Handel: Weihnachtseinkäufe im Internet - Innenstädte leiden
Mehr Umsatz als im Vorjahr erwartet der Handelsverband im November und Dezember. Doch dahinter steckt für viele Händler keine frohe Botschaft.
Online-Boom und City-Frust: Am ersten Adventswochenende zeigt sich der Handel in Deutschland zwischen Umsatzplus und Existenzsorgen. Gerade in den Stadtzentren blicken viele Händler wegen der Folgen der Corona-Krise mit Sorge in die Zukunft. "Die Aussichten für das Weihnachtsgeschäft sind in diesem Corona-Jahr vor allem für viele innerstädtische Händler und dort insbesondere die Modehäuser beunruhigend schlecht", sagte der Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands HDE, Stefan Genth, am Sonntag. "Am Ende könnten ganze Stadtzentren verloren gehen."
Weniger Einkäufe in den Städten
Zwar erwartet der HDE für November und Dezember im Vergleich zum Vorjahreszeitraum ein Umsatzplus von 1,2 Prozent auf 104 Milliarden Euro. Dennoch: Einer Verbandsumfrage zufolge rechnet wegen der Verlängerung des Teil-Lockdowns in der Vorweihnachtszeit mehr als die Hälfte der Händler für den Dezember mit deutlich weniger Kunden und sinkenden Umsätzen. "Die Menschen kaufen auch in der Corona-Krise viele Weihnachtsgeschenke, sie kaufen sie aber öfter online als sonst", sagte Genth einer Mitteilung zufolge. So dürfte der Online-Handel seine Umsätze um rund ein Drittel steigern.
Bei den stationären Händlern in den Innenstädten geht hingegen die Angst um. Fast jeder zweite Befragte (45 Prozent) sieht seine unternehmerische Existenz wegen der Corona-Pandemie und den Gegenmaßnahmen bedroht, fast zwei Drittel (62 Prozent) blicken pessimistisch auf den weiteren Verlauf des Weihnachtsgeschäftes. Normalerweise machen viele Händler den Hauptteil ihrer Erlöse im November und Dezember. "Wenn diese Umsätze jetzt ausfallen, geraten viele Geschäfte in Schieflage", sagte Genth. Der Verband fordert einen Innenstadtfonds zur Stärkung der Stadtzentren sowie einen Digitalisierungsfonds, damit schuldlos in Not geratene Mittelständler in ihre Zukunft investieren können.
Weniger Besucher wegen geschlossener Gastronomie
Eine wichtige Rolle bei den sinkenden Besucherfrequenzen in der City spielen die Speiseangebote. "Es hat sich wieder gezeigt, dass die geschlossene Gastronomie sowie die abgesagten Weihnachtsmärkte spürbar fehlen", sagte eine Sprecherin des Handelsverbandes Nordrhein-Westfalen. Zudem gebe es ganz profane Probleme: So wüssten manche Kunden nicht, wo sie auf Toilette gehen sollen – da zum Beispiel alle Cafés zu haben.
In kleineren und mittleren Geschäften mit einer Verkaufsfläche von bis zu 800 Quadratmetern soll sich wie derzeit geltend höchstens eine Person pro 10 Quadratmetern Verkaufsfläche befinden. Für die Quadratmeter darüber hinaus, also etwa Kaufhäuser, sollen jeweils 20 Quadratmeter pro Kunde vorgeschrieben werden. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte den Beschluss von Bund und Ländern verteidigt, der Handelsverband hatte ihn kritisiert – und bekam nun Unterstützung aus der Politik.
So sagte Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos) am Samstag im ZDF: "Ich hätte es besser gefunden, bei den Regelungen zu bleiben, da ich den Eindruck habe, dass in den Geschäften der Abstand besser zu regeln ist als auf der Straße." NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) sagte am Sonntagmorgen im Deutschlandfunk mit Blick auf den Andrang am Rabatte-Tag Black Friday am Freitag, man müsse sich auf das "Einkaufsgeschehen" im Advent eben einstellen: "Den Einzelhandel in unseren Innenstädten ganz zu ruinieren, kann ja auch nicht das Ziel sein."
Weniger Bummeln
Wegen der Angst vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus hat sich das Shoppingverhalten geändert, viele Menschen bummeln nicht mehr durch die Innenstädte, sondern gehen gezielter einkaufen – oder bestellen in Netz. Die Wirtschaftsministerinnen und -minister der Bundesländer wollen bei einer Online-Konferenz an diesem Montag auch darüber sprechen, wie sich eine Verödung der Innenstädte vermeiden lässt.
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Auch der CDU-Wirtschaftsrat kritisierte die neuen Corona-Regeln. Diese seien "perfekt dazu geeignet, Warteschlangen vor Supermärkten oder Kaufhäusern zu erzeugen, die das Ansteckungspotenzial weiter beflügeln könnten", sagte Generalsekretär Wolfgang Steiger der "Rheinischen Post" (Montag). Zudem könnten Schlangen vor Supermärkten eine psychologische Wirkung haben und neue Hamsterkäufe auslösen. Die Regelung sei willkürlich, sagte Steiger. "Soll demnächst in allen Linienbussen passend zur Grundfläche auch nur noch jeweils ein Fahrgast befördert werden und in jedem Klassenzimmer nur noch zwei Schüler sitzen?"
Es gibt aber auch Lichtblicke für den Handel: So läuft das Geschäft mit Haushaltswaren, Heimwerkerbedarf, Einrichtungsgegenständen und Lebensmitteln nach HDE-Angaben "derzeit zufriedenstellend, teilweise auch sehr gut". In der Woche vor dem ersten Advent waren vor allem weihnachtliche Dekorationsartikel und Adventskalender gefragt.
(mho)