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Intels Mobil-CPU Lunar Lake: Sonderlocke mit vielen Neuerungen

Neue P-Kerne, neue E-Kerne, neue GPU, neue NPU, neues Package: Intel macht bei Lunar Lake vieles anders, um in der Welt der KI-tauglichen Notebooks anzukommen.

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Intels Lunar-Lake-Prozessor auf einer Hauptplatine

(Bild: c't / mue)

Lesezeit: 13 Min.
Von
  • Florian Müssig
Inhaltsverzeichnis

Kein halbes Jahr nach dem Start von Intels Mobilprozessor Meteor Lake alias Core Ultra 100 wirft schon der Nachfolger Lunar Lake seine Schatten voraus. Moment mal: Sollte nach Meteor Lake nicht Arrow Lake kommen? Ja, das war mal der Plan. Und Arrow Lake soll weiterhin noch vor Jahresende das Licht der Welt erblicken, damit unter anderem endlich auch Desktop-PCs einen aus Chiplets zusammengesetzten Intel-Prozessor bekommen. Allerdings ist der Konkurrenzdruck zu hoch geworden: Microsoft hat die Vorgaben seines Premium-Labels Copilot+ für KI-taugliche Notebooks so hoch angesetzt, dass sie zum Start ausschließlich von Qualcomms ARM-Prozessoren der Snapdragon-X-Familie erfüllt wurden.

Natürlich lässt sich in den wenigen Wochen seit der Enthüllung von Copilot+ kein nagelneuer Chip aus dem Boden stampfen. Seit Microsoft aber vor gar nicht mal so langer Zeit seine Vorgaben für Copilot+ festgezurrt und sie engen Partnern wie den gängigen CPU-Herstellern mitgeteilt hat, hat Intel die Entwicklung massiv priorisiert. Dies wiederum war überhaupt nur möglich, weil der Chip bereits auf gutem Weg und zudem außerhalb des Hauptentwicklungszweiges der Core-Prozessoren angesiedelt war. Das Konzept ähnelt grob dem von Lakefield von vor einigen Jahren: Bestehende Funktionsblöcke werden angepasst in einem neuen Fertigungsverfahren kombiniert, um einen Sonderprozessor für besonders dünne und energieeffiziente Mobilgeräte anbieten zu können.

Eine typische Chipentwicklungsdauer von schätzungsweise fünf Jahren legt die Vermutung nahe, dass Intel das Projekt Lunar Lake gestartet hat, als klar war, dass Apple von Intels Prozessoren auf hauseigene ARM-Chips wechseln wird. Lunar Lake passt denn konzeptionell auch prima in Mobilgeräte vom Typ MacBook Air, die völlig ohne Lüfterlärm und lange ohne Netzteil auskommen sollen. Dass es vorerst mindestens eine der beiden wünschenswerten Eigenschaften nicht geben wird, hat andere Gründe – doch dazu später mehr.

Lunar Lake wird aus Chiplets zusammengesetzt.

(Bild: Intel)

Lunar Lake nutzt wie Meteor Lake ein Chiplet-Design, aber mit ganz anderer Partitionierung. Statt eines zentralen SoC-Tile und drei umliegenden Chiplets mit I/O-Leitungen, den CPU- und den GPU-Kernen, gibt es nur noch zwei, nämlich ein I/O-Tile und ein Compute-Tile mit sämtlichen Funktionsblöcken von CPU, GPU und NPU. Früher hätte man so etwas getrennt als Prozessor und Chipsatz bezeichnet und auf eine Hauptplatine gelötet.

Intels Entwickler durften für Lunar Lake jahrelang beschrittene Trampelpfade verlassen: Weder das Compute- noch das I/O-Tile werden von Intel selbst gefertigt. Stattdessen laufen sie in N3B (Compute) beziehungsweise N6 (I/O) beim Chipauftragsfertiger TSMC vom Band – denn ein Äquivalent zum energieeffizienten 3-Nanometer-Prozess N3B hat Intels hauseigene Fertigungssparte bislang nicht im Portfolio. N3B ist derselbe hochmoderne Prozess, in dem Apple seine Chipfamilie M3 fertigen lässt.

Von Intel selbst stammt nur der zugrundeliegende Interposer, Base-Tile genannt, das vollflächig unter den Chiplets sitzt und diese elektrisch koppelt. Dafür genügt wie schon bei Meteor Lake eine betagte 22-Nanometer-Fertigung. Das Packaging von Lunar Lake, also die Hochzeit zwischen allen Chiplet-Komponenten und dem Träger, übernimmt Intel selbst. Apropos Package: In einer Ecke des Lunar-Lake-Verbunds findet man noch eine nahezu quadratische Silizium-Füllfliese. Sie ist hinsichtlich Signalqualität und mechanischer Stabilität beim Aufsetzen eines Kühlsystems notwendig, besitzt aber sonst keinerlei Funktionalität.

Für die Blöcke des Compute-Tiles verwendet Intel durch die Bank nagelneue Einheiten. Gab es bei Meteor Lake noch acht E-Kerne plus zwei weitere LP-E-Kerne im SoC-Tile, so sind es bei Lunar Lake nur noch vier insgesamt. Sie haben die neue, viel breiter angelegte Kernarchitektur Skymont. Intel bezeichnet der Vierer-Cluster mal als E- und mal LP-E-Kerne, was verwirrt: Die erst mit Meteor Lake eingeführte dreistufige Kombination aus LP-E-, E- und P-Kernen hat bei Lunar Lake schon wieder ausgedient; es gibt wie davor nur die zwei Stufen E und P.

Die neue E-Kerne mit Skymont-Architektur sollen bei niedriger Energiebudget ältere P-Kerne mit Raptor-Cove-Architektur (13. Core-i-Generation) in den Schatten stellen.

(Bild: Intel)

In den vier stärkeren P-Kernen debütiert die ebenfalls neue Lion-Cove-Architektur. In Lunar Lake verzichtet Intel auf Simultaneous Multithreading alias Hyper-Threading, was eine 10 Prozent kleinere Grundfläche pro Kern ermöglicht. Laut Intel ist das eine spezifische Entscheidung für Lunar Lake; grundsätzlich gäbe Lion Cove auch Hyper-Threading her. Gegenüber der Ausprägung, die die eingangs erwähnten Arrow-Lake-Prozessoren bekommen werden, wurde zudem die Größe des L2-Caches von 3 auf 2,5 MByte geschrumpft, und in der Lunar-Lake-Implementierung fehlen obendrein Erweiterungen wie AVX512, die eher in der Serverwelt eine Rolle spielen.

Statt den altbekannten 100-MHz-Stufen, die mittels Turbo oben auf den Basistakt gepackt werden, ist bei Lunar Lake eine feinere granulare Abstufung in Schritten von 16,67 MHz vorgesehen. Reicht das Powerbudget etwa knapp nicht für 3,1 GHz, musste ein Kern bislang auf 3,0 GHz heruntertakten – künftig können es dann etwa 3,067 GHz sein.

Die integrierte Grafikeinheit ist die erste, die Xe2-Kerne bekommt, wenngleich damit versehene Desktop-Grafikkarten der zweiten Arc-Generation Battlemage auch noch vor Jahresende kommen dürften. Das Finetuning der Grafikkerne soll nicht nur Spielen, sondern auch KI-Anwendungen zugutekommen. Die neue Media Engine kann Videos im nagelneuen Format H.266 alias VVC ohne CPU-Last dekodieren.

Nicht zuletzt ist auch die Neural Processing Unit (NPU) neu – klar, denn sonst bliebe weiter Microsofts Vorgabe hinsichtlich Copilot+ von mindestens 40 TOPS im Datenformat INT8 unerfüllt. Intel spezifiziert für die Lunar-Lake-NPU bis zu 48 TOPS (Meteor Lake: 11,5 TOPS). Den Leistungszuwachs erreicht Intel durch eine Verdreifachung der KI-Rechenwerke (sogenannte Multiply-Acculumate-Einheiten bzw. MACs zur Matrizenberechnung), zudem wird jedes mit dem vierfachen Vektordurchsatz befeuert.

Eine weitere Voraussetzung für Copilot+ ist das Vorhandensein des von Microsoft entwickelten Sicherheitscontrollers Pluton. Diesem hatte sich Intel bislang verweigert, doch mit Lunar Lake und Copilot+ führt kein Weg mehr daran vorbei – auch wenn Intel seine Implementierung nicht als Pluton bezeichnet, sondern als Partner Security Engine (PSE). Die hauseigene Silicon Security Engine (SSE) hat Intel aber nicht aufs Abstellgleis geschoben, sondern parallel untergebracht. Sie kümmert sich unter anderem wie bisher um die Absicherung des Boot-Vorgangs.

Das Package von Lunar Lake fällt trotz integriertem Arbeitsspeicher sehr kompakt aus.

(Bild: c't / mue)

Das I/O-Tile stellt nicht nur acht PCIe-Leitung (je vier in Version 4.0 und 5.0) bereit, sondern auch drei Thunderbolt-4-Controller sowie klassisches USB. Wie gehabt ist ein WLAN-Controller integriert, der hier erstmals topmodernes Wi-Fi 7 beherrscht. Anstelle des vollwertigen WLAN-Moduls BE200 können Notebook-Hersteller die vereinfachte CNVi-Version BE201 verwenden. Zwischen BE201 und Lunar Lake fließen die Daten dank CNVi 3 mit höherer Geschwindigkeit, um der ebenfalls höheren Bandbreite von Wi-Fi 7 gerecht zu werden.

Der integrierte Bluetooth-Adapter ist nicht mehr wie seit Centrino-Zeiten üblich per USB angekoppelt, sondern erstmals per PCIe. Dahinter steht jedoch kein höherer Bandbreitenbedarf: Lunar-Lake-Systeme können stattdessen beim Booten oder Aufwachen schneller per Bluetooth funken, weil sie nicht mehr auf den USB-Controller warten müssen. Der PCIe-Host ist so oder so ganz vorn mit dabei in der Initialisierungsreihenfolge, etwa wegen SSDs oder WLAN.

Weniger für Notebooks als für stationäre Mini-PCs interessant ist, dass Lunar Lake auch einen Gigabit-Ethernet-Controller für Kabelverbindungen mitbringt.