IT-Ausbildung: Zahl der Fachinformatik-Ausbildungsverträge steigt deutlich
Die Zahl neuer Ausbildungsverträge in Deutschland stagniert in diesem Jahr. Doch beim Ausbildungsberuf Fachinformatiker steigt sie erfreulicherweise stark an.
Das Bundesinstitut für Berufsbildung BIBB hat den Ausbildungsmarkt 2022 analysiert und die Erkenntnis daraus in zwei Worten zusammengefasst: wenig Dynamik. Das trifft im Vergleich zum Vorjahr zu. Denn die Zahl der neu abgeschlossenen dualen Ausbildungsverträge ist mit 475.100 in diesem Jahr gegenüber dem Vorjahr lediglich um 2.100 gestiegen, ein Plus von lediglich 0,4 Prozent.
Allerdings ist jeder Zuwachs in der Ausbildung in Zeiten von Fachkräftemangel ein positives Signal. Es waren weniger Abschlüsse zu erwarten, aber es sind insgesamt mehr geworden. Beim IT-Ausbildungsberuf Fachinformatiker gibt es sogar ein deutliches Plus von 10,5 Prozent, angesichts permanenter Klagen über einen Mangel an IT-Personal eine gute Nachricht. Ausbildung wirkt gegen den Fachkräftemangel, denn die Azubis von heute sind die Fachkräfte von morgen.
Erfolgreiche Entwicklung auf deutschem IT-Arbeitsmarkt
Der IT-Arbeitsmarkt in Deutschland hat sich erfolgreich entwickelt: In den letzten 20 Jahren stieg die Zahl der IT-Fachkräfte von 400.000 auf rund 1 Million. Die duale Ausbildung ist daran maßgeblich beteiligt. Ende der 1990er Jahre wurden vier duale IT-Ausbildungsberufe eingeführt. Inzwischen haben rund 300.000 Auszubildende einen Abschluss erworben und sind heute begehrtes Fachpersonal. Fachinformatiker ist der zahlenmäßig mit Abstand beliebteste IT-Ausbildungsberuf und gehört mittlerweile zu den Top-10-Berufen in der Rangliste der Ausbildungsberufe. Für das im August angelaufene Ausbildungsjahr sind es bundesweit 17.562 besetzte Ausbildungsplätze und damit 1.674 mehr als im letzten Ausbildungsjahr.
Mit Start des Ausbildungsjahres 2020 wurden die vier IT-Ausbildungsberufe modernisiert. Das war nach ĂĽber 20 Jahren auch notwendig. Zwei der Ausbildungsberufe wurden umbenannt in Kaufleute fĂĽr IT-System-Management und Kaufleute fĂĽr Digitalisierungsmanagement; der IT-System-Elektroniker hat seine Bezeichnung behalten. Mit "Daten- und Prozessanalyse" sowie "Digitale Vernetzung" sind zwei neue Fachrichtungen in der Ausbildung zum Fachinformatiker hinzugekommen.
Ausbildung aussichtsreiche Alternative zum Studium
Der international tätige IT-Dienstleister Materna aus Dortmund bildet jährlich zwischen 20 und 25 junge Menschen in einem der IT-Berufe aus, mit Schwerpunkt in der Fachinformatik. "In diesem Jahr haben sich 20 neue Azubis für eine Ausbildung bei uns entschieden", sagt Ausbildungsleiterin Kerstin Aigner. Materna zählt zu den größten Ausbildungsbetrieben für Fachinformatiker in der Region. "Wir sind bekannt, das hilft uns dabei, die Ausbildungsstellen zu besetzen." Neid muss man sich bekanntlich verdienen, Mitleid bekommt man geschenkt.
Der Aufwand, Azubis zu bekommen, steige jedoch an. "Um gute Azubis ringen alle Unternehmen und längst nicht alle Bewerber haben das Potential für diesen anspruchsvollen Beruf", sagt Aigner. Formal ist hierfür die Mittlere Reife vorausgesetzt. "Wir suchen überwiegend Studienzweifler." Das sind Abiturienten, die zwischen einem Informatik-Studium und einer Informatik-Ausbildung wanken. Ebenso gute Erfahrung hat Materna mit Kandidaten gemacht, die bereits fachliches Wissen mitbringen, etwa Studienabbrecher. Davon gibt es viele, denn der Schwund im Informatik-Studium liegt deutlich über der Hälfte. "Studienabbrecher bringen fachliches Wissen mit. Sie sind älter und daher reifer, so dass die Kolleginnen und Kollegen in den Fachabteilungen keine Erziehungsarbeit im Job leisten müssen, wenn sie nach dem Abschluss ihrer Ausbildung bei ihnen anfangen." Höheres Alter ist in dem Fall ein Vorteil.
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Karriere mit Führungsverantwortung möglich
Im ersten Ausbildungsjahr zum Fachinformatiker beträgt die Ausbildungsvergütung bei Materna rund 1.100 Euro, in den folgenden zwei Jahren jeweils 100 Euro mehr. Nach Abschluss ihrer Ausbildung bekommen Azubis je nach Vorbildung zwischen 36.000 und 42.000 Euro jährlich. "Wir reichen teilweise an das Niveau von Bachelor-Absolventen der Informatik, denn der fachliche Unterschied zu Fachinformatikern ist gering", sagt Aigner. Auch bei den Karrieremöglichkeiten sieht sie keinen Nachteil für die Praktiker im Vergleich zu den Akademikern. "Ich habe vor Jahren IT-Azubis eingestellt, die heute Führungsverantwortung haben." Karriere mit Lehre ist möglich.
Dieser Karriereweg wäre womöglich verbreiteter, wenn schon in der Schule richtig Informatik gelernt würde. In einigen Bundesländern gibt es bereits Informatik als Pflichtfach, in anderen wird es als Wahlmöglichkeit angeboten. Bildungsexperten der Kultusministerkonferenz haben nun die Einführung eines Pflichtfachs Informatik an allen Schulen in ganz Deutschland gefordert. Sie sprechen sich dafür aus, Informatik-Inhalte bereits ab der Grundschule verpflichtend im Sachunterricht zu vermitteln. In der Mittelstufe solle es dann ein Pflichtfach mit zwei Unterrichtstunden pro Woche sein. Für die Oberstufe haben die Fachleute ein Mindestziel formuliert: Im Fach Informatik sollen ebenso viele Schüler erreicht werden wie in Physik und Chemie.
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Der Branchenverband Bitkom begrüßt die Forderung der Bildungsexperten. "Ein Pflichtfach Informatik könnte zeigen, wie vielfältig die Aufgaben und Möglichkeiten in diesen Berufen sind, und so mit vorherrschenden Klischees aufräumen – etwa dem vom einsamen Nerd, der den ganzen Tag lang Code-Zeilen in den Computer hackt", sagt die Referentin für Bildungspolitik, Leah Schrimpf. Die aktuelle Entwicklung in der IT-Ausbildung bewertet der Verband positiv, jedoch steige der Bedarf an IT-Fachkräften in der Wirtschaft weiter an. "Deshalb dürfen wir von unserem Ziel, deutlich mehr Ausbildungsplätze in den IT-Ausbildungsberufen anzubieten, nicht abrücken", sagt Schrimpf.
(tiw)