Hintergrund: Siemens will Aktionäre bei Laune halten

Aus zehn mach' sechs: Nach dem berühmten Zehn-Punkte-Programm will Siemens-Chef Heinrich von Pierer die Aktionäre jetzt mit sechs "Aktionsfeldern" bei Laune halten.

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Von
  • Birthe Blechschmidt
  • Axel Höpner
  • dpa

Aus zehn mach' sechs: Nach dem berühmten Zehn-Punkte-Programm will Siemens-Chef Heinrich von Pierer die Aktionäre jetzt mit sechs "Aktionsfeldern" bei Laune halten. Mit der Vorgabe ehrgeiziger Gewinnziele, der Überprüfung aller Aktivitäten auf ihre Profitabilität und der Ausrichtung auf das Internet und andere Hightech-Bereiche will Deutschlands größter Elektrokonzern seine Ertragskraft künftig Jahr für Jahr steigern. Die Börse reagierte auf die Ankündigungen aber nicht gerade euphorisch. "Das sind schöne Sachen, aber keine Bombe", sagte Theo Kitz, Analyst bei Merck Finck. Der Siemens-Kurs sank um zwischenzeitlich drei Prozent auf rund 138 Euro. Auch Infineon und Epcos wurden im schwachen Marktumfeld der Technologieaktien mit nach unten gezogen.

Vor zwei Jahren hatte Pierer in einer schwierigen Zeit mit dem Zehn-Punkte-Programm für Furore gesorgt. Damals stand der Konzernchef im Kreuzfeuer der Kritik, auf einer Hauptversammlung wurde Pierer der Rücktritt nahe gelegt. Erst mit der Verkündung des Programms gelang die Wende. Siemens trennte sich von verlustreichen oder stark zyklischen Aktivitäten und orientierte sich verstärkt an den Interessen der zunehmend ungeduldigen Kapitalmärkte.

Das Zehn-Punkte-Programm ist mittlerweile weitgehend abgearbeitet. "Im Moment macht es richtig Spaß bei Siemens", sagte der 59-jährige Pierer. Der Umbau bescherte dem Konzern im abgelaufenen Geschäftsjahr 1999/2000 (30. September) ein rasantes Gewinnplus von 80 Prozent auf den Rekordwert von 3,4 Milliarden Euro vor Sonderposten. Einschließlich der Erlöse aus den Börsengängen von Infineon und Epcos ergab es sogar einen Überschuss von fast acht Milliarden Euro, vor einigen Jahren für Siemens-Aktionäre eine kaum vorstellbare Summe. "Einschließlich des Sonderbonus schütten wir 2,4 Milliarden Euro an unsere Aktionäre aus, ein extrem stolzer Betrag", sagte Finanzvorstand Heinz-Joachim Neubürger.

Im laufenden Jahr wird sich das Gewinnwachstum basisbedingt abschwächen. "Nach den zwei Rekordjahren sind die Erwartungen an der Börse natürlich hoch", sagte Analyst Kitz. Pierer kündigte für das laufende Jahr ein zweistelliges Umsatzplus und ein deutlich überproportionales Gewinnwachstum an. 80 Prozent sind aber wohl nicht mehr drin. "Die Finanzmärkte mögen aber keine sinkenden Wachstumsraten", sagte Kitz.

Spektakuläre Nachrichten konnte Pierer auf der Bilanz-Pressekonferenz aber nicht verkünden. Eine Trennung von ertragsschwachen Bereichen wie Verkehrstechnik oder Energie wird es erst einmal nicht geben, nur der 49-Prozent-Anteil am Rüstungskonzern Mannesmann Demag Krauss-Maffei soll möglichst bald abgegeben werden. Die sechs verkündeten Aktionsfelder sind in der Radikalität mit dem Zehn-Punkte-Programm nicht zu vergleichen. "Auch die zehn Gebote in der Bibel gibt es nur einmal", meinte Pierer. Krönung des Konzernumbaus soll zunächst einmal der US-Börsengang im März 2001 sein. Mit dem Start an der größten Börse der Welt NYSE verschafft sich der Konzern eine attraktive Akquisitionswährung für Übernahmen. Gerade in den Hightech-Bereichen lassen sich Zukäufe kaum noch bar finanzieren, der Aktientausch ist die Regel.

Das US-Listing ist auch Auftakt einer Marketing-Offensive in den USA. Zwar verzeichnete Siemens im abgelaufenen Geschäftsjahr jenseits des Atlantiks erstmals mehr Aufträge als in Deutschland. Siemens-Handys sind in den USA aber noch unbekannt. Erst Mitte des neuen Jahres sollen die Mobilfunk-Geräte mit einer breiten Kampagne auch in den USA ähnliche Erfolge erzielen wie in Europa.

In den USA trifft Siemens auch direkt auf den großen Konkurrenten General Electric, bezogen auf die kontinuierliche Steigerung des Unternehmenswertes auch großes Vorbild. "Wir sind genauso gut wie GE, in vielen Bereichen besser", behauptete Pierer, der einst auf Vergleiche mit dem legendären GE-Lenker Jack Welch eher empfindlich reagierte. Inzwischen wird Siemens laut Pierer von General Electric ernst genommen: Mittlerweile räume der legendäre Jack Welch ein, dass er inzwischen gute Ideen auch von Siemens klaue. (Birthe Blechschmidt/Axel Höpner, dpa) / (jk)