Große Koalition in Hessen will Vorratsdatenspeicherung und Gesichtserkennung

Statt mit den Grünen will Hessens Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) mit der SPD regieren und ein Überwachungspaket mit Staatstrojanern und Palantir schnüren.

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(Bild: ImageFlow/Shutterstock.com)

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Die CDU in Hessen sieht nach zehnjähriger Koalition mit den Grünen großen Nachholbedarf an Überwachungsmaßnahmen. Der konservative Ministerpräsident Boris Rhein hat am Freitag zusammen mit dem neuen Wunschpartner SPD in Wiesbaden den Verhandlungsstart für eine "christlich-soziale Hessenkoalition der Verantwortung" angekündigt. In den Sondierungsgesprächen haben sich Christ- und Sozialdemokraten bereits auf Eckpunkte für einen Koalitionsvertrag geeinigt, die ein umfangreiches Überwachungspaket mit Rufen etwa nach einer erneuten Vorratsdatenspeicherung, Staatstrojanern für den Verfassungsschutz und einem verstärkten Einsatz von Big-Data-Software des umstrittenen US-Unternehmens Palantir enthalten. Das sind alles Punkte, bei denen sich die Grünen quergelegt hatten.

"Wir schaffen verbesserte Rahmenbedingungen für Videoüberwachung sowie ausreichend geschultes Personal", schreiben CDU und SPD in ihrer Grundsatzerklärung. Dabei gehe es etwa um eine vereinfachte Zulassung, eine Erweiterung der elektronischen Augen "um Akustik" – also eine Art öffentlichen großen Lauschangriff – , Mustererkennung und die "zielgerichtete Fahndung" mithilfe automatisierter Gesichtserkennung. Das EU-Parlament kämpft derweil in zähen Verhandlungen über die geplante Verordnung für Künstliche Intelligenz (KI) mit dem Ministerrat für ein Verbot solcher biometrischer Massenüberwachung im Bereich der Strafverfolgung.

"Die Fahndungsmöglichkeiten werden wir ausweiten und in besonderen Fällen und auf richterlichen Beschluss den Zugang zu audiovisuellen Systemen ermöglichen", heißt es in den Eckpunkten weiter. Eine Definition solcher Technologien liefert die potenzielle große Koalition nicht mit. Darunter könnten etwa Systeme zur Videoaufzeichnung und -konferenzen fallen, wie sie seit der Corona-Pandemie in Wirtschaft und Verwaltung verstärkt im Einsatz sind. Unklar bleibt auch, ob es sich um den Zugriff auf Programme im öffentlichen Dienst oder auch im privaten Umfeld handeln soll.

Schwarz-Rot in spe will zudem die Quellen-Telekommunikationsüberwachung (TKÜ) auch für das Landesamt für Verfassungsschutz einführen. Dabei wird die Kommunikation direkt auf einem Endgerät vor einer Ver- beziehungsweise nach einer Entschlüsselung in der Regel über Staatstrojaner und Hacking abgegriffen. "Im Bundesrat werden wir einen Gesetzesentwurf zur IP-Adressspeicherung einbringen", lautet eine weitere Ansage. Im Bund kämpft Innenministerin Nancy Faeser (SPD), die als Spitzenkandidatin in Hessen gescheitert ist, bereits für eine solche anlasslose Speicherung von IP-Adressen und Portnummern unter Verweis auf die Online-Verbreitung von Darstellungen sexuellen Kindesmissbrauchs. Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) ist dagegen für das Einfrieren von Verkehrsdaten im Verdachtsfall (Quick Freeze).

Generell planen CDU und SPD, die Nutzung von IP-, Maut- und Verkehrsüberwachungsdaten zu ermöglichen und einen verbesserten Informationsaustausch zwischen Sicherheitsbehörden und anderen Ämtern zu gewährleisten. Auch den Einsatz von KI zur automatisierten Auswertung großer Datenmengen und zur Erkennung von Hass und Hetze im Netz wollen sie zulassen. Das seit Jahren umkämpfte Projekt Hessendata, das auf der Palantir-Software "Gotham" basiert, soll breiter verwendet werden, "indem wir den Straftatenkatalog erweitern". Eingeführt wurde es als Anti-Terror-Software. 2019 brachte die SPD in der Opposition noch massive Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Beschaffung und am Funktionsumfang von Hessendata vor. Festschreiben will Schwarz-Rot ferner etwa, dass in Behörden, Schulen und im Rundfunk "auf das Gendern mit Sonderzeichen verzichtet wird".

(bme)