Kanada führt Linksteuer ein, die niemand zahlen muss​

Google und Meta sollten in Kanada dafür zahlen, dass sie Leser auf Medienberichte hinweisen. Das Projekt ist ein Scherbenhaufen.​

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Das Wort "news" getippt auf einem Blatt Papier, das in einer Schreibmaschine eingespannt ist

(Bild: Laurel Bratcher/ Shutterstock.com)

Lesezeit: 6 Min.
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Kurz vor Weihnachten ist sie in Kraft getreten, die kanadische Linksteuer des Online News Act ("Bill C18"). Sie sollte etwa 30 Prozent der gesamten Kosten für die Erstellung von Nachrichteninhalten in Kanada finanzieren. Weit über 300 Millionen kanadische Dollar sollten jährlich hereinkommen, bezahlt von nur zwei Konzernen: Meta Platforms und Google. Andernfalls hätten sie in Kanada keine Hyperlinks zu in- und ausländischen Nachrichtenseiten mehr veröffentlichen dürfen. Tatsächlich wird niemand die Linksteuer zahlen. Das unbeholfene Regierungsprojekt schadet der Medienbranche mehr, als es nutzt.

Meta Platforms hat kurzerhand entschieden, auf seinen Diensten Facebook und Instagram (samt Threads) die sowieso geschäftsschädigenden Hyperlinks auf externe Nachrichtenwebseiten einfach zu blockieren. Auch vor der Umstellung gepostete Links sind in Kanada nicht mehr abrufbar. Denn die Linksteuer – in erst im Nachhinein bestimmter Höhe – wäre selbst dann fällig, wenn die verlinkten Nachrichten hinter Bezahlschranken stehen oder nur in einem Livestream zu sehen waren. Anstatt eine Rechnung in unbekannter Millionenhöhe zu riskieren und fremden Webseiten Traffic zuzuführen, hält Meta die User lieber steuerfrei auf den eigenen Seiten, wo es ihnen lukrative Werbung vorsetzen kann.

So erfüllt der Datenkonzern die Vorgaben des kanadischen Online News Act. Gleichzeitig hat Meta die freiwillige Unterstützung kanadischer Medien eingestellt. Bis 2023 hat der Konzern über Kooperationen und andere Projekte jährlich rund 20 Millionen Dollar an kanadische Nachrichtenmedien ausgeschüttet.

Auch Google arbeitete daran, in Kanada keine Links zu Nachrichteninhalten mehr anzubieten. Das hätte Nachrichtenseiten noch mehr Traffic gekostet. In letzter Minute gab es Kanadas Regierung Google bei der Linksteuer viel billiger, um den Schaden nicht ausufern zu lassen. Google hat eine Ausnahmegenehmigung von der Steuer erhalten; dafür zahlt das Unternehmen jährlich 100 Millionen Dollar zuzüglich Inflationsausgleich in einen Fonds ein. Das zeigt die Ausführungsverordnung zum Online News Act.

100 Millionen klingt ja so schlecht nicht, doch für die Nachrichtenverlage und Rundfunksender stellt sich die Rechnung anders dar. 20 Millionen Dollar von Meta sind weggefallen. Weitere 40-50 Millionen Dollar, die Google bereits bisher gezahlt hat, fallen entweder weg oder werden von den 100 Millionen Dollar abgezogen. Außerdem muss der Fonds seine eigenen Verwaltungskosten bestreiten; laut Regierungsverordnung sind fünf bis sechs Prozent des Gesamtbetrages angemessen, vielleicht auch ein bisschen mehr.

Damit bleiben als hinzukommende Finanzmittel für die gesamte Branche lediglich 25 bis vielleicht 30 Millionen Dollar. Davon wären noch abzuziehen der Wert des verlorenen Facebook- und Instagram-Traffics sowie der eingestellten nicht-monetären Unterstützungsprojekte Metas und Googles, beispielsweise gebührenfreie Schulungen oder Software. Für die sowieso darbende Branche ist das Ergebnis desaströs. Alleine Facebook hat ihr laut einer Untersuchung fünf bis acht Millionen Seitenaufrufe täglich beschert, die jetzt fehlen. Dem Volumen kanadischer Facebook-Posts hat das demnach nicht geschadet.

Um wenigstens ein bisschen etwas zu retten, hat die Regierung die Eckpfeiler ihres Projekts abgetragen. Die Höhe der Zahlungen und die Verteilung der Einnahmen sollten entweder durch direkte Verhandlungen zwischen Meta, Google und den Medienunternehmen, oder durch Entscheidungen der Regulierungsbehörde CRTC festgelegt werden. Die Regierung selbst wollte sich unbedingt heraushalten. Nun kommt es genau umgekehrt: Meta ist raus, Google muss mit niemandem verhandeln.

Und damit das Geld aus dem Schrumpffonds nicht komplett versickert, legt die Regierung auch gleich die Verteilung fest: Für Inhalte, die für gedruckte Medien erstellt werden, zahlt der Fonds nichts. Rundfunkveranstalter, die ursprünglich zwei Drittel hätten erhalten sollen, bekommen nur noch gut ein Drittel: 30 Prozent an die großen Telecom- und TV-Konzerne, sieben Prozent an die staatliche CBC/Radio-Canada.

Der Rest wird über Online-Medien aus dem In- oder Ausland verteilt, soweit sie für den kanadischen Markt lokale, regionale und nationale Nachrichten von Allgemeininteresse selbst erstellen. Nicht berücksichtigt werden Auslandsnachrichten, die damit weniger Raum erhalten dürften. Fachmedien, die sich auf bestimmte Themen wie Technik oder Sport konzentrieren, gehen ebenfalls leer aus. Einzige Ausnahme sind inländische Fachmedien, die Themen mit speziellem Belang für Kanadas Indigene beackern.

Als Verteilungsschlüssel wird die Zahl der mit der Erstellung einschlägiger Online-Inhalte befassten Vollzeitbeschäftigten herangezogen. Überraschenderweise müssen das keine Journalisten sein. Vielmehr zählen alle Mitarbeiter, die für die Produktion fix angestellt sind, ob sie nun Untertitel korrigieren, Bilder bearbeiten, Videos schneiden oder Nachrichtenwebseiten schöner machen. Das hat zur Folge, dass der Großteil des Kuchens an einige wenige große Medienkonzerne geht und kleine Lokalmedien mit wenigen Mitarbeitern kaum etwas bekommen.

Die Chuzpe: Die Geldempfänger dürfen mit 49,9 Prozent der Ausschüttungen machen, was sie wollen. Lediglich die Mehrheit des Geldes muss für die Erstellung lokaler, regionaler oder nationaler Inhalte ausgegeben werden (nicht aber für Auslandsnachrichten oder Auslandskorrespondenten).

Um den Schaden etwas abzufedern, erfüllt Kanadas Regierung den Wunsch der Medienlobby News Media Canada an den Weihnachtsmann: Subventionen für Gehälter angestellter Journalisten werden mehr als verdoppelt, rückwirkend für das Gesamtjahr 2023. Bis zu 30.000 Dollar pro Mitarbeiter und Jahr fließen aus der Steuerkasse an Print- und Onlinemedien von Allgemeininteresse. Nicht gefördert werden Rundfunkbetreiber und Fachmedien. Leer gehen auch kleine Lokalmedien aus, die zusätzlich zu den Eigentümern und Managern weniger als zwei Journalisten in Vollzeit beschäftigen.

Diese Gehältersubvention wird über fünf Jahre 129 Millionen Dollar kosten, schätzt die Regierung. Danach soll die maximal mögliche Förderung auf gut 21.000 Dollar pro Mitarbeiter und Jahr sinken, was dann jährlich 10 Millionen Dollar kosten würde. Es geht also nur um einige Hundert Journalistenstellen, nicht um Tausende.

Für freischaffende Journalisten sind die Bedingungen des von Google gespeisten Fonds sowie die höheren Subventionen eine doppelte Katastrophe. Denn ihre Arbeit ist für Medienunternehmen plötzlich viel weniger Wert. Erstens bringen ihre Berichte keine Ausschüttung aus dem Google-Fonds, zweitens gibt es Subventionen nur für Gehälter angestellter Journalisten, nicht für Honorare freischaffender Kollegen. Die absehbare Folge ist weniger Vielfalt in der Berichterstattung kanadischer Medien.

(ds)