Google protestiert gegen deutsche Pläne zur Vorratsdatenspeicherung
Der europäische Datenschutzbeauftragte des Suchmaschinen-Primus, Peter Fleischer, stößt sich vor allem an einer Auflage, wonach Anbieter von E-Mail-Konten künftig Kundendaten erheben und Nutzer identifizieren sollen.
Der Referentenentwurf aus dem Bundesjustizministerium zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung, mit dem auch die EU-Vorgaben zur Vorratsspeicherung von Telefon- und Internetdaten in deutsches Recht umgesetzt werden sollen, stößt international auf Widerstand. So hat sich nun der europäische Konzerndatenschutzbeauftragte von Google, Peter Fleischer, von Paris aus entschieden gegen das Gesetzesvorhaben ausgesprochen. Der Jurist stößt sich vor allem an einer Auflage, wonach auch Anbieter von E-Mail-Konten künftig Kundendaten erheben und Nutzer so eindeutig identifizieren sollen. "Das ist unglaublich schlecht für den Schutz der Privatsphäre", empörte sich Fleischer gegenüber der New York Times über den Vorstoß. Die Nutzer hätten sich insbesondere im Kampf gegen Spam an die Möglichkeit gewöhnt, eine anonyme E-Mail-Adresse zu haben.
Als besonders "ironisch" bezeichnete Fleischer angesichts der demnächst im Bundeskabinett zu besprechenden Pläne zugleich die Tatsache, dass "Deutschland eines der Länder in Europa ist, wo die Menschen am meisten über Datenschutz reden". Allgemein würde er das Land der Dichter und Denker aber beim tatsächlichen Schutz der Privatsphäre "an das hinterste Ende stellen". Zudem sei die Anforderung an die Anbieter "überhaupt nicht zu kontrollieren und würde niemals funktionieren." Es gehe viel zu weit, dass man voraussichtlich wohl gar einen Personalausweis für die Beantragung eines E-Mail-Postfachs vorlegen müsse. Zumal sich deutsche Surfer bei E-Mail-Providern etwa in den USA nach wie vor E-Mail-Adressen ohne Identitätsprüfung besorgen und weiterhin etwa Googles Gmail, Yahoos Webmail oder Microsofts Hotmail nutzen könnten.
Deutlich vorsichtiger nähert sich ein Sprecher der Branchenvereinigung Bitkom im Gespräch mit der US-Zeitung dem Umsetzungsvorhaben an: "Es gibt nicht viele Leute in Deutschland, die den Entwurf vollständig unterstützen", meint der Verbandsvertreter. "Aber es gibt andere, die ihm noch kritischer gegenüberstehen als wir." Ende Januar hatten 27 zivilgesellschaftliche Organisationen unter der Führung des Arbeitskreises Vorratsdatenspeicherung scharfen Protest gegen den Plan des Justizministeriums eingelegt, künftig "Daten über jede Nutzung von Telefon, Handy, E-Mail und Internet auf Vorrat" sammeln zu lassen. Es sei "inakzeptabel", dass ohne jeden Verdacht auf eine Straftat sensible Informationen über die sozialen Beziehungen, die Bewegungen und die individuelle Lebenssituation der über 80 Millionen Bundesbürger erfasst werden sollen. Damals hatte auch der Bitkom gegen "eine weitere Aushöhlung des grundrechtlich geschützten Fernmeldegeheimnisses" Stellung bezogen und wieder einmal auf die fehlende Regelung zur Kostenentschädigung der betroffenen Unternehmen für die Hilfssheriffsdienste hingewiesen.
Generell sollen Telekommunikationsanbieter mit dem Gesetzesentwurf verpflichtet werden, Verbindungs- und Standortdaten sechs Monate lang verdachtsunabhängig auf Vorrat vorzuhalten. Der Entwurf aus dem Justizministerium hält gemäß einem Beschluss des Bundestags daran fest, die Sicherheitsbehörden auch bei "mittels Telekommunikation begangener Straftaten" in den Datenbergen schürfen zu lassen. Die entsprechende EU-Richtlinie sieht einen Zugriff zunächst nur bei "schweren Straftaten" vor.
Zur Auseinandersetzung um die Vorratsspeicherung sämtlicher Verbindungs- und Standortdaten, die etwa beim Telefonieren im Fest- oder Mobilfunknetz und bei der Internet-Nutzung anfallen, siehe den Online-Artikel in "c't Hintergrund" (mit Linkliste zu den wichtigsten Artikeln aus der Berichterstattung auf heise online):
(Stefan Krempl) / (jk)