Glasfasern gewinnen: Neues Verfahren löst Epoxidharz von Windradrotoren auf

Rotorblätter von Windrädern lassen sich schlecht wiederverwerten. Neues, chemisches Recycling könnte helfen. Doch das Hindernis ist der industrielle Maßstab.

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(Bild: fokke baarssen/Shutterstock.com)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Casey Crownhart
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Windturbinen sind für die Bekämpfung des Klimawandels von entscheidender Bedeutung. Doch wenn sie das Ende ihrer Lebensdauer erreicht haben, sorgen die Rotorblätter für eine Menge Abfall. Wie man eine nachhaltigere Infrastruktur aufbauen kann, stellen neue Forschungsergebnisse dar, die im Fachmagazin "Nature" veröffentlicht wurden. Sie zeigen einen chemischen Weg auf, die Hauptbestandteile von Windturbinenflügeln zu recyclen und Glasfaserbestandteile schonend wiederzugewinnen.

Die Rotorblätter von Windkraftanlagen sind äußerst robust. Sie halten im besten Fall jahrzehntelang und drehen sich in dieser Zeit oft bis zu 30 Mal pro Minute. Aber wenn es an der Zeit ist, eine Windturbine stillzulegen, kann ihre Stärke zu einer Schwäche werden und das Recycling erschweren. Und bis zum Jahr 2050 könnten bis zu 43 Millionen Tonnen an Rotorblättern ausgemustert werden.

Die Rotorblätter von Windkraftanlagen bestehen aus einem starken Kunststoff namens Epoxidharz. Aufgrund der chemischen Bindungen, die beim Erstarren des Materials entstehen, kann es nicht geschmolzen und in eine neue Form gepresst werden, wie etwa der Kunststoff, aus dem Plastikflaschen bestehen. Zusätzlich werden dem Harz Glasfasern beigemischt, um die Festigkeit zu erhöhen. Diese Art von verstärktem Material – glasfaserverstärkter Kunststoff oder umgangssprachlich Fiberglas genannt – wird häufig für Flugzeugflügel und Boote verwendet.

"Weil diese Materialien so haltbar sind, gibt es im Moment keine Technologie, die für ihr Recycling geeignet ist", sagt Alexander Ahrens, Postdoktorand an der Universität Aarhus in Dänemark und Hauptautor der neuen Studie. "Wir brauchen nachhaltige Energie, aber wir müssen auch den Abfall berücksichtigen und Lösungen dafür finden."

Es gibt zwar einige Methoden zum Abbau von Glasfasern, aber diese Verfahren machen in der Regel den Epoxid-Anteil unbrauchbar und beschädigen zudem oft die Glasfasern. Die Forscherinnen und Forscher in Aarhus wollten eine Methode entwickeln, die so schonend ist, dass die Hauptbestandteile wieder verwendet werden können.

Sie stießen auf eine Lösung, die auf die chemischen Bindungen abzielt, die den Kunststoff festhalten, und "sie wie Pac-Man auffrisst – sie frisst das Epoxidharz auf und gibt die Glasfasern frei", sagt Troels Skrydstrup, Chemieprofessor in Aarhus, der ebenfalls an der Studie beteiligt war.

Um die Epoxidmaterialien zu zersetzen, tauchten die Forschenden sie in ein Lösungsmittelgemisch und fügten einen Katalysator hinzu, der die chemische Reaktion beschleunigte. Sie erhitzten alles zwischen 16 Stunden und mehreren Tagen auf 160 Grad Celsius bis das Zielmaterial vollständig abgebaut war.

Nach den ersten Tests zerkleinerten die Forscher mit dieser Methode ein etwa 2,5 Zentimeter großes Stück eines Windradflügels. Nach sechs Tagen waren nahezu makellose Glasfasern (und ein stützendes Metallblech, das sich durch die meisten Turbinenblätter zieht) sowie weitere Inhaltsstoffe, die in neuen Materialien wiederverwendet werden können, das Ergebnis.

Das sei das erste Mal, dass Wissenschaftler einen glasfaserverstärkten Kunststoff aufbrechen konnten, um sowohl die Bausteine des Kunststoffs, als auch die darin enthaltenen Glasfasern wiederzugewinnen, ohne beide zu beschädigen, sagt Skrydstrup.

Nun sind Rotorblätter nicht nur einige Zentimeter, sondern bis zu hundert Meter lang. Es könnte deshalb schwierig sein, das Verfahren in großem Maßstab durchzuführen, um die Millionen Tonnen von Windturbinen, die in den nächsten Jahrzehnten aus dem Verkehr gezogen werden, zu recyclen. "Ich denke, es ist wichtig, dass wir einen Konzeptnachweis erbracht haben, der andere dazu inspirieren könnte, in diese Richtung zu gehen", sagt Skrydstrup.

Das sieht Julie Rorrer ähnlich, Professorin an der University of Washington, die sich mit chemischem Recycling beschäftigt. Der Ansatz sei aufregend, da die dänischen Forschenden gezeigt haben, dass das Verfahren mit echtem Abfall funktioniert. Im nächsten Schritt müsste man herausfinden, wie dies im industriellen Maßstab funktionieren könnte. Oder zu bestimmen, was angepasst werden müsste, damit der Prozess schnell und effizient genug wäre, um wirtschaftlich zu sein.

Ein mögliches Hindernis für den kommerziellen Betrieb ist, dass der Katalysator, der in der Recyclingmethode der Forscher verwendet wird, auf einem teuren Metall namens Ruthenium beruht. Die Forscher verbrauchten viel von diesem Metall, und obwohl es während der Reaktion nicht verbraucht wird, könnte es schwierig sein, es zurückzugewinnen und wieder zu verwenden.

Möglicherweise gibt es noch andere Methoden, die für das Recycling von Rotorblättern in der Industrie besser geeignet sind. Troels Skrydstrups Labor hat nämlich noch ein zweites Verfahren entwickelt, das ebenfalls Turbinenblätter abbaut und auf das der Windturbinenhersteller Vestas Anfang des Jahres hinwies.

Laut Skrydstrup handelt es sich dabei um einen zweiteiligen Prozess, der sich möglicherweise besser in kommerziellem Maßstab durchführen lässt. Noch gibt es dazu keine Details, da das Team derzeit daran arbeitet, die Ergebnisse bei wissenschaftlichen Fachzeitschriften einzureichen.

Wie Julie Rorrer sagt, gebe es derzeit einen regelrechten Boom bei der Erforschung von neuen Recyclingmöglichkeiten. Und das aus gutem Grund: "Es gibt wertvolle Dinge im Müll".

(jle)