IT-Großprojekt: Bürgerportal der Behörden soll bald testweise online gehen

Das Bundesinnenministerium rechnet mit Kosten von bis zu 500 Millionen Euro für ein Online-Bürgerportal, das den Gang zum Amt in vielen Fällen erübrigen soll. Eine Beta-Version könnte im August stehen.

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IT-Großprojekt: Bürgerportal der Behörden soll bald testweise online gehen
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Deutschland schneidet in Vergleichsstudien beim E-Government immer wieder schlecht ab, soll nun aber endlich aufholen. Im August werde eine erste Testversion für ein Bürgerportal freigeschaltet, über das zahlreiche Verwaltungsleistungen von Bund, Ländern und Kommunen online angeboten und einfacher zugänglich werden sollen, berichtet die Wirtschaftswoche. Der Gang zum Amt, um etwa einen Personalausweis zu verlängern oder ein Auto anzumelden, könnte damit vielfach endgültig obsolet werden.

Auf eine Anfrage von heise online zu dem Starttermin reagierte das Bundesinnenministerium anfangs nicht. Bürger und Unternehmen würden bald elektronische amtliche Angebote "direkt, einfach und sicher mit drei Klicks erreichen", versprach das von Thomas de Maizière (CDU) geführte Haus aber bereits im Dezember.

Einige hundert der etwa 5500 deutschen Verwaltungsverfahren dürften in den ersten Monaten und Jahren digitalisierbar sein, heißt es nun. Bis 2022 sollten so gut wie alle Dienste der Behörden über den Portalverbund ansteuerbar sein. Zuletzt hatten sowohl Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) als auch ihr SPD-Herausforderer Martin Schulz Druck gemacht in puncto Bürgerportal.

Ernst Bürger, stellvertretender Leiter der Abteilung Verwaltungsmodernisierung im Innenministerium, schätzt die Kosten für das IT-Großprojekt auf rund 400 Millionen bis 500 Millionen Euro. Diese müsse "partnerschaftlich finanziert" und zwischen allen Beteiligten von Bund und Ländern aufgeteilt werden, zitiert ihn der Behörden-Spiegel. Es gehe bei dem Bürgerportal um einen "Partnerschaftsverbund auf Augenhöhe", die Beteiligten strebten eine Art "Verwaltungs-Amazon" an. Dafür müssten zuvor die Behördenabläufe umfassend digitalisiert werden.

Die gesetzlichen Grundlagen für das Bürgerportal schuf der Bundestag jüngst. Er beschloss vor wenigen Wochen ein Paket, mit dem der Bund über einen neuen Artikel 91 c Absatz 5 Grundgesetz die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz erhält, um den Zugang zu Behördendiensten auszugestalten. Über individuelle Nutzerkonten soll es demnach möglich sein, sich an dem Plattformverbund anzumelden und mit dem für die jeweilige Verwaltungsdienstleistung notwendigen Sicherheitsniveau zu authentifizieren.

Verabschiedet hat das Parlament zudem einen Entwurf für ein Onlinezugangsverbesserungsgesetz (OZG). Demnach werden Bund und Länder einschließlich Städten und Gemeinden dazu verpflichtet, alle "rechtlich und tatsächlich geeigneten Verwaltungsleistungen" bis Ende 2022 auch online anzubieten und über das Portal zugänglich zu machen. Die Bundesregierung hatte zunächst 2020 als Frist vorgesehen. Details zur IT-Sicherheit des Online-Verbunds sollen in einer eigenen Rechtsordnung festgelegt und so für alle beteiligten Ämter verbindlich werden.

Der Bundesrat ließ die Initiativen Anfang Juni passieren. Der Bundestag hatte zuvor durchgesetzt, dass die Länderkammer kein direktes Mitspracherecht bei den Folgeverordnungen hat. Umstritten blieb bis zuletzt, ob das OZG auch die Kommunen betrifft, wie der frühere IT-Direktor im Innenministerium, Martin Schallbruch, anmerkt. Die Länder bezweifelten dies im Gegensatz zum Bund. Die praktische Umsetzung des Pakets sei daher fraglich. Vor allem sei es kaum vorstellbar, dass der Bund im Alleingang durch Verordnungen nicht nur die eigene IT ausgestalte, sondern auch die der Länder. Die zugesagte finanzielle Förderung für den Portalverbund werde allenfalls ein Hilfsmittel sein, um schneller Kompromisse zwischen beiden Seiten zu erreichen.

[Update 26.07.2017 – 11:15 Uhr] Ein Sprecher des Innenressorts bestätigte inzwischen gegenüber heise online, dass eine Beta-Version geplant sei. Diese beziehe sich aber nur auf das Verwaltungsportal des Bundes, noch nicht auf den Verbund mit den Ländern. Zudem stehe noch nicht fest, ob die Testvariante bereits für die Öffentlichkeit im Internet bereits vor der Bundestagswahl freigeschaltet werde. Die Bürgerämter würden nicht obsolet, da jeder Betroffene seine Anliegen auch weiter vor Ort erledigen könne. Es liege in der Verantwortung der Länder, die Kommunen einzubeziehen. Die veranschlagten Kosten von rund 500 Millionen Euro beziehen sich laut dem Ministerium auf das Gesamtvorhaben einschließlich der Verknüpfung aller Verwaltungsportale, der "zentralen Bereitstellung" von Basisdiensten, IT-Komponenten & interoperabler Nutzerkonten, Support sowie den Ausbau digitaler Online-Dienste. (anw)