Intels Mobil-CPU Lunar Lake: Sonderlocke mit vielen Neuerungen

Seite 2: Wenn nur die TDP nicht wäre

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Konzeptionell hat Intel damit vieles richtig gemacht, wenn man ein energieeffizientes System-on-Chip bauen möchte, welches dünne Notebooks mit langer Akkulaufzeit antreiben soll. Das Problem: Es gibt keine Anzeichen, dass Lunar Lake tatsächlich die geistige Nachfolge der früheren Energiespar-Prozessoren Core i-7000Y sowie Core i-8000Y antritt und in besonders flachen, lüfterlosen Mobilgeräten zum Einsatz kommt.

Dafür wäre wie dereinst ein TDP-Bereich von 7 Watt bis vielleicht 12 Watt nötig. Bislang von Intel verteilte Unterlagen deuten allerdings darauf hin, dass Lunar Lake stattdessen wie gängige Notebook-Prozessoren einen TDP-Bereich von 15 Watt bis über 28 Watt bekommen wird. So viel Abwärme ist ohne ausgeklügelte aktive Kühlung nicht zu bewältigen; Asus setzt im flachen Zenbook S14 deshalb beispielsweise auf eine Vapor-Chamber – plus Lüfter, versteht sich.

Lunar Lake auf der Hauptplatine eines Notebooks (Asus ExpertBook P5)

(Bild: c't / mue)

Nun rächen sich Design-Entscheidungen, die zu Beginn der Entwicklung getroffen wurden und sich nun nicht mehr ändern lassen. Die aktuelle Inkarnation Meteor Lake bietet im selben TDP-Bereich bis zu sechs P-Kerne inklusive Hyper-Threading, acht E-Kerne und zwei LP-E-Kerne. Selbst mit all den erwähnten Architekturverbesserungen an den Kernen wird es Lunar Lake angesichts der deutlich niedrigeren Anzahl an CPU-Kernen – vier P-Kerne ohne Hyper-Threading plus vier E-Kerne – mindestens schwer haben, eine äquivalente Rechenleistung abzuliefern. Zudem geht das Hochzwirbeln von Takt und TDP, um mehr Performance herauszuholen, generell auf Kosten der Effizienz. Wie hoch die Effizienz bei den Notebooks ausfällt, ist fraglich.

Ein weiteres Limit betrifft die Speicheranbindung: Intel setzt bei Lunar Lake die LPDDR5X-Chips wie Apple bei seinen M-Prozessoren direkt aufs CPU-Package. Das hält die Signalwege kurz und spart Platz auf der Hauptplatine, sodass diese kompakter ausfallen kann und in beschränkten Notebook-Gehäusen dann mehr Volumen für den Akku übrig bleibt.

Auf Präsentationsfolien erwähnte Intel hinsichtlich der Speicheranbindung nur das Äquivalent eines Single-Channel-Controllers (4  × 16 Bit = 64 Bit), was dank LPDDR5X-8533 auf 68 GByte/s hinausliefe. Das wäre nur etwas mehr als bei einem angestaubten Dual-Channel-Interface mit DDR4-3200-RAM (51,2 GByte/s). Auch auf Nachfragen wurde das 64-Bit-Speicherinterface zunächst bestätigt, was für Ungläubigkeit und Erstaunen unter den anwesenden Fachjournalisten sorgte – schließlich ist seit Jahren Dual-Channel üblich und gerade KI-Anwendungen fressen Bandbreite ohne Ende.

Erst im Nachgang des Events wurde klargestellt, dass die Angaben pro Kanal gelten und derer zwei bereitstehen – also insgesamt 128 Bit für standesgemäße 135 GByte/s, wie sie auch die für Notebooks mit Copilot+ vorgesehene Konkurrenz von AMD und Qualcomm bietet. Oder in den Worten eines Intel-Mitarbeiters: "nur 64 Bit insgesamt wäre bissi dürr" – dem haben wir nichts hinzuzufügen …

Weil der Arbeitsspeicher Teil des Packages ist, wird er den Notebook-Herstellern von Intel zugeliefert. Seine Kapazität ist damit wie die Taktfrequenz oder der Kernausbau ein Teil der Spezifikationen einzelner Modelle. Auch wenn Intel diese und damit zusammenhängend konkrete Modellbezeichnungen erst später enthüllen will: Viel Varianz steht nicht zu erwarten. Maximal sind 32 GByte möglich, und für Copilot+ fordert Microsoft mindestens 16 GByte. Weil es hinsichtlich CPU-Performance wie oben ausgeführt eher krankt, dürften immer alle acht CPU-Kerne aktiv sein. Gerüchte von Ende 2023 sprechen davon, dass Intel nur bei der Anzahl der GPU- und NPU-Kerne Abstriche machen kann und wird.

Mit eigenen Messungen können und werden wir Intels Angaben erst im Herbst überprüfen. Der offizielle Startschuss für Lunar Lake dürfte im September erfolgen; Notebooks sind dann ab Oktober im Handel zu erwarten. Damit stößt Lunar Lake also als Letztes zur KI-Notebook-Party rund um Copilot+. Mit Snapdragon X kann man solche KI-Notebooks schon Mitte Juni kaufen. AMD will Strix Point mit dem neuen Namensschema Ryzen AI 300 ab Juli liefern.

Die schöne neue Welt der KI-Notebooks mit Copilot+: Acer zeigt auf der Computex Swift-Geräte mit 14-Zoll-Bildschirmen, die Qualcomm Snapdragon X, AMD Ryzen AI 300 oder Intel Lunar Lake (von links nach rechts) enthalten.

(Bild: c't / mue)

Nicht vergessen: Lunar Lake bleibt nicht der einzige neue Mobilprozessor von Intel in naher Zukunft. Auch Arrow Lake kommt für Notebooks und wird dann eher ein ebenbürtiger Nachfolger von Meteor Lake, was die CPU-Leistung, den Speicherausbau jenseits von 32 GByte und die Tauglichkeit für stärkere Systeme mit Zusatz-GPUs anbelangt. Allerdings erfüllt Arrow Lake wahrscheinlich nicht Microsofts Vorgaben für Copilot+, sodass Intel nicht wie die Konkurrenz mit einem Design auf allen Hochzeiten tanzen kann.

Dadurch – und auch, weil KI-Notebooks sicherlich (noch) nicht jedermanns Sache sind – dürfte Lunar Lake eingeschränkt zum Einsatz kommen. Wie bei Qualcomms Snapdragon X (oder auch AMDs neuem Ryzen AI 300) steht zu erwarten, dass es zwar eine ansehnliche Zahl an Notebooks mit dem Chip geben wird, diese sich preislich allerdings alle im Premium-Segment tummeln werden. Den Massenmarkt wird eher Arrow Lake bedienen, und da wohl auch erst später – es gibt schließlich noch viele Notebooks mit Core-i- statt Core-Ultra-Prozessor im Markt.

Transparenzhinweis: Intel hat die technischen Details zu Lunar Lake auf einer Presseveranstaltung im Vorfeld der Computex präsentiert und die Reisekosten des Autors nach Taiwan übernommen.

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(mue)