Immer mehr Länder verbieten Smartphones an Schulen

Immer mehr EU-Staaten verbieten das Handy in der Schule. Zuletzt haben die Belgier das Smartphone aus dem Klassenzimmer verbannt. In Deutschland gilt Hausrecht.

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Jugendliche mit Smartphones

(Bild: Monkey Business Images/Shutterstock.com)

Lesezeit: 7 Min.
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Während es im europäischen Ausland an der Tagesordnung ist, dass Behörden die Smartphones aus Klassenzimmern verbannen, gibt es in Deutschland keine einheitlichen Regeln. Jüngst hat die Regierung südbelgischen Region Wallonien vereinbart, internetfähige Mobiltelefone in Schulen der Region und in Brüssel zu untersagen. Grundschulen müssen demnach bald ein vollständiges Verbot verhängen. Weiterführende Schulen wie Gymnasien werden ermutigt, Jugendlichen in den ersten drei Ausbildungsjahren die Nutzung entsprechender Geräte zu verbieten. "Unter Berücksichtigung der Auswirkungen von Bildschirmen auf Gesundheit, Konzentration und Einschüchterung wird die Regierung eine Politik der Wachsamkeit verfolgen", heißt es in der Koalitionsvereinbarung der Regierungspartner. Schülern soll es aber weiterhin erlaubt sein, im Rahmen des Unterrichts digitale Tools wie Tablets zu verwenden.

Deutschland ist noch nicht so weit. Bei einer Umfrage der DAK zur Mediennutzung in Kooperation mit dem Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) waren sich die teilnehmenden Experten uneins, ob Smartphones an Sekundarschulen generell verboten werden sollten. Für Grundschulen befürworteten die Experten jedoch ein Verbot. Zwar sieht auch die Unesco die Bildung an Schulen durch Smartphones gefährdet und setzt auf einen Bann. Doch scheitert eine einheitliche Vorgehensweise hierzulande am föderalen System beziehungsweise unterschiedlichen Meinungen der Kultusministerien der Länder. So möchte die CDU zumindest gegen private Handys an Grundschulen vorgehen. Vor allem Parteivizin Karin Prien, die Bildungsministerin in Schleswig-Holstein ist, hält den zunehmenden Medienkonsum jüngerer Kinder übers Smartphone für riskant. Das rot-grüne Niedersachsen etwa macht sich derweil gegen ein generelles Verbot stark. Der Lehrerverband ist zudem der Ansicht, dass sich so ein Schritt gar nicht durchsetzen ließe.

An den meisten deutschen Bildungseinrichtungen für Kinder und Jugendliche sei die private Nutzung von Smartphones sowieso seit Jahren schon in der Hausordnung untersagt, verweist der Physiklehrer Patrick Bronner auf die Praxis. Gängige Ausnahme: Die Lehrerkräfte erlaubten die Nutzung der Geräte explizit für den Unterricht nach dem umstrittenen BYOD-Konzept (Bring Your Own Device). Bronner selbst ist für "Tablet-Klassen": Gerade im Zeitalter von KI müsste ein solcher Kleinstcomputer neben analogen Schulbüchern zur Grundausstattung für einen zeitgemäßen Unterricht gehören. Je mehr schuleigene Tablets vorhanden seien, desto weniger Smartphones von Schülern mit damit verknüpften IT-Sicherheitsrisiken würden benötigt.

Die Belgier befinden sich mit ihrem Vorhaben in guter Gesellschaft. Das niederländische Bildungsministerium etwa gab Mitte 2023 bekannt, neben Smartphones auch Tablets und Smartwatches aus Klassenzimmern heraushalten zu wollen. Ausnahme: Die Geräte werden im Unterricht tatsächlich benötigt oder Schüler sind aus medizinischen Gründen oder wegen einer Behinderung auf ihr Mobiltelefon angewiesen. An weiterführenden Schulen gilt seit Anfang 2024 inzwischen ein entsprechendes Quasi-Verbot, berichtet das Deutsche Schulportal. Es handelt sich letztlich um eine "dringende Empfehlung", keine gesetzlich untermauerte Verpflichtung. Ab dem Schuljahr 2024/25 soll die Richtlinie auch für Grund- und Sonderschulen gelten. Die Bildungsstätten können selbst entscheiden, ob und wann der Einsatz von Smartphones im Unterricht sinnvoll ist. Über ein förmliches Verbot dürfte nach dem jüngst erfolgten Regierungswechsel neu debattiert werden.

In Frankreich störten Handy-Nutzer offenbar schon lange vor dem Siegeszug von ChatGPT, Gemini & Co. den Unterricht, denn an dortigen Schulen besteht seit 2010 ein Smartphone-Verbot. Anfangs war der Gebrauch von Mobiltelefonen nur im Klassenzimmer untersagt. 2018 verbot die französische Nationalversammlung sogar die Nutzung von Smartphones in den Pausen und bei schulischen Aktivitäten außerhalb der eigentlichen Bildungsstätte. Die Vorgaben gelten für Vorschulen (Écoles maternelles), Grundschulen und weiterführende Lehranstalten. Nur Gymnasien (Lycées) seien ausgenommen, schreibt das Schulportal. Kinder zwischen drei und 15 Jahren sollten sich auf diese Weise besser aufs Lernen konzentrieren können. Ziel des Gesetzgebers sei es ferner, den Nachwuchs vor Cybermobbing und vor jugendgefährdenden Inhalten zu schützen. Bei Verstößen dürfen Lehrer die Geräte vorübergehend konfiszieren.

Zu den Pionieren eines Handy-Verbots an Schulen gehört auch Italien, das ein solches bereits 2007 verhängte. Zehn Jahre später zog zwischenzeitlich ein liberaleres Regime ein, doch 2022 verbannte der neue Minister für Unterricht im Kabinett von Giorgia Meloni, Giuseppe Valditara (Lega Nord, Mobiltelefone erneut aus den Klassenzimmern. Wer ständig auf den Bildschirm schaue, erweise den Lehrern nicht genügend Respekt, argumentiert der Minister. Lehrer können Tablets, Laptops und Desktops jedoch zulassen, wenn sie damit pädagogische Zwecke verfolgen und den Einsatz beaufsichtigen.

Da entsprechende Leitlinien offenbar oft ignoriert wurden, hat Valditara vor wenigen Tagen eine Verordnung in Kraft gesetzt. Die Restriktionen für die Nutzung von Smartphones gälten für alle Altersstufen – von der Grund- über die Mittel- bis zur Oberschule, berichtet die FAZ. Künftig sollen die Auszubildenden ihre Hausaufgaben in einem Schülerkalender notieren, und zwar mit Stift und Papier. Die Rückkehr zur analogen Methode werde es Eltern erleichtern, den Lernfortschritt und den Unterrichtsstoff ihrer Kinder nachzuvollziehen, so die Hoffnung. Zudem baut Valditara darauf, dass mehr Ruhe in den Unterricht einkehren und sich die Schreibfertigkeit der Schüler verbessern werde. Zugleich hat der Minister ein Pilotprojekt für KI im Unterricht angekündigt. Nicht die Schüler sollen aber damit primär arbeiten, sondern die Lehrer, die dank der Technik einfacher und besser deren Leistungen bewerten könnten, ist die Hoffnung.

Das britische Bildungsministerium gab im Februar eine Richtlinie heraus, wonach Schulen im Vereinigten Königreich die Smartphone-Nutzung während des Unterrichts und in den Pausen untersagen sollten. Die Verwaltung kann demnach sogar vorschreiben, dass Schüler die Geräte beim Betreten des Geländes abgeben müssen und diese bis zum Nachhauseweg in Schließfächern verwahrt werden. Gewerkschaften kritisierten, dass der Leitfaden von den eigentlichen Problemen im Bildungswesen wie zu dünner Personaldecke und einer mangelhaften Versorgung von Kindern mit besonderem Förderbedarf ablenke.

Ex-Bildungsministerin Gillian Keegan (Tories) hob hervor, dass jede Schule selbst am besten wisse, wie die Handreichung umzusetzen sei. Es handle sich um keine gesetzliche Pflicht. Ob sich nach dem Regierungswechsel hin zu Labour daran etwas ändert, ist noch offen. Laut einer Lehrerumfrage setzten schon vorher 80 Prozent der britischen Schulen auf ein Handy-Verbot. Das teure englische Elite-Internat Eton College, auf dem etwa bereits die Prinzen William und Harry sowie George Orwell ihren Abschluss machten, schwenkte jüngst auf das Smartphone-Verbot ein. Ganz traut es sich aber nicht, die mobile Kommunikation aus seinen ehrwürdigen Räumen zu verbannen. So stellt die Ganztagsschule Heranwachsenden ein Nokia-Handy der alten Generation ohne Internetzugang zur Verfügung, mit dem sie lediglich telefonieren und SMS verschicken können. Unterrichtsstörungen sollen so minimiert werden.

Dänemark wird – zusammen mit den anderen skandinavischen Ländern – international als Pionier bei der Digitalisierung im Schulbereich anerkannt. Dennoch rät auch das dänische Bildungsministerium: Smartphones müssen im Klassenzimmer draußen bleiben. Viele Bildungsstätten bieten daher "Handy-Hotels" an, in denen die Schüler bis zur siebten Klasse die Geräte sicher verwahren können. In den höheren Klassen sind Smartphones in Pausen und Freistunden geduldet. Schulen sollen zudem etwa auch auf Laptops den Zugriff auf nicht unterrichtsrelevante Webseiten sperren. Mit ähnlichen Kompromissen experimentiert Portugal, wo oft feste Handy-freie Tage im Monat vereinbart werden. In Spanien haben nur einige der autonomen Regionen per Gesetz ein vollständiges Verbot verhängt.

(nie)