ICANNs Mann in Europa

Die Internet-Verwaltung ICANN hat nun einen Vertreter in Europa, der sich vor allem um die Zusammenarbeit mit den Länder-Domain-Registries kümmern soll.

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Von
  • Monika Ermert

Seit vergangener Woche ist es sozusagen amtlich: Die Internet-Verwaltung Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN) leistet sich einen ersten Mitarbeiter in Europa. Von Salzburg aus wird Herbert Vitzthum die häufig des US-Zentrismus geziehene Organisation bei der weiteren Zusammenarbeit mit den nationalen Registrierstellen (country code Top Level Domains, ccTLDs) unterstützen.

Der 38-jährige Vitzthum ist eine kluge Wahl: Bis vor kurzem war er Chef des NIC.AT, der Registrierstelle für Länderdomains in Österreich, und außerdem Kassierer bei CENTR, dem Council of European National Top-Level Domain Registries. Die Auseinandersetzungen zwischen den Länderregistraren und der Organisation kennt Vitzthum daher nur zu gut. Noch immer fehlen Verträge zwischen den nationalen Registrierstellen und der vor gut zwei Jahren gegründeten Organisation. "Jede ccTLD möchte einen Vertrag mit ICANN. Wenn das geschafft ist, könnte ich ziemlich zufrieden sein", sagt Vitzthum zu seiner Aufgabe. Erst kürzlich hatten Vertreter asiatischer Länderregistrierstellen angekündigt, sich nicht weiter an der ICANN-Finanzierung zu beteiligen, solange die vertragliche Beziehung nicht geklärt ist.

Eine Pattsituation besteht auch hinsichtlich der Frage, ob nationale Regierungen ICANN gegenüber eine Neuorganisation, eine so genannte Redelegation, der jeweiligen Registrierstelle fordern können. Der Regierungsbeirat der ICANN verwies mehrfach darauf, dass die Regierungen dabei das öffentliche Interesse zu vertreten hätten. Die Manager der ccTLDs befürchten andererseits willkürliche oder politisch motivierte Redelegationen. Vitzthum sagt von sich, dass er zwei der drei Welten kenne, die in der Auseinandersetzung aufeinander prallen: die Welt der ccTLDs und die der Regierungen. "Nur ICANNs Seite kenne ich noch nicht", meint Vitzthum, der der ICANN selbst den Vorschlag für die jetzt neu eingerichtete Stelle gemacht hatte.

Viele NIC-Vertreter haben die Berufung von Vitzthum in den damit auf 15 Personen anwachsenden Mitarbeiterstab der ICANN begrüßt. Er habe, erklärte Vitzthum, eine Menge positiver Rückmeldungen bekommen. Streng genommen könne er seine ehemaligen Kollegen allerdings nicht vertreten, warnte er vor übertriebenen Erwartungen. Bei der Jahrestagung der ICANN hatten ccTLD-Vertreter eine bessere Vertretung der Interessen der Länderregistrierstellen innerhalb des ICANN-Vorstandes gefordert. Mit der Einstellung von Vitzthum kommt man der Forderung nach einem direkten Draht zwischen der ICANN und den Länderregistraren also entgegen, allerdings nicht auf Vorstandsebene. Angesichts mancher Klagen, dass im Grunde das hauptamtliche Büro der ICANN die Entscheidungen dominiere, ist das vielleicht keine schlechte Ausgangsposition.

Als inzwischen zweiter Europäer kann Vitzthum sich dabei auch einen Eindruck davon verschaffen, wie stark die Rolle der US-Regierung auf die Selbstregulierer in Marina del Rey ist. Am ersten Arbeitstag muss der Österreicher, der das NIC.AT nach dessen Umstrukturierung auf eigenen Wunsch verließ, voraussichtlich gleich bis nach Honolulu. Beim Treffen der ICANN-Fachgruppe der Länderregistrare (ccTLD-constituency) wird er zum ersten Mal ganz offiziell versuchen, die Kommunikation mit den Länderregistraren zu verbessern – vielleicht ganz unamerikanisch charmant mit "Servus, wie geht's"? (Monika Ermert) / (jk)