Hessen: Privacy-Experte RoĂźnagel wird Landesdatenschutzbeauftragter

Der hessische Landtag hat Alexander Roßnagel zum Datenschutzbeauftragten gewählt. Der Jurist warnt vor der zunehmenden Aushöhlung der Privatsphäre der Bürger.

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(Bild: PopTika/Shutterstock.com)

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Mit Alexander Roßnagel soll von März an ein ausgewiesener Datenschutzfachmann der "Hüter des Grundrechtes auf informationelle Selbstbestimmung" in Hessen werden. So lautet die Tätigkeitsbeschreibung des hessischen Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit im Kern. Der Landtag in Wiesbaden wählte den Juristen am Donnerstag mit großer Mehrheit in seine neue Funktion. Neben den Regierungsfraktionen von CDU und Grünen stimmten auch die FDP, die Linke und die AfD für ihn.

Die SPD-Fraktion enthielt sich. Sie hatte im Vorfeld moniert, dass Schwarz-Grün den Nachfolger für den Amtsinhaber Michael Ronellenfitsch im Alleingang bestimmt und nur einen Kandidaten vorgeschlagen habe. Ronellenfitsch ist seit 17 Jahren in der Position des Landesdatenschutzbeauftragten und hält damit bundesweit einen Rekord.

Roßnagel lehrt aktuell als Professor für öffentliches Recht, Recht der Technik und des Umweltschutzes an der Universität Kassel. Er leitet dort schon seit Jahren die Projektgruppe verfassungsverträgliche Technikgestaltung (Provet) und ist Direktor des Wissenschaftlichen Zentrums für Informationstechnikgestaltung. Der 70-Jährige ist zudem Sprecher des Forschungsverbunds Forum Privatheit, den das Bundesforschungsministerium fördert.

"Die zunehmende Digitalisierung aller Lebensbereiche führt zu immer intensiveren Verarbeitungen personenbezogener Daten und damit zu Eingriffen in die informationelle Selbstbestimmung", kritisierte Roßnagel nach seiner Wahl. Zugleich werde es so schwerer, Risiken für Grundrechte zu erkennen und sich gegen Eingriffe in Grundrechte zu wehren. Während die datenverarbeitenden Stellen in Wirtschaft und beim Staat immer mehr über die Bürger wüssten, werde die Datenverarbeitung für diese immer intransparenter

In seiner neuen Rolle will der Experte daher mit seiner unabhängigen Behörde soweit wie möglich für Schutz und Machtausgleich sorgen. In einer technikgeprägten Welt gelinge dies am effektivsten, wenn der Datenschutz bereits in den informationstechnischen Systemen eingebaut sei, plädiert er für Privacy by Design. Was an Grundrechtseingriffen technisch gar nicht erst möglich sei, brauche nicht mehr verboten, verfolgt und sanktioniert zu werden.

Für wichtig hält es Roßnagel ferner, Transparenz über die Verarbeitung personenbezogener Daten herzustellen sowie Datenverarbeiter, Betroffene und die Öffentlichkeit über Risiken, Vorgaben, Garantien und Rechte aufzuklären und zu sensibilisieren. Mit seinen bisherigen Tätigkeiten will er eng verbunden und beim "Forum Privatheit" an Bord bleiben, eine enge Kooperation zwischen Forschung und Aufsichtsbehörden sei "wichtig und notwendig".

Die hiesige Debatte über die Privatsphäre prägt Roßnagel seit Jahrzehnten mit. 2001 legte er zusammen mit dem 2010 verstorbenen Dresdner Informatikprofessor Andreas Pfitzmann sowie dem früheren Berliner Beauftragten für Datenschutz und Akteneinsicht, Hansjürgen Garstka, ein in Fachkreisen vielbeachtetes Gutachten im Auftrag des Bundesinnenministeriums zur Reform des Bundesdatenschutzgesetzes vor. Datenschutz durch Technik und ein Recht auf anonymen Internetzugang waren schon damals Stichworte. Der damalige Innenminister Otto Schily (SPD) ließ das Werk aber rasch in der Schublade verschwinden.

Seitdem warb Roßnagel unter anderem für einen besseren Schutz vor Profiling und für einen einheitlichen Beschäftigtendatenschutz. Bei der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) machte er sich wiederholt für Korrekturen stark. Jüngst bezeichnete er die Corona-Warn-App als gute Möglichkeit, um die Gesundheit zu schützen und Freiheitsbeschränkungen zu lockern. Zugleich mahnte er, auch im Kampf gegen die Pandemie das Sammeln und Analysieren von Massendaten auf ein Minimum zu beschränken.

Der Grünen-Fraktionschef Mathias Wagner freute sich über die Wahl. Bei seiner Vorstellung sei erkennbar gewesen, dass Roßnagel "die vielschichtigen Aspekte des Themas nicht nur bearbeiten, sondern auch weiterentwickeln will". Er knüpfe "damit an die große Tradition an, die Hessen beim Thema Datenschutz hat". In dem Bundesland wurde vor 50 Jahren in einer weltweiten Premiere ein Datenschutzgesetz beschlossen. Auch der Datenschutzexperte der FDP-Fraktion, Jörg-Uwe Hahn, freute sich: "Wir wollen die Digitalisierung zum Nutzen der Menschen gestalten, nicht um sie zu überfordern, zu kontrollieren oder gar manipulieren. Hier ist ein scharfes juristisches Auge sehr wichtig."

(bme)