Verbraucher "nicht ausreichend geschützt".

Zwar gebe es für die Versicherten bei der Nutzung der Daten viele Vorteile, dennoch müssten sich Verbraucher auf einen vertraulichen und verantwortungsbewussten Umgang mit den besonders sensiblen Daten verlassen können, sagt Thomas Moormann, Leiter Team Gesundheit und Pflege im vzbv. Mit dem aktuellen Entwurf zum GNDG könnten "alle erdenkliche Akteure zu beinahe jedem Zweck" Daten verarbeiten. Der Zugang zu Gesundheitsdaten müsse jedoch ausschließlich "gemeinwohlorientierten Nutzungszwecken vorbehalten bleiben".

Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) sieht das ähnlich: "Es sollte alles vermieden werden, was das besondere Vertrauensverhältnis in der Arzt-Patienten-Beziehung gefährden könnte", sagt Sibylle Steiner, KBV-Vorstandsmitglied. Sie lehnt es entschieden ab, dass Krankenkassen Patientendaten auswerten und diese zur Betreuung der Versicherten nutzen. Das sei Aufgabe der Ärzteschaft. Anders sieht das der Verband der Ersatzkassen (vdek). Die Vorstandsvorsitzende Ulrike Elsner spricht sich für mehr Befugnisse der Krankenkassen aus, um Versicherte auf Vorsorgeangebote hinzuweisen.

Der vzbv bemängelt die entsprechende Neuregelung für die Kranken- und Pflegekassen und bezeichnet sie als "hochriskant". Diese dürfen Daten zum individuellen Gesundheitsschutz der Versicherten auswerten. Das hatte zuvor auch schon das Netzwerk Datenschutzexpertise in seinem Gutachten zum GNDG bemängelt. Demnach ist geplant, dass die Kassen ihre Versicherten für die Früherkennung von Krankheiten "datengestützte Auswertungen zum individuellen Gesundheitsschutz ihrer Versicherten" und zur Verbesserung der Versorgung auch "individuell ansprechen" dürfen – Widerspruch ist möglich.

Auch der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA), das höchste Gremium der medizinischen Selbstverwaltung, übt ebenfalls Kritik (PDF) an der geplanten Neuerung. Seiner Ansicht nach könne die Information der Krankenkassen, etwa über das Krebsrisiko, zu unnötiger Verunsicherung führen. Die Bundesärztekammer sieht das ähnlich. "Daten, die aus dem Abrechnungskontext stammen, bilden jedoch [...] die Morbidität des Versicherten nicht derart ab, dass valide Aussagen zu einer Früherkennung seltener Erkrankungen beziehungsweise Krebsrisiken [...]" möglich sind. Weitere Verbände wie der paritätische Gesamtverband sind laut Stellungnahme ebenfalls der Ansicht, dass die "Datenhoheit der Patient:innen sowie ihre informationelle Selbstbestimmung oberste Maxime und Ausgangspunkt aller Entscheidungen" sein sollten.

Ein "erweiterter Datenzugang" stehe laut Moormann im Konflikt zur Rolle der Krankenkassen. Mit dem GDNG-Entwurf hätten sie bessere Möglichkeiten, "besonders kostenintensive Patientinnen und Patienten aus den Datensätzen herauszufiltern, um sie zu einem Krankenkassenwechsel zu bewegen. Ebenso sei fraglich, ob die Krankenkassen die individuellen Krankheitsrisiken ihrer Versicherten zuverlässig einschätzen können. Daher fordert der vzbv für die individuelle Ansprache eine ausdrückliche Einwilligung der Versicherten (Opt-in).

Für die Übermittlung von Daten aus der elektronischen Patientenakte (ePA) an das Forschungsdatenzentrum (FDZ) fordert der vzbv einfache Widerspruchsmöglichkeiten. Dieser müsse "einfach und barrierefrei in Textform möglich sein". Ebenso dürften Risiken bei der Datenübermittlung nicht verschwiegen werden. Eine Übermittlung von den Daten aus der elektronischen Patientenakte an das Forschungsdatenzentrum (FDZ) dürfe demnach nicht vor erfolgter Aufklärung und nicht vor Ablauf einer angemessenen Widerspruchsfrist stattfinden.

Der Bundesverband der Gesundheits-IT (bvitg) befürchtet technische Herausforderungen bei der "Umsetzung einer zuverlässigen sowie automatisierten pseudonymisierbaren Datenübermittlung", da die elektronische Patientenakte aktuell überwiegend mit Dokumenten befüllt wird. Der bvitg empfiehlt in seiner Stellungnahme daher, bei der technischen Umsetzung vor allem einen Blick auf strukturierte Daten zu werfen. Das ist auch im Sinne des Verbands der Ersatzkassen.

Nach Ansicht des vzbv sollten die Daten beim FDZ zudem verschlüsselt gespeichert werden, was aktuell nicht der Fall ist. Ebenso sei es "nicht ideal, dass sowohl die zentrale Datenzugangs- und Koordinierungsstelle als auch das FDZ beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) angesiedelt sind. Die Daten sollten dem vzbv zufolge aufgrund des Re-Identifizierungsrisikos lediglich anonymisiert bereitgestellt werden, in pseudonymisierter Form jedoch nur in Ausnahmefällen.

Die Technologie- und Methodenplattform für die vernetzte medizinische Forschung (TMF) unterstützt "den geplanten Ausbau einer dezentralen Gesundheitsdateninfrastruktur mit einer zentralen Datennutzungs- und Koordinierungsstelle" und eine damit einhergehende einfacherer Verfügbarkeit von Gesundheitsdaten. Das könnte nach Ansicht des vzbv allerdings für Interessenkonflikte sorgen. Die beim BfArM angesiedelte Datenzugangs- und Koordinierungsstelle sollte "schnellstmöglich in eine eigenständige Institution überführt werden".

In einer vorgesehenen Verknüpfung von Daten des Forschungsdatenzentrums und der klinischen Krebsregister sieht die TMF eine Möglichkeit, administrative Prozesse beim Datenschutz zu straffen. Dazu soll auch das Bundesdatenschutzgesetz novelliert werden. Demnach sollen Unternehmen und Forschungseinrichten künftig nur noch einer einzigen Datenschutzaufsichtsbehörde unterstellt sein.

(mack)