Google und Aktion Mensch haben Shops auf Barrierefreiheit getestet
Schuhe bestellen, ja, die Größe auswählen, nein: Nur ein Viertel der meistbesuchten Webshops in Deutschland ist zum Teil barrierefrei.
Barrierefreiheit lohnt sich auf mehreren Ebenen: Sie hilft Menschen teilzuhaben – Menschen mit Behinderung, oft aber auch jenen ohne. Sie wirkt sich zudem auf das Ranking aus, erklärt Google, weil barrierefreie Seiten automatisch bessere Webseiten sind. Dazu gehören etwa die leicht zu crawlenden Tabs und alternative Bildunterschriften. Leider sind viele Webseiten im Internet nicht barrierefrei. Google und Aktion Mensch haben gemeinsam mit BITV-Consult und der Stiftung Pfennigparade unter der Beratung der Überwachungsstelle des Bundes für Barrierefreiheit von Informationstechnik (BFIT-Bund) die größten Webshops in Deutschland auf deren Barrierefreiheit hin untersucht.
Die Untersuchung ergab: 61 von 78 Shops fielen sofort durch, weil sie nicht mit einer Tastatur bedienbar sind. Diese ist jedoch für Menschen mit Sehbeeinträchtigungen unabdingbar. Auch Menschen mit motorischen Einschränkungen sind auf die Tastatur angewiesen und können gegebenenfalls eine Maus nicht ausreichend bedienen. Dabei verlieren die Shops so potenzielle Kunden. Bis Mitte 2025 müssen Unternehmen ab zehn Beschäftigten ihre digitalen Angebote gesetzlich verpflichtend barrierefrei gestalten.
Zwölf Shops mit Kaufabschluss
Ausgangspunkt der Untersuchung waren die 500 meistgenutzten Webseiten in Deutschland, von diesen wurden die eCommerce-Seiten extrahiert. 78 Shops wurden daraufhin zunächst mit Google Lighthouse, einem Open-Source-Tool zur Qualitätsmessung, automatisiert untersucht. In einer zweiten Phase testeten dann Personen mit unterschiedlichen Beeinträchtigungen die Seiten. Die Probleme können schon beim Wegklicken eines Cookie-Banners beginnen. Aber auch, wenn eine Seite zunächst anstandslos zu nutzen ist, macht ein nicht barrierefreier Kaufbutton alles zunichte. Zwölf Mal kamen die Tester zum Abschluss.
Was für Menschen mit Behinderungen hilfreich ist, haben die Partner in einer Broschüre zusammengefasst. Unter den Best-Practice-Beispielen ist etwa der Nike-Shop. Wird der Textabstand auf der Seite vergrößert, ändert sich der Umbruch vom Text. Ist dies nicht richtig eingerichtet, fließt der Text aus dem Bildschirm. Pinch-to-Zoom sollte nicht unterbunden sein, es dient der besseren Lesbarkeit. Ist ein Zahlenfeld nicht als solches deklariert, macht ein Screenreader aus 1,99 Euro etwa 199 Euro, weil das Komma nicht erkannt wird.
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Christina Marx, Sprecherin von Aktion Mensch: "Wir möchten mit unserer Untersuchung Unternehmen dazu anregen, die noch bestehenden digitalen Barrieren zu beseitigen und so einen wichtigen Beitrag für eine inklusive Gesellschaft zu leisten." Eine einfache Faustformel laute: "Barrierefreiheit im Internet ist für zehn Prozent der Bevölkerung (Menschen mit anerkannter Schwerbehinderung) unerlässlich, für mindestens 30 Prozent (Menschen mit leichten Beeinträchtigungen) notwendig und für 100 Prozent hilfreich." Isabelle Joswig, Inklusionsbeauftragte bei Google, ergänzt: "Barrierefreiheit ist nicht nur hilfreich für Menschen mit Behinderung, sie ist ein wichtiges Qualitätsmerkmal einer Webseite." Google setzt sich aktiv für ein barrierefreies Web ein und ist dazu in einigen Normungs- und Beratungsgremien vertreten.
(emw)