Google Pixel Watch 3 erkennt Herzstillstand und alarmiert Rettung

Googles Smartwatches sollen im Notfall Leben retten, indem sie Sturz, Unfall und Pulsverlust erkennen. Nun werden Funktionen für deutsche Nutzer freigeschaltet.

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Grafik mit mehreren Blasen, die zeigen, was passiert, wenn die Smartwatch keinen Puls erkennt.

(Bild: Google)

Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Imke Stock
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Google hat nun auch für deutsche Nutzer Gesundheitssicherheitsfunktionen für seine Smartwatches und Smartpones freigeschaltet, diese werden seit dem 05. Dezember in Deutschland ausgerollt.

Die Autounfallerkennung gibt es auf Google-Pixel-Smartphones sowie für die Pixel Watch 2 und 3. Die Sturzerkennung wird laut Blog-Eintrag von allen Pixel-Watch-Generationen unterstützt. Für die Pixel Watch 3 gibt es darüber hinaus eine "Pulsverlust-Erkennung".

Es ist nicht neu, dass smarte Wearables oder Sensoren Stürze erkennen und Notfalldienste alarmieren können. Bisher konnte jedoch noch keine Smartwatch gleichzeitig den Puls beurteilen und das Ereignis eines Pulsverlustes feststellen, um dann als "technischer Zeuge" die Rettung zu alarmieren.

Ein Pulsverlust kann beispielsweise durch einen Herzstillstand ausgelöst werden, der Menschen jeden Alters treffen kann – dann zählt in der Notfallrettung jede Minute. Die Smartwatch kann den medizinischen Notfall erkennen und automatisch die Rettungsleitstelle alarmieren, wenn der betroffene Mensch dazu selbst nicht mehr in der Lage, bewusstlos oder hilflos ist und es keinen anderen Menschen gibt, der die Notlage erkennt und Hilfe leistet. Um die neue Funktion aktiv zu schalten, muss der Nutzer im Rahmen eines geführten Onboarding-Prozesses per Opt-in zustimmen.

Google hat für die Erkennung des Pulsverlustes und die Alarmierung des Rettungsdienstes ein mehrstufiges Verfahren entwickelt. Die Smartwatch überwacht fortwährend den Puls des Nutzers mit dem grünen Lichtfrequenzsensor für die Herzfrequenz. Wenn sie Anzeichen für eine Pulslosigkeit erkennt, werden weitere Infrarot- und Rotlichtsensoren (Photoplethysmography) aktiviert, um nach zusätzlichen Anzeichen eines Pulses zu suchen, während der Bewegungssensor nach Bewegungen des Nutzers sucht. Ein auf künstlicher Intelligenz basierender Algorithmus kombiniert die Informationen der Sensoren, um einen Pulsverlust, also den Herzstillstand, zu bestätigen und löst dann einen ersten Alarm in Form eines Sicherheitschecks aus. Dazu vibriert die Uhr und auf dem Display erscheint die Frage, ob es dem Nutzer gut geht. Gleichzeitig wird nach Bewegung gesucht. Wenn die Person nicht auf die Frage reagiert und keine Bewegung erkannt wird, wird die nächste Stufe aktiv. Es erscheint ein Countdown, die Uhr vibriert kontinuierlich und gibt auch einen akustischen Alarm ab.

Reagiert der Nutzer nicht, versucht die Smartwatch als LTE-Uhr oder das Smartphone, mit dem die Pixel Watch 3 verbunden ist, nach Ablauf des Countdowns selbstständig den Notruf abzusetzen und ruft dazu den Rettungsdienst an. Kommt eine Verbindung zustande, wird eine Sprachnachricht in der Sprache, die am festgestellten Standort des Nutzers vorherrscht, abgespielt. In der Nachricht wird der Rettungsleitstelle mitgeteilt, dass die Smartwatch einen Pulsverlust festgestellt hat und der Nutzer nicht reagiert, außerdem wird der Standort des Geräts in Form von X und Y-Koordinaten mitgeteilt. Wenn der Emergency Location Service (ELS) aktiv ist, kann Android im Hintergrund über Advanced Mobile Location im Notfall mehr Daten an die Leitstelle senden.

Während des Notrufs ist das Mikrofon des Geräts dauerhaft aktiviert, sowohl der Nutzer als auch Umstehende können mit der Rettungsleitstelle sprechen.

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Google will die Pixel Watch für die Nutzer zum "Hüter ihrer Gesundheit und Sicherheit" machen. Bei der Entwicklung der neuen Funktion arbeitete Google mit Kardiologen zusammen. Der Algorithmus wurde mit hunderttausenden Stunden realer Nutzerdaten, die aus einer vielfältigen Gruppe von Menschen stammen, getestet. Ziel war es, die Häufigkeit unbeabsichtigter Notrufe zu reduzieren. Bei der Einführung neuer automatischer Notruffunktionen kommt es manchmal öfter zu Fehlalarmen, wie Apples Unfallerkennung in Skigebieten oder bei Achterbahnfahrten zeigte.

Die Björn Steiger Stiftung mahnt an, dass durch die Sturzerkennung in Smartwatches ausgelöste falsche Notrufe wichtige Ressourcen der Rettungsdienste binden, die möglicherweise anderswo benötigt werden. Googles Smartwatch mit Pulsverlusterkennung wird von der Stiftung als erster konkreter Schritt zur Verbesserung der Alarmierung im Fall des unbeobachteten Herzstillstands begrüßt: „Dies könnte die Reaktionszeit erheblich verbessern und die Überlebenschancen erhöhen“.

Um zu bestätigen, dass das System in Notfallsituationen funktionieren kann, führte Google Tests mit Stunt-Darstellern durch. Ein künstlich hervorgerufener Pulsverlust wurde durch das Anlegen von Tourniquets ausgelöst, die Testpersonen simulierten anschließend Stürze, die bei einem plötzlichen Pulsverlust passieren können.

Google erklärt, dass die Funktion in einer klinischen Studie validiert worden sei. An der Studie nahmen demnach 135 Erwachsene unterschiedlicher Herkunft, Geschlechts und Alters teil. Die Ergebnisse hätten eine Sensitivität von 69,3 Prozent bei 135 Benutzern gezeigt. Das heißt, wenn 100 Personen einen Pulsverlust erleiden, erkennt das Gerät dies bei 31 Personen nicht. Die Spezifität sei anhand auswertbarer Daten von 131 Teilnehmern dieser Studie analysiert worden. Die Auswertung habe ergeben, dass es in über 7,75 Benutzerjahren nur einen falsch positiven Anruf gab, also einen Fall, in dem das Gerät meinte einen Pulsverlust erkannt zu haben, obwohl keiner vorlag.

Die neue Funktion unterliegt Zulassungsbeschränkungen bei den Regulierungsbehörden für Medizingeräte. Da hier automatisch Notrufe initiiert werden, müssen außerdem Absprachen mit den PSAP (Public Safety Answering Point - zentrale Notrufabfragestelle) in den jeweiligen Ländern getroffen werden.

Die "Loss of Pulse Detection" ist als Software gemäß der Medizinprodukteverordnung der EU in der European Database on Medical Devices (EUDAMED) gespeichert. Sie ist in der Klasse IIa eingestuft worden, die im Allgemeinen ein geringes bis mittleres Risiko aufweist.

Ab September 2024 hat Google begonnen, die Pulsverlust-Erkennung für die Google Pixel Watch 3 in "ausgewählten europäischen Ländern" verfügbar zu machen. Derzeit kann die Funktion in Deutschland, Österreich, der Schweiz, Belgien, Dänemark, Frankreich, Irland, Italien, den Niederlanden, Norwegen, Spanien, Schweden und im Vereinigten Königreich genutzt werden.

"Weitere Länder werden hinzugefügt, sobald die behördliche Genehmigung vorliegt" teilt Google mit. In den USA ist die "Loss of Pulse Detection" als Produkt bisher weder von der US-amerikanischen FDA zugelassen noch bewertet worden.

Ausführliche Informationen zu den Sicherheitsfunktionen in Notfallsituationen für die verschiedenen Generationen der Google Pixel Watch und zur Pulsverlust-Erkennung gibt es auf den Google-Hilfeseiten. Dort wird auch erklärt, wie sich die Funktionen deaktivieren lassen.

(mack)