Herzrhythmusstörung: Smart-Watch-App erkennt frühzeitig Vorhofflimmern

Seite 2: "Meilenstein in der Erkennung von Herzrhythmusstörungen"

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Die Publikation wird auch hierzulande in Fachkreisen bereits diskutiert, da sie mitten in die Debatte über die gerade gesetzlich verbrieften Gesundheits-Apps auf Rezept und die Möglichkeiten einer besseren digitalen Versorgung fällt. Die thematisierte Anwendung zur Erkennung von Arrhythmien dürfte demnach vermutlich der vergleichsweise niedrigen Risikoklasse IIa zugeordnet werden, da ihre Diagnosefunktion nicht unmittelbar zur Gefahr für den Patienten führen könnte. Apps in dieser Kategorie könnten von den Krankenkassen erstattet werden, wenn sie auf Sicherheit, Funktionstauglichkeit, Qualität und Datenschutz geprüft wurden.

Für Christian Meyer, den kommissarischen Direktor der Klinik für Kardiologie am universitären Herz- und Gefäßzentrum Hamburg, stellt die Studie "einen wichtigen Meilenstein in der Erkennung von Herzrhythmusstörungen dar". Der pragmatische Ansatz und die hohe Teilnehmerzahl setzten "beeindruckende neue Standards". Der Praktiker kritisiert aber, dass just die "besondere Risikogruppe der über 65-Jährigen" vergleichbar wenig repräsentiert gewesen sei.

Ob die Technologie das Leben von Menschen verbessere oder verlängere, muss sich laut Meyer erst noch zeigen. Die Möglichkeiten, die durch diese Technologien entstehen, seien aber "bahnbrechend". Weitere Studien könnten aktuelle Diagnosestandards wie Langzeit-EKG und Tele-EKG maßgeblich erweitern. Dies sei gerade für Menschen mit selten auftretenden Rhythmusstörungen wichtig. Hier gelinge es mit herkömmlichen Methoden oft nicht, eine für die Behandlung bedeutsame EKG-Dokumentation zu erreichen.

Tobias Keber, Stuttgarter Professor für Medienrecht und -politik in der digitalen Gesellschaft, verweist darauf, dass angesichts der Zahlen zumindest "ein signifikanter Teil" der Freiwilligen "einen Warnhinweis bekommen hat, dem kein reales Krankheitsbild entspricht". Das liege daran, dass eine Herzrhythmusstörung ebenso erheblich wie harmlos sein könne. Für die Entscheidung, wann das eine oder das andere vorliegt, brauche man daher noch immer einen Kardiologen und keine Künstliche Intelligenz (KI). Trotzdem könne die App für die Vorsorge sehr hilfreich sein.

Im Unterschied zu anderen Beobachtern geht Keber davon aus, dass die Anwendung bei veränderten Vitalparametern wie einer Herzrhythmusstörung doch "zur unmittelbaren Gefahr" für Patienten werden könnte. Sie müsste daher in der Risikoklasse IIb geführt werden und wäre damit hierzulande nicht erstattungsfähig. Generell stelle sich die Frage, wie der vorgesehene Leistungsanspruch in dem Fall umgesetzt werden sollte: die App sei zwingend mit dem Erwerb von Hardware der Watch und dem iPhone verbunden, deren auch nur teilweise Erstattung der Gesetzgeber "sicher nicht beabsichtigt" habe. Ferner bleibe angesichts zahlreicher Datenabflüsse "die gegenwärtige Praxis der datenschutzrechtlichen Einwilligungen der Nutzer in dem hochsensiblen Bereich der Medizin-Apps problematisch". (axk)