Hoffen und Bangen im Online-Weihnachtsgeschäft

Das elektronische Einkaufen steckt immer noch in den Kinderschuhen. Schenkt man den Aussagen der Online-Shops Glauben, ist der Groschen bei den Verbrauchern aber schon gefallen.

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Von
  • Michael Friedrich
  • dpa

Süßer die Kassen nie klingeln: Für Buchhändler und Bekleidungshäuser, Parfümläden und Elektronikmärkte sind die Wochen vor dem Weihnachtsfest die entscheidende, weil umsatzstärkste Zeit des Jahres. Doch statt sich auf der Suche nach passenden Geschenken ins vorweihnachtliche Getümmel zu stürzen, ziehen es immer mehr Kunden vor, ihre Einkäufe vom heimischen PC aus zu erledigen oder im Internet virtuell zu bummeln. "Was die Zahl der Internet-Nutzer in diesem Bereich angeht, werden wir in diesem Jahr einige positive Überraschungen erleben", sagt Analyst Stefan Borscheid von der HypoVereinsbank.

Das elektronische Einkaufen steckt immer noch in den Kinderschuhen. Viele unerfahrene Menschen zögerten lange vor dem Schritt ins Internet und hätten Berührungsängste, sagt Borscheid. Die einen plage die Sorge, ihre Bestellung könnte nicht rechtzeitig zum Fest eintreffen. Andere misstrauten der im Internet weit verbreiteten Zahlung per Kreditkarte oder hätten schlicht keine. Allerdings wachse die Zahl der Computer stetig; und sei nach einem ersten Testkauf erst einmal "der Knoten geplatzt", mausere sich der elektronische Handel schnell zur beliebten Alternative. "Wenn man erst mal im Internet gekauft hat, wird man es immer wieder tun. Es ist einfach praktisch", lobt der Analyst die Vorzüge des bequemen Online-Shoppings.

Schenkt man den Aussagen vieler E-Commerce-Häuser Glauben, ist der Groschen bei den Verbrauchern schon gefallen. Bei der deutschen Tochtergesellschaft des amerikanischen Bücherriesen Amazon ist man wenige Tage vor dem Weihnachtsfest mit dem bisherigen Verlauf des Geschäftes "sehr zufrieden", betont eine Sprecherin. Täglich verließen etwa 60 000 Sendungen die zentrale Ausgabestelle im hessischen Bad Hersfeld, normalerweise sei es knapp die Hälfte. Auch beim Münchner Konkurrenten mediantis AG ist die Stimmung gut. Zusätzliche Leistungen wie Grußkarten-Dienste und die weihnachtsgerechte Verpackung der Geschenke fänden regen Zuspruch.

Für viele börsennotierte Online-Händler geht es in diesem Jahr um die Wurst. Sie stecken tief in den roten Zahlen. Erfüllen sich die oft optimistischen Prognosen nicht, droht der Absturz des Aktienkurses. mediantis beispielsweise korrigierte seine Umsatzerwartungen in diesem Jahr um fünf auf jetzt 40 Millionen Mark nach unten. Allein vom letzten Quartal mit dem Weihnachtsgeschäft verspricht sich die frühere buecher.de AG 15 Millionen Mark Umsatz, die Gewinnschwelle will das Unternehmen 2002 erreichen.

Der virtuelle Himmel hängt nicht nur voller Geigen. "Die Nutzung des Internet wird zwar zunehmen, aber einige Unternehmen werden wohl auf der Strecke bleiben", dämpft HypoVereinsbank-Analyst Borscheid die Euphorie. Viele Geschäftsmodelle seien sich einfach zu ähnlich, letztlich könnten nur die großen Anbieter überleben. Für Unternehmen der Old Economy biete sich so die Gelegenheit, kleine Firmen in Bedrängnis zu übernehmen. "So können die auf den fahrenden Zug aufspringen und haben quasi über Nacht einen eigenen Online- Auftritt."

Vor der nicht-virtuellen Konkurrenz hat der Berliner Online- Spielwarenhändler MyToys.de etwa keine Angst. "In Deutschland ist es kein reines Vergnügen, Spielzeug zu kaufen", sagt Geschäftsführer Oliver Beste. Dass die Internet-Seiten der Online-Händler zu bloßen Katalogen verkommen, der Kauf aber im Laden stattfinde, befürchtet Beste nicht. "Bei einigen Produkten fehlt so zwar der Anfass- und Kuschelfaktor, wir gehen aber von weiterem Wachstum aus." Im ersten Quartal nach dem Start im Oktober 1999 habe das Unternehmen rund 2,5 Millionen Mark Umsatz erwirtschaftet. "In diesem Jahr werden wir das sicher um das Dreifache übertreffen." (Michael Friedrich, dpa) / (jk)