Impfstoffproduktion: Streit um Aussetzen von Patenten und "Zwangslizenzen"

Seite 2: "Zwangslizenzen nicht zielführend"

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Angesichts der laufend angekündigten neuen Kooperationsverträge und ausgeweiteten Lieferkapazitäten bestehe "schlicht kein Bedarf für Zwangslizenzen", unterstrich Dr. Siegfried Throm, Vorsitzender des Verbands forschender Arzneimittelhersteller (vfa) am 24. Februar in der Anhörung vor dem Gesundheitsausschuss des Bundestags. Ohne Patentschutz gebe es keine Pharmaindustrie samt Forschung, lautet das Mantra des Verbands. "Zwangslizenzen" oder auch nur das zeitweilige Überlassen von Patenten an einen Pool der Weltgesundheitsorganisation (WHO) würde das Durchhaltevermögen von Gründern wie bei BionTech oder CureVac bestrafen. Um die einzelnen Impfstoffe und ihre Plattformtechnologien wie mRNA spannt sich ein "Patentdickicht", das dem Verband Bio zufolge "Zwangslizenzen wenig vielversprechend" mache.

Kostenaufstellung: Ausgaben der verschiedenen Länder für Imfpstoffe gegen Covid-19 in Millionen Euro. Aufstellung von von Prof. Sueri Moon, Co-Direktorin des Global Health Centre in Genf.

(Bild: Global Health Centre (GHC))

Zwei Reagenzgläser, ein Bunsenbrenner auf dem Tisch und das Patent an der Wand reichten eben nicht für die Aufnahme der komplexen Impfstoffproduktion, äußert Georg Kippels, CDU-Mitglied im Unterausschuss Globale Gesundheit, in der Plenardebatte im Bundestag am vergangenen Donnerstag. Mehrere Fraktionen hatten Anträge eingebracht zur Sicherung der globalen Gesundheit in Pandemiezeiten auch mit Blick auf künftige Pandemien.

Für Grüne und Linke dürften dabei auch die zwangsweise Aussetzung von Lizenzen, vor allem aber eine klare Zweckbindung künftiger staatlicher Mittel kein Tabu sein. Auf die vom Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Dr. Gerd Müller empfohlene Freiwilligkeit dürfe man sich nicht mehr verlassen, warnten Achim Kessler (Die Linke), Ottmar von Holtz (Grüne) und die SPD-Abgeordnete Heike Baehrens. Es reiche nicht mehr aus, nur auf den guten Willen der Industrie zu setzen, so Baehrens.

Nach Ansicht von Hilfsorganisationen wie Ärzte ohne Grenzen oder Medico International bleibt trotz aller Versprechen der Industrie die Tatsache, dass der Impfstoff knapp sei – nicht nur in europäischen Ländern, noch kanpper in Entwicklungsländern. Andreas Wulf von Medico Deutschland warnte in der Anhörung im Gesundheitsausschuss vor enormen wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Pandemie in den ärmsten Ländern, die nach der Logik Arzneimittelherstellerverbands vfa nur einfach etwas länger warten müssten. Die Folgen fehlender Impfkampagnen seien jedoch Nahrungsmittelknappheit und der Zusammenbruch von Gesundheitssystemen.

Dass Impfstofffirmen auf Anfrage angeblich bislang stets zu Lizenzvereinbarungen bereit gewesen wären, sei durchaus fraglich, wie der Berliner Jurist Dr. Axel Metzger, Professor an der Humboldt-Universität, bei der Anhörung zu bedenken gab. So sei es der kanadischen Regierung zunächst nicht gelungen, frühzeitig eine von einem der Hersteller ermöglichte Lizenzproduktion im eigenen Land aufzubauen.

Inzwischen habe Kanada laut Aussagen kanadischer Vertreter der Welthandelsorganisation WTO den Hersteller Novavax für eine Lizenzproduktion gewinnen können. Doch das Mittel stecke noch in der Zulassungsphase und die Weigerung anderer Unternehmen koste Kanada in der Pandemiebekämpfung mehrere Monate. Geistiges Eigentum sei nicht das Problem gewesen, versicherten die kanadischen WTO-Vertreter, sondern dass die anderen Pharmaunternehmen die Kosten in Kanada als zu hoch und die Produktion vor Ort als wirtschaftlich unrentabel betrachtet hätten.

(sih)