Hätten wir dich so vermisst? Der PC wird 25

Heute vor 25 Jahren stellte IBM in New York den ersten Personal Computer vor, den IBM PC 5150.

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Von
  • Detlef Borchers

Das Original, hier leider mit Fremd-Monitor und -Tastatur. Gelegentlich noch bei einem c't-Redakteur im Einsatz.

Heute vor 25 Jahren stellte IBM in New York den ersten Personal Computer vor, den IBM PC 5150. Eine Vorstellung, die bei Bastlern für Aufregung, bei Managern für Verwirrung sorgte. Der IBM-PC war von einem 12-köpfigen Ingenieursteam unter der Leitung von Philip Estridge in der Rekordzeit von 18 Monaten entwickelt worden. Bis auf den Diskettencontroller und das BIOS verwendeten die IBM-Ingenieure nur Standardbauteile aus den damals populären Electronic-Shops der Hobby-Bastler und schlachteten obendrein das Design des IBM System/23 Datamaster aus, den Philip Estridge zuvor konstruiert hatte.

Dieser 8-Bit-Computer auf der Basis des Intel 8085 war als Zweiplatz-System für Kleinbetriebe konzipiert, die Buchhaltung und Textverarbeitung brauchten. Was Kleinbetriebe wirklich kauften, fanden die Marktforscher von IBM schnell heraus: Billige Dinger von seltsamen Firmen wie Tandy, Commodore oder Apple, von denen die IBM-Manager nie etwas gehört hatten. Sie hatten eine Gemeinsamkeit: Auf ihnen lief Visicalc, und Visicalc war Business, wie es der spätere Lotus-Mitgründer Ben Rosen formulierte.

Nortons Systeminfo zeigt die wichtigsten Parameter des PC auf: Das BIOS stammt vom Oktober 1982.

In seinem Buch zur Geschichte der Software "From Airline Reservations to Sonic the Hedgehog" formuliert der Technik-Historiker Martin Campbell-Kelly die These, dass Software die Hardware konstruiert auf die Jahre 1979-1981 um: "Visicalc war das Software-Paket, das die Wahrnehmung des Personalcomputers radikal veränderte. Er wurde zur Büromaschine."

Und wofür stand das B in IBM? Estridge und sein Team hatten die Aufgabe, eine Maschine zu konstruieren, auf der Visicalc lief. Dabei orientierten sie sich weitgehend am Apple II. Heraus kam ein Rechner, der mit einer CGA-Karte (Color Graphics Adapter) an einem normalen Fernseher, mit einer MDA-Karte (Monochrome Display Adapter) an einem Computermonitor betrieben werden konnte, ein Mix aus Spielsystem und Geschäftsgerät. Entgegen landläufigen Vorstellungen war der IBM PC nicht billig. Das Basis-Gerät mit 48 KB RAM, einem 160 KB-Floppy-Laufwerk, PCDOS 1.0 und einem monochromen Monitor kostete 3.285 US-Dollar.

Der im März 83 vorgestellte Nachfolger mit "eXtended Technology" (Modell 5160, PC-XT) hatte keinen Kassettenport mehr, dafür drei zusätzliche Slots, ein wesentlich stärkeres Netzteil mit 135 statt 63 Watt sowie grundsätzlich ein Diskettenlaufwerk und eine Festplatte mit 10 oder 20 MByte. Für einen XT mit 256 KByte RAM, 20 MByte Festplatte, einem Diskettenlaufwerk, Monitor und Drucker waren zur Markteinführung in Deutschland im Herbst 1983 schlappe 34.500 DM zu zahlen. Doch im Vergleich zu dem ebenfalls 1981 erscheinenden Star-PC von Xerox war er günstig. Der kostete 17.000 Dollar und war mit einer grafischen Oberfläche seiner Zeit zu weit voraus.

Hätten die Ingenieure gewusst, dass sie mit den zusammengesammelten Bauteilen und einem zusammengestoppelten Betriebssystem einen Industriestandard (ISA) setzen, so wären sie beim Design wohl vorsichtiger gewesen. Aber bei IBM glaubte man, dass man vom PC in den ersten fünf Jahren genau 241.683 Geräte verkaufen würde, wie BIOS-Programmierer David Bradley im c't-Interview zum 20. Geburtstag des Rechners erzählte. Doch der erste PC wurde sechs Jahre lang verkauft und übertraf die Prognosen um mehr als das Zehnfache. Die offene Architektur mit simplen Bus-Steckkarten und Anwendungen wie Visicalc waren das Geheimnis seines Erfolges. Als IBM mit den PS/2-Rechnern, dem Microchannel-Bus und OS/2 eine grundlegend durchdachte Architektur ablieferte, hatte der Konzern nicht mehr den Einfluss, einen Industriestandard zu setzen: Die PC-Industrie hatte sich längst von Mother Blue emanzipiert.

"Wie schön, dass du geboren bist, wir hätten dich sonst so vermisst", heißt es in einem Kinderlied. Eine schöne Geburt war es nicht und niemand vermisste im Jahre 1981 einen PC. Mit seinem verkorksten Design traf der PC aber den Trend der Zeit. Außerdem hatte IBM das Glück des Tüchtigen: der härteste Konkurrent Apple konnte erst 1984 kontern.

Innenansicht eines aufgerĂĽsteten IBM-PC: MDA-Karte mit Parallelport, 256-Kilobyte-Speichererweiterung, Netzwerkkarte NE 1000, MFM-Controller und Floppy-Controller mit serieller Schnittstelle

"Damals waren erst einmal Rechner mit Textbildschirm gefragt. Grafik war nur für Rahmen nötig. Der Mac war zu früh. Erst als der Markt für reine Textrechner soweit gesättigt war, dass da kein grosses Wachstum mehr möglich war, kamen die graphischen Oberflächen wirklich in Schwung. Der PC war genau richtig. Er wäre auch gar kein echter Erfolg geworden, nur soweit wie der Name IBM trägt, hätte nicht Apple seinen Apple II, der den Markt beherschte, durch mangelnde Pflege sterben lassen. Erst als aus Cupertino nichts mehr kam und IBM mit dem 286er AT dann Fortschritt zeigte, sprang Taiwan auf den Zug auf und der Standard war da. Der PC war noch kein echter Erfolg, um einen Standard zu setzen", erklärt Hans Franke. Sein Verein zur Pflege historischer Rechner präsentiert zur Zeit im Herzen Münchens eine kleine Ausstellung zur Computergeschichte, in der Apple und IBM friedlich vereint sind.

Zum seinem 20 Geburtstag bekam der IBM-PC ein schönes Geburtstagsgeschenk: Er wurde erstmals in der c't-Redaktion auf Herz und Nieren getestet. Fünf Jahre später gibt es wenig zu feiern, denn IBM baut keine PC mehr. So bleibt zum guten Schluss der Verweis darauf, wie die anderen den nicht vermissten Rechner feiern. Unter dem schrägen Titel "Computer, Netze und Liberalismus" (leider nicht online) behauptet in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung der amerikanische Ökonomieprofessor Harold James, dass der PC ein mangelhaftes Gerät gewesen sei und seine Möglichkeiten erst mit der Vernetzung durch das Internet zum Tragen kamen. Silicon.de schlägt einen Bogen zum Legacy-Rock der Rolling Stones, ganz ohne Depeche Mode, deren "Just can't get Enough" den Sommer 1981 dominierte. Und Spiegel Online schafft das Kunststück, den Rechner als die Dose unseres Lebens zu verklären. In wenigen Geburtstagsartikeln fehlt der Hinweis auf Larry Ellison, der die Geburt des IBM-PC einstmals als "100-Milliarden-Dollar-Fehler" bezeichnete. Das war übrigens vor 10 Jahren, im September 1996, als Ellison den NC vorstellte, den Netzwerk-Computer, der den PC ablösen sollte.

Siehe dazu auch die Artikel zum zum 20. Geburtstag des IBM-PC vor fĂĽnf Jahren:

(Detlef Borchers) / (ll)