Hintergrund: Der lang ersehnte Sprung der Telekom über den großen Teich

Die Deutsche Telekom kauft die US-Mobilfunkgesellschaft Voicestream für rund 50,7 Milliarden US-Dollar - und prompt fällt der Kurs der T-Aktie.

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Von
  • Christian Rabanus

Was lange währt, wird endlich gut: Nach langem und zähem Ringen, nach Gerüchten über diese oder jene Übernahme, die kurz bevor stehe, dann aber doch nicht zustande kam, kann Ron Sommer, der Chef der Deutschen Telekom, endlich ein heiß ersehntes Faktum verkünden: Die Deutsche Telekom kauft eine US-amerikanische Telefongesellschaft, nämlich die im US-Bundesstaat Washington ansässige Mobilfunkgesellschaft Voicestream. Die Transaktion, die man erst im nächsten Jahr abschließen möchte, soll hauptsächlich in Form eines Aktientausches über die Bühne gehen: Jede Aktie von Voicestream kann gegen 3,2 T-Aktien plus einer Barkomponente von 30 US-Dollar getauscht werden. Allerdings haben die Aktionäre von Voicestream auch die Möglichkeit, ihre Anteile komplett gegen Bares zu tauschen. Bezogen auf den 259 Millionen Aktien von Voicestream und den Schlusskurs der T-Aktien am Freitag bei 55,27 Euro bedeutet dies ein Angebot von insgesamt 50,7 Milliarden US-Dollar. Die benötigten 828,8 Millionen T-Aktien wird die Telekom neu ausgeben, der Staatsanteil wird damit von derzeit 58,2 Prozent auf 45,7 Prozent fallen.

Voicestream ist mit Gründungsjahr 1994 eine noch junge Gesellschaft, die aber vor allem im letzten Jahr massiv expandierte: Im Februar 1999 kaufte sie in einem neun Milliarden US Dollar schweren Geschäft die US-Gesellschaft Omnipoint, im Mai 1999 dann für 5,6 Milliarden US-Dollar das Telekommunikationsunternehmen Aerial. Allerdings ist Omnipoint mittlerweile schon wieder an Xircom, eigentlich eher als Hersteller von Notebook-Zubehör und Netzwerk-Firma bekannt, verkauft. Mit 2,3 Millionen Kunden am Ende des ersten Quartal 2000 erwirtschaftete Voicestream in diesem Quartal rund 257 Millionen US-Dollar und machte dabei einen Verlust von rund 203 Millionen US-Dollar. Allerdings sind solche hohen Verluste in der Aufbauphase eines Mobilfunkunternehmens nichts besonderes.

Für die Deutsche Telekom ist Voicestream vor allem deshalb interessant, weil das Unternehmen über Mobilfunk-Lizenzen in 23 der 25 für Mobilfunkunternehmen wichtigsten US-amerikanischen Bundesstaaten verfügt. Insgesamt erreicht es damit rund 220 Millionen potenzielle Kunden. Ein weiterer Pluspunkt für Voicestream war die Tatsache, dass die Gesellschaft ein sonst in den USA eher unübliches GSM-Netz auf einer Frequenz von 1900 MHz betreibt. In Europa ist GSM derzeit Standard, wenn auch mit 900 und 1800 MHz. Mit dem neuen Partner in den USA kann die Telekom also die Reichweite ihres Netzes deutlich ausdehnen.

Trotz all dem aber ist der Preis, den die Telekom für ihren Stützpunkt in den USA jetzt zahlt, enorm hoch. Für jeden Voicestream-Kunden zahlt der rosa Riese rund 22.000 US-Dollar. Schon der Kauf der britischen Mobilfunkgesellschaft Orange durch France Telecom galt als teuer, die Deutsche Telekom zahlt nun das vier- bis fünffache für jeden neuen Kunden, den sie durch die Akquisition erhält.

Sommer verteidigte den Kaufpreis mit dem Hinweis darauf, dass es keine Möglichkeit gebe, sich mit einem "Schnäppchenpreis" an einem US-amerikanischen Telekommunikationsunternehmen zu beteiligen. In Analystenkreisen spricht man von einem "strategischen Preis, den die Telekom für ihre Internationalisierung bezahlen" müsse. Dafür haben aber die Anleger offensichtlich wenig Verständnis: Die T-Aktie verlor heute an der Frankfurter Börse über zehn Prozent ihres Wertes und rutschte damit unter die 50-Euro-Marke.

Doch nicht nur die Börse gibt dem Deal zunächst einmal gar keine guten Noten: Auch US-amerikanische Politiker haben schon ihre Widerstand gegen die Realisierung der Übernahme angekündigt. Hier hat aber die Deutsche Telekom die EU im Rücken: Aus Brüssel verlautete heute, dass man eine Blockade der Transaktion nicht kritiklos hinnehmen werde. Eine offizielle Beschwerde einer europäischen Institution gibt es aber noch nicht. (chr)