"Holz ist das neue Toilettenpapier" – Fünfjahreshoch beim Holzklau im Süden

In Baden-Württemberg schnellen die Zahlen für Holzdiebstähle hoch, da Menschen in der Energiekrise vermehrt auf Holzöfen setzen. Das schadet nicht nur Wäldern.

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(Bild: adamikarl/Shutterstock.com)

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Seit der Ukraine-Krieg sich auf die Energieversorgung auswirkt und die Preise für Gas, Öl und Strom teils stark gestiegen sind, versuchen einige Menschen mit anderen Energieträgern Kosten zu bremsen und sicher versorgt zu sein. Ein beliebtes Mittel hierfür: Holz und die Holzverbrennung zur Wärmeerzeugung.

Die dadurch gestiegene Nachfrage hat die Holzpreise steigen lassen, was allerorts auch zu mehr Holzdiebstählen führt. Wie stark dieses Problem sich ausgeprägt hat, zeigen nun aktuellen Zahlen aus Baden-Württemberg. Schaden nehmen hier nicht nur Waldbesitzer und das Ökosystem Wald, sondern auch die Luftreinheit in Wohngebieten ist durch vermehrte Holzverbrennung in Gefahr.

Der Sprecher des Landeskriminalamts Baden-Württemberg, David Fritsch, erklärt zur Zahl der Holzdiebstähle: "Von Januar bis September dieses Jahres liegen die Fallzahlen auf einem Fünfjahreshoch, und auch beim Schaden zeichnet sich ein Anstieg im Vergleich zu den Vorjahren ab". Im Vorjahr zählte die Behörde 479 Fälle mit einem Schaden von knapp 294.500 Euro. Im Jahr 2018 waren es 547 Fälle mit einem Schaden von rund 331.300 Euro.

Tobias Knupfer, Landesvizechef des Bundes deutscher Forstleute, kommentiert das Geschehen direkter: "Holz ist das neue Toilettenpapier". Die Kunden bunkerten das Holz momentan für ihre Öfen, weil sie Engpässe erwarten – und das nicht zu wenig. "Wenn die Leute sich früher für den Winter mit 20 bis 25 Festmetern eindeckten, ordern sie jetzt das Doppelte – aus Angst, bald leer auszugehen", so Knupfer. Andere bedienten sich im Wald für den Eigenbedarf oder zum lukrativen Wiederverkauf selbst. Folge in beiden Fällen: Die Preise steigen und weniger Brennholz ist verfügbar. Holzhändler "schießen wie Pilze aus dem Boden und versuchen, auch online, und teils mit gestohlener Ware, ihren Reibach zu machen." Ganze Wagenladungen würden mittels Motorsägen und Kränen gestohlen.

Ein Raummeter Holz kostete im vergangenen Jahr je nach Region noch zwischen 100 und 120 Euro, jetzt sind es schon 200 bis 240 Euro. Regionale Schwerpunkte waren 2021 die Polizeipräsidien Aalen (50 Fälle), Reutlingen (47) und Freiburg (42). "Das sind ländliche Gebiete mit viel Wald", erläutert LKA-Mann Fritsch. In städtischen Regionen wie Mannheim (15) und Stuttgart (5) kommt das Delikt deutlich seltener vor. Die Aufklärungsquote liegt seit Jahren bei rund 30 Prozent.

"Die Waldbesitzer können damit nicht zufrieden sein", sagt Ulrich Potell, Sprecher des Landeswaldverbandes. Allerdings sei der Wald mit rund 40 Prozent der Landesfläche riesig und damit nicht zu bewachen. Viele Geschädigte sähen wegen der geringen Aufklärungschancen von einer Anzeige ab. Waldbesitzer sollten Diebstähle jedoch in jedem Fall anzeigen, meint Potell. "Dadurch werden die Zahlen sichtbar und ein politisches Handeln sehr viel wahrscheinlicher." Je höher der Verarbeitungsgrad, desto diebstahlsgefährdeter ist das Holz.

Beliebt sind nach Angaben des Landeswaldverbandes schon gespaltene und gestapelte Hölzer von Laubbäumen mit hohem Brennwert. Waldbesitzer sollten Holz an abgelegenen Plätzen lagern, da auch Spazergänger mal auf dumme Ideen kommen könnten." Dabei sollte jedem Langfinger klar sein, dass das jetzt entwendete Holz ein, zwei Jahre trocknen muss, bis damit geheizt werden kann.

Holz verbrennt in handelsüblichen Holzöfen an sich schon wesentlich schmutziger als Öl und Gas in automatisch geregelten Kesseln. Bei der Verbrennung von Holz "entstehen neben Treibhausgasen auch gesundheitsgefährdende Luftschadstoffe wie Staub, organische Kohlenwasserstoffe wie Polyzyklisch Aromatische Kohlenwasserstoffe (PAKs), Stickoxide, Kohlenstoffmonoxid und Ruß", erklärt das Umweltbundesamt. Auch entstehe beim Verbrennen von Holz "neben gesundheitsgefährdenden Luftschadstoffen auch klimaschädliches Methan und Lachgas".

Besonders auch der ausgestoßene Feinstaub und Ultrafeinstaub wird als Gefährdung für die menschliche Gesundheit eingestuft: Er ist krebserregend und stehe "außerdem im Verdacht, Diabetes mellitus Typ 2 zu fördern und kann für Schwangere oder vorgeschädigte Personen eine besonders starke gesundheitliche Belastung darstellen." Nicht ordnungsgemäß getrocknetes Holz verschlimmert das Problem zusätzlich, denn nasses Holz setzt mehr Schadstoffe frei als getrocknetes.

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Frisch geschlagenes Holz enthält laut Umweltbundesamt "– je nach Jahreszeit und Holzart – zwischen 45 und 60 Prozent Wasser. Bei optimaler Trocknung sinkt dieser Wasseranteil auf 15 bis 20 Prozent."

Wenn Leute dennoch Äste vom Boden mitgehen lassen, sei auch das kein Kavaliersdelikt, betont Potell. "Niemand sollte sagen: Das Geäst liegt doch eh nur da, und keiner will es." Es habe eine wichtige ökologische Funktion. Äste unter sieben Zentimeter Durchmesser würden bewusst nicht "aufgeräumt". Der Wald brauche sie für seine Nährstoffversorgung.

Eine weitere Schwächung der Wälder durch zu starke Holzentnahmen wird auch als Gefahr in Sachen Klimawandel gesehen. Wälder gelten zwar als Kohlenstoffsenken, dies gilt allerdings nur für gesunde Wälder. Umweltbundesamt und Umweltschützer erklären deshalb mittlerweile deutlich, dass Holzverbrennung nur unter bestimmten Umständen und nur in begrenztem Maße als klimaneutral eingestuft werden kann – nämlich nur dann, wenn die Kohlenstoffschuld, die durch die Verbrennung eines Baumes entsteht, auch durch genügend Aufforstung wieder eingefangen wird. Wenn es nach Pierre Ibisch von der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde ginge, sollte die Förderung von Holzverbrennung deshalb sofort gestoppt werden.

Die behauptete Klimaneutralität gelte allenfalls über längere Zeiträume und unter der Bedingung, dass geerntete Bäume wirklich nachwüchsen. Selbst dann würden Plantagen mit neu gepflanzten Bäumen erst mit zeitlicher Verzögerung zur wirksamen Kohlenstoffsenke. In Zeiten der Klimakrise bräuchten wir aber "die sofortige Vermeidung von zusätzlichen Treibhausgasen", so Ibisch.

Potell vom Waldverband macht überdies noch darauf aufmerksam, dass der Forst entgegen weit verbreiteter Meinung auch nicht allen gehört. Ein gutes Drittel der Waldfläche in Baden-Württemberg verteilt sich laut Landeswaldverband auf mehr als 260.000 private Besitzer. Doch auch die Kommunen und das Land bewirtschaften den Forst und verkaufen die Erzeugnisse regulär. Das bei Dieben beliebte Holz von Laubbäumen gibt es vor allem im Gemeinde- und Staatswald.

Waldbesitzer setzen im Kampf gegen den Holzklau inzwischen auf Technik: die sogenannten Tracker. Das sind ins Holz eingebohrte oder in Stapel versteckte Ortungsgeräte, die bei Bewegung Alarm schlagen und dem Holzbesitzer ermöglichen, die Polizei mit den GPS-Daten sofort zum Tatort zu schicken. "Es ist ganz entscheidend, die Diebe auf frischer Tat zu ertappen, denn sobald Markierungen der Besitzer entfernt werden und die Diebe den Wald verlassen haben, ist das Holz nicht mehr zuzuordnen, ein Diebstahl nicht mehr nachzuweisen", erläutert Potell. Der Verbandsvertreter fordert härtere Sanktionen für Holzdiebe. "Das ist kein Randphänomen mehr."

(kbe)