In Zahlen: Von digitaler Souveränität bei deutschen Unternehmen keine Spur

Deutsche Unternehmen sorgen sich um ihre technologische Abhängigkeit. Die EU-Kommission legt währenddessen Vorschläge zur besseren Wirtschaftssicherheit vor.

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(Bild: mixmagic/Shutterstock.com)

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Deutsche Unternehmen sind laut einer Umfrage des Bitkom um ihre Position in internationalen Handelsbeziehungen besorgt. Angesichts gestiegener geopolitischer Spannungen äußern sie die Befürchtung, bei digitalen Technologien zu stark vom Ausland abhängig zu sein. 75 Prozent der mehr als 600 befragten Unternehmen sehen Deutschland bei Halbleitern abhängig, 74 Prozent sagen dies über Künstliche Intelligenz (KI).

Auch im Bereich Quantencomputing schätzen 60 Prozent der Unternehmen Deutschland als abhängig vom Ausland ein. Kooperationsverbote und Sanktionen sind damit Werkzeuge der EU, die ihren Mitgliedsstaaten schnell ins eigene Fleisch schneiden können – zurzeit bewerten 71 Prozent der deutschen Unternehmen ein Kooperationsverbot mit ausländischen Unternehmen als geschäftskritisch.

Bitkom-Präsident Ralf Wintergerst ruft angesichts des Ergebnisses nach der Politik: "Die EU muss ihre digitale Souveränität massiv steigern und mehr eigene Fähigkeiten bei Schlüsseltechnologien aufbauen. Die größte Herausforderung ist, die nötige Innovationskraft und das nötige Innovationstempo in dem sehr eng gesteckten europäischen Regulierungsrahmen aufzubringen. Exportbeschränkungen, wie sie derzeit von der Politik diskutiert werden, sind ein Risiko für die Unternehmen."

Der Bund selbst nimmt sich der schon lange schwelenden Sorge zwar an – für 15 Millionen Euro soll beispielsweise ein Zentrum für digitale Souveränität in der öffentlichen Verwaltung (ZenDiS) eingerichtet werden. In der Vergangenheit setzte man aber oft auch selbst auf Kooperationen mit amerikanischen Softwareunternehmen. In deutschen Unternehmensstrukturen sind die Serivces internationaler Hyperscaler ebenfalls fest verankert. Sollte es zwischen der USA und der EU also anfangen zu knirschen, könnten sich die Befürchtungen der befragten Unternehmen bestätigen.

Unter diesen Gesichtspunkten begrüßt der Bitkom, dass die EU-Kommission am Mittwoch neue Vorschläge zur Wirtschaftssicherheit des Länderverbands vorgelegt hat. Das Augenmerk liegt dabei auf dem Schutz vor Übernahmen durch Drittstaaten. Die Strategie sieht ein Überwachungssystem für Unternehmensübernahmen aus dem Nicht-EU-Ausland vor – was die meisten Mitgliedsstaaten jedoch bereits einrichten oder eingerichtet haben.

Fünf Staaten, darunter Ungarn, Griechenland und Zypern, machen aber bisher noch keine Anstalten, dieses Überwachungssystem zu implementieren. Sie würden damit Einfallstore für etwaige Übernahmen bleiben. Der Überwachungsmechanismus berücksichtigte bisher auch noch keine Übernahmen durch EU-Unternehmen, die eigentlich ausländischen Investoren gehören. So konnte etwa ein chinesischer Mehrheitsinvestor erst eine EU-Beteiligungsgesellschaft gründen und sich von dieser aus dann EU-Unternehmen einverleiben – ohne das entsprechende Screening zu durchlaufen. Diese Lücke soll in Zukunft geschlossen werden.

Das Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW Köln) bemängelt die nachgebesserte Strategie allerdings als zu schwach: Sie könne von Mitgliedsstaaten ausgebremst werden und bliebe damit hinter ihrem Anspruch zurück. Es wäre immer noch möglich, dass sensible Technologien in die Hände konkurrierender Staaten fallen könnten, da Universitäten, die mit anderen Institutionen im Ausland zusammenarbeiten, kaum kontrolliert werden. Namentlich nennt das IW Köln China als die Nation, bei der ein solcher Forschungsabfluss kritisch wäre. Dabei geht es zu großen Teilen um Technologie, die militärisch verwendet werden könnte. Es bliebe jedoch schwierig, die Grenze zwischen militärisch relevanter Forschung und internationaler wissenschaftlicher Kooperation zu ziehen.

(kki)