GovTech: Baden-Württemberg hat ersten KI-Landesassistenten – F13 von Aleph Alpha

Baden-Württemberg hat als erstes Bundesland einen KI-Assistenten: F13 von Aleph Alpha. Was die neue KI-Verwaltungsassistenz kann, erfuhr das Publikum in Berlin.

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KI für die Verwaltung: Baden-Württemberg ("The Länd") stellte am GovTech Campus Berlin die mit Aleph Alpha entwickelte KI-Assistenz vor. V.l.n.r.: Johannes Ast, Dr. Jan Seifert, Hannah Reitter, Katja Gollasch, Dr. Florian Stegmann (Chef der Staatskanzlei)

(Bild: Florian Stegmann)

Lesezeit: 10 Min.
Von
  • Silke Hahn
Inhaltsverzeichnis

Baden-Württemberg hat als erstes der 16 deutschen Bundesländer eine eigene KI-Verwaltungsassistenz: Gemeinsam mit dem Heidelberger KI-Unternehmen Aleph Alpha und dem landeseigenen Innovationslabor (InnoLab_bw) ist seit 2022 ein KI-System entstanden, das das Verarbeiten und Erstellen typischer Schriftvorgänge in der Verwaltung stark beschleunigen und die Landesbediensteten bei der Arbeit entlasten soll. Für den Bund, weitere Länder und Kommunen dürfte eine solche KI-Verwaltungsassistenz von Interesse sein, wie bei der öffentlichen Präsentation und anschließenden Diskussion in Berlin in den Räumlichkeiten des GovTech Campus deutlich wurde.

F13 heißt das neue GovTech-System, und wie das Publikum am 16. Juni 2023 erfuhr, hat Baden-Württemberg damit offenbar einen Nerv getroffen. Zahlreiche Bedienstete des Landes ließen sich im Umgang mit dem Tool fortbilden, über 400 waren es allein beim ersten internen Workshop. F13 steht allen Landesbediensteten seit Mai zur Verfügung, und die Resonanz ist laut Dr. Florian Stegmann "überwältigend". Stegmann leitet das baden-württembergische Staatsministerium und hat KI dort zur Chefsache erklärt. Der Spitzenbeamte ist im Ländle auch für die Modernisierung der Verwaltung und für Bürokratieabbau verantwortlich.

Dr. Florian Stegmann, Chef der Staatskanzlei Baden-Württembergs, präsentiert das Projekt mit Aleph Alpha im GovTech Campus Berlin.

(Bild: Silke Hahn)

Die Hauptprobleme seien Mailflut, Fachkräftemangel und Mitarbeiterfluktuation, durch die stets auch das Wissen um interne Abläufe verloren gehe. Für Stegmann stand vor rund zwei Jahren fest: "So kann es nicht weitergehen!" Im Staatsministerium wollte man mit neuen Instrumenten in die Anwendung gehen und anders als in Deutschland oft üblich "nicht erst zu 150 Prozent genau vorplanen", sondern agil und inkrementell arbeiten – möglichst direkt loslegen.

Unter den rund 80 Teilnehmern vor Ort waren Vertreter verschiedener Bundesbehörden, etwa aus dem Justizministerium, dem Bundeskanzleramt, aber auch Vertreter anderer Bundesländer und aus dem benachbarten Ausland, so der ehemalige CIO der Republik Österreich Christian Rupp, der die dortige Bundesregierung in Digitalfragen berät. Neben SAP-Mitarbeitern waren auch Informatikprofessoren und Start-up-Gründer mit GovTech-Fokus vor Ort, die in der Diskussionsrunde Interesse an Alternativen zur API von OpenAI bekundeten.

Für Aleph Alpha als Partner habe man sich unter anderem wegen deren Auszeichnung mit dem KI-Champions-Award 2021 entschieden und für die Umsetzung wurde als Katalysator das InnoLab Baden-Württemberg unter der Leitung von Dr. Jan Seifert beauftragt. Etwa 50 Mitarbeiter der Landesverwaltung seien am Entstehungsprozess und der Bedürfnisklärung beteiligt gewesen, die Entwicklung lief nutzerzentriert entlang praktischer Anwendungsfälle, so Stegmann. Das Ziel war eine Verwaltungs-KI, die einfach anzuwenden, einfach zu bedienen und sofort einsatzbereit ist: F13 erfüllt offenbar diese Kriterien, wie Anwesende in der Praxisvorführung durch das InnoLab_bw erfuhren und an mehreren aufgestellten Rechnern selbst testen konnten.

Der aktuelle Stand ist ein Prototyp, der bei der Recherche von Themen und dem Erstellen von Texten hilft, dabei die Formularvorgaben der Landesverwaltung beachtet und auf interne Wissensdatenschätze zugreift. Der strenge Datenschutz bleibt gewahrt, die Verwaltungsdaten und -dokumente gehen nicht in den Datenpool von Aleph Alpha ein und bleiben intern in der Landesverwaltung. Die KI-Verwaltungsassistenz soll vertraulich und erklärbar arbeiten, F13 vermag etwa, Quellen für die genannten Auskünfte anzuführen.

Die KI nimmt den Menschen keine Entscheidungen ab, sondern unterstützt primär beim Auffinden von Informationen, beim Bewältigen großer Textdokumente und beim Erstellen wiederkehrender Routinetextsorten wie Kanzleivermerken. Alle derart erzeugten Texte und Textbausteine seien als Vorschläge zu verstehen, die die Bediensteten in der Verwaltung laut dem Staatskanzleichef sorgfältig prüfen und weiterbearbeiten.

Diskussionrunde: Stefanie Baade (KI-Verband Heilbronn) moderierte das Gespräch mit Dr. Florian Stegmann (Staatsministerium Baden-Württemberg), Hans-Jörg Schäuble (Aleph Alpha) und Dr. Markus Richter (CIO Bund)

(Bild: Silke Hahn)

Der Name F13 steht übrigens für die dreizehnte Funktionstaste, die es an Rechnern ja bekanntlich nicht gibt: Hier sollen Mitarbeiter buchstäblich mit einem Tastendruck Hilfe bekommen beim Textgenerieren. Technisch steht hinter der generativen Text-KI das KI-System Luminous von Aleph Alpha, und F13 ist ein Derivat des großen Sprachmodells, ähnlich wie es sich bei ChatGPT um einen Ableger von OpenAIs Modell GPT-4 handelt. Prinzipiell kann das große Sprachmodell mehr, als in der Präsentation an ersten Use Cases vorgeführt wurde. Die Landesverwaltung sammelt in der laufenden Testphase Vorschläge und Ideen zum Erweitern und Verbessern des Prototyps.

Datensicherheit habe seit Beginn der Konzeption des Systems einen hohen Stellenwert genossen, Vertrauliches bleibe im Staatsministerium, beteuerte Stegmann, der nach eigenem Bekunden selbst aktiv mit dem KI-Assistenten arbeitet. Ihm liegt es offenkundig am Herzen, dass möglichst alle, die für sein Bundesland arbeiten, sich mit der KI auseinandersetzen. Große Hoffnung setzt Stegmann in den Bund und in Landeskollegen, der Baden-Württemberger will ausdrücklich "eine Nachnutzung ermöglichen". Daran bekundete insbesondere der anwesende Bundes-CIO Dr. Markus Richter Interesse, und aus verschiedenen Bundesländern (etwa Hamburg und NRW) waren Landesbedienstete angereist, um sich das KI-System näher anzuschauen.

InnoLab_bw: Dr. Jan Seifert präsentierte gemeinsam mit Hannah Reitter und Johannes Ast Anwendungsfälle der KI-Assistenz F13.

(Bild: Silke Hahn)

"F13 schafft Freiräume für die eigentliche Arbeit wie die politische Bewertung von Projekten, weil es den Landesbediensteten zeitintensive Aufgaben abnimmt, die die KI schneller erledigen kann", erläuterte Stegmann bereits im Mai 2023 zum Auftakt des Testlaufs. Dass das Projekt gut funktioniert, davon ist er überzeugt. Eine Informatikerin fragte Stegmann in der Diskussion, wie er gedenke, alle Bediensteten bei der Transformation ins Boot zu holen, ob es nicht die Gefahr "der zwei Geschwindigkeiten" gebe.

"Wie nimmt man alle mit? Ich will ein Feedback haben. Wir sind auf die Rückmeldungen angewiesen, damit es besser wird", erläuterte der Staatskanzleichef. Er habe sich genau diese Frage selbst gestellt. Stegmann möchte, dass KI-generierte Texte als solche kenntlich gemacht werden, damit die Nutzung transparent sei. "Ich will nicht hier sitzen und von der Revolution in der Verwaltung Baden-Württembergs erzählen, während keiner es nutzt", sagte er abschließend.

Ein solches System zu bauen, sei nicht trivial, und die KI-Assistenz ließe sich leicht für andere Länder, den Bund oder weitere Use Cases anpassen, erklärten neben Stegmann auch weitere Referenten. Im gegenwärtigen Prototypen sind vier erste Grundfunktionen in der Testphase, um beim Bewältigen großer Text- und Datenmengen zu helfen:

  1. Zusammenfassung von Texten in Deutsch, Englisch, Spanisch, Italienisch und Französisch, die mit selbstgewählten Schlagworten durchsuchbar ist.
  2. Rechercheassistenz mit einem Frage-Antwort-System beim Beantworten spezifischer Fragen zur Politik und zu den Aktivitäten der Landesregierung. Als Quelle dienen hochgeladene Dokumente oder eine Wissensdatenbank aus offiziellen Dokumenten der Landesregierung. Die Ausgaben validiert die KI anhand der Quellen.
  3. KV-Vermerke: Die Landesministerien können Kabinettsvorlagen (KV) als Textdokument hochladen und in einen KV-Vermerk überführen, wobei F13 Sachstand und Inhalt in eine Vorlage überträgt und zur weiteren Bearbeitung vorbereitet.
  4. Fließtext erstellen im "Vermerkomat": Hochgeladene Dokumente lassen sich zusammenführen mit Notizen, Vermerken und Studien. Daraus vermag F13, umfassenden Fließtext zu erstellen. Gewünschte Textlänge, Fragestellung und Fokus können die Landesbediensteten dabei selbst einstellen. Auch der Vermerktyp des so erzeugten Outputs soll sich individuell anpassen lassen.

Wie schaffen wir es im Föderalismus, Nachnutzung zu ermöglichen, fragte der Bundes-CIO Markus Richter. Vier Leitgedanken stellte er in den Raum: Anpassen, nutzbar machen, Lizenzmodell und die Möglichkeit zum Skalieren. Eine Adaption würde er am liebsten gleich umsetzen, "auf jeden Fall noch in diesem Jahr", gab er in der Diskussionsrunde zu verstehen: "Ich werbe für Offenheit. Am Ende des Tages werden wir, werden Start-ups mit der öffentlichen Hand nur erfolgreich sein mit Offenheit und langem Atem." F13 sei ein anschauliches Beispiel dafür, und es gehe weniger um rechtliche Hürden als um faktisches Tun.

Mitarbeiter von InnoLab_bw, Aleph Alpha, Land Baden-Württemberg, GovTech Campus und KI-Verband: einige Protagonisten in einem Bild

(Bild: Silke Hahn)

Verwaltung gilt nicht als der einfachste Auftraggeber, gab Moderatorin Stefanie Baade vom KI-Verband zu bedenken. An den Prokuristen und Vice President von Aleph Alpha, Hans-Jörg Schäuble gewandt, fragte sie nach den Lernerfahrungen. Schäuble betonte das Positive. Das Projekt habe gezeigt, was man erreichen könne. F13 sei zunächst eine Übersetzungsaufgabe gewesen, um die Technologie für die täglichen Arbeiten in der Verwaltung nutzbar zu machen – in einer Form, die den Ansprüchen der Landesbediensteten, aber auch den rechtlichen Vorgaben genüge. "Wir zeigen hier die Gegenthese: Es geht und gelingt", freute sich Schäuble.

Dass KI generalisiert, sei "nichts Verwaltungsspezifisches". Die 50 Testnutzer aus der Verwaltung hätten definiert, was sie haben wollten. Bei dem Projekt standen sie als Nutzer im Fokus, und die zugrunde liegende Technologie lasse sich Schäuble zufolge für zahlreiche Anwendungsfälle nutzbar machen. Nachvollziehbarkeit und Referenzierbarkeit seien wichtige Fähigkeiten, die die KI-Anwendung von Aleph Alpha und dem InnoLab_bw verwaltungstauglich machten. In der aktuellen Testphase sammeln die Anbieter weiteres Feedback und nehmen auch Anfragen aus anderen Ländern zum Aufbau einer Verwaltungs-KI entgegen.

In der Abschlussdiskussion betonte der Bundes-CIO Dr. Markus Richter die möglichen Synergien des Projekts: "Wir sind sehr gespannt: KI und Verwaltungsmodernisierung muss noch stärker Chefsache werden." Das Rad müsse nicht auf Bundesebene neu erfunden werden. Ihm sei wichtig, dass Deutschland "einen Marktplatz der Möglichkeiten und Vernetzung schaffe." Positiv hob er hervor, dass beim Erstellen von F13 "die Nutzenden im Vordergrund stehen, dass wir uns durch die inhaltliche Arbeit positionieren und Möglichkeiten der Mitnutzung entstehen."

Weitere Informationen zur neuen KI-Verwaltungsassistenz F13 lassen sich einem Blogeintrag auf den Seiten des Staatsministeriums Baden-Württemberg entnehmen.

(sih)