"W-Commerce": Jetzt gilt's für die Online-Shops

Das Internet als Weihnachts-Einkaufsparadies propagieren die Online-Shops. Viele Beobachter sehen dieses Jahr als entscheidende Bewährungsprobe, bei der sich die Spreu vom Weizen trennen wird.

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Von
  • Angela Schiller
  • dpa

Kein Geschiebe und Gedränge, keine genervten Verkäufer und keine langen Schlangen an der Kasse: Im Internet kann die Suche nach Weihnachtsgeschenken bequem erledigt werden, versprechen die Online-Shops. Unter der Devise "Weihnachten ohne Stress" bieten viele Web-Läden ihren Kunden besondere Serviceleistungen. Wer noch keine Idee hat, womit er seinen Lieben am Heiligen Abend eine Freude machen soll, kann sich von virtuellen Geschenkefindern bei der Auswahl helfen lassen. Wer online seine Präsente bestellt, bekommt sie dann schön verpackt mit persönlichem Grußtext bei der angegebenen Adresse abgeliefert.

Und das hoffentlich noch rechtzeitig vor Weihnachten: In den letzten Jahren gab es immer wieder Klagen von Kunden, die ihre Ware gar nicht oder verspätet erhielten. In diesem Jahr sehen viele Beobachter wieder einmal die entscheidende Bewährungsprobe für die E-Commerce-Branche kommen. Viele Shops machen bis zu 50 Prozent des Jahresumsatzes im Vorweihnachtsgeschäft – wer in diesem Jahr nicht richtig spurt, hat, so die Ansicht, kaum noch eine Überlebenschance. Trennt sich also im Jahr 2000 die Spreu vom Weizen unter den Online-Shops?

Die großen Internet-Händlern jedenfalls meinen, der "W-(Weihnachts)Commerce" sei bei ihnen gut angelaufen. "Wir haben täglich steigende Order-Zahlen", berichtet der PR-Direktor von Amazon.de, Andre Schirmer. Derzeit würden 40.000 bis 50.000 Sendungen pro Tag verschickt, bis Weihnachten sollen es etwa doppelt so viele sein. Zum Vergleich: Der normale Tagesdurchschnitt liegt bei 20.000 bis 30.000. Auch der Web- Shop bol.de registriert einen deutlichen Anstieg der Bestellungen. "Das Geschäft ist sehr, sehr lebhaft", meint Pressereferent Jens Heinen, ohne Zahlen zu nennen. Viele Kunden entdeckten jetzt die Vorteile des E-Commerce. Auch bei buecher.de heißt es, das Geschäft laufe "deutlich besser" als im vergangenen Jahr.

Nach einer Umfrage des Hamburger Marktforschungsinstituts Fittkau & Maaß wollen 40 Prozent der deutschen Internet-User in diesem Jahr ihre Geschenke online kaufen. 60 Prozent wollen sich im Netz aber nur Anregungen holen. Zu dem gleichen Ergebnis kommt eine neue Studie von Jupiter Research. Demnach informieren sich viele Surfer im Web über das Angebot, kaufen aber anschließend in einem Geschäft ein. "Der klassische Handel wird die Früchte aus dem Online-Einkaufsbummel ernten", sind sich die Jupiter-Analysten sicher. Auch Fittkau & Maaß stellte fest, dass dem zunehmenden Enthusiasmus für das Online- Shopping in Deutschland weiterhin nur ein geringer Anteil tatsächlich aktiver Online-Einkäufer gegenübersteht. Der Einkauf am Computer sei vor allem etwas für erfahrene Nutzer des Internet.

Der deutsche Einzelhandel erwartet im Weihnachtshandel in diesem Jahr einen Mehrumsatz von 27 Milliarden Mark. Nach Schätzungen des Hauptverbandes des Deutschen Einzelhandels (HDE) wird der Internet-Handel nur ein halbes Prozent (135 Millionen Mark) dazu beitragen. "Der Kunde sucht auch das Einkaufserlebnis zu Weihnachten", meint der E-Commerce-Experte des HDE, Olaf Roik. Der Online-Handel könne zwar gerade im Weihnachtsgeschäft seine Stärken ausspielen, dennoch werde er seinen Marktanteil nicht stark erhöhen können, ist Roik überzeugt. Bislang beschränke sich der Handel im Internet auf einen kleinen Warenbereich. "Das sind die beliebten Geschenke wie Bücher, CDs und Software", erklärt der HDE-Experte.

Die Internet-Händler wissen, dass sie nur mit Extra-Leistungen neue Käufer gewinnen können und dafür viel Kraft in den Service und in die Logistik stecken müssen. "Es ist wichtig, über günstige Preise hinaus Anreize zu schaffen, die einen sich informierenden Besucher davon überzeugen, im Web auch tatsächlich zu kaufen", erklärt Jupiter-Analyst Nick Jones. So bieten einige Web-Shops ihren Kunden eine Niedrigpreisgarantie für ihre Produkte oder den Wegfall der Gebühren für das Surfen im Internet. Andere locken mit einem besonders schnellen Lieferservice, der sogar bei einer Bestellung an Heilig Abend das Präsent noch rechtzeitig zur Bescherung abliefert. Da der 24. Dezember auf einen Sonntag fällt, würden Spätentschlossene in der Regel sonst vor verschlossenen Geschäftstüren stehen. Da kann man für die Kunden nur hoffen, dass die Shops ihre Versprechungen dieses Jahr auch einhalten. (Angela Schiller, dpa) / (jk)