Internet erleidet "Kollateralschäden"

Die internationale Journalistenvereinigung Reporters Without Borders legt ihren Bericht über die Lage des Internet seit den Anschlägen vom 11. September vor.

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Mit krassen Worten beschreibt die internationale Journalistenvereinigung Reporters Without Borders die Entwicklung des Internet nach den Anschlägen des 11. September 2001. In vielen westlichen Staaten sei der Datenschutz gelockert und die Überwachung des Netzverkehrs ausgeweitet worden. Durch die rigiden Sicherheitsmaßnahmen könne das Internet mit auf die Liste der Kollateralschäden gesetzt werden, hieß es heute bei der Vorstellung des Berichts The Internet on Probation in Paris.

Robert Ménard, Generalsekretär der Vereinigung, meint, die grundsätzlichen Freiheiten im Internet seien klar beschnitten worden. Gerade in westlichen Demokratien sei die Entwicklung in den vergangenen zwölf Monaten fatal, zumal dort über Jahrhunderte für Menschenrechte gekämpft worden sei. Auch Journalisten seien betroffen, denn sie seien oft darauf angewiesen, Nachrichtenquellen geheim zu halten.

Die Reporter ohne Grenzen nehmen die Bundesrepublik bei ihrer massiven Kritik nicht aus. Den größten Ärger bereiten ihnen erweiterte Datenzugriffsrechte der Geheimdienste, unbegrenzt zum Beispiel auf das Datenbanksystem der Polizei. Dies sowie auch weitere Maßnahmen des Anti-Terror-Pakets von Bundesinnenminister Otto Schily sieht die Journalistenvereinigung als Angriff auf die Meinungsfreiheit und gegen den Datenschutz.

In Kanada, Dänemark, Spanien, Frankreich, Italien und Großbritannien seien die Kontrolle des Internet verschärft und die Befugnisse von Polizei und Justiz teilweise erheblich ausgeweitet worden; die USA geriere sich wie der globale Internet-Polizist. Er würde am liebsten auf der ganzen Welt Verstöße gegen eigene Gesetze verfolgen, sobald eine virtuelle kriminelle Aktion durch ihre Netze laufe.

Im November habe die US-Regierung den einzigen somalischen Provider Somalia Internet Company und das Telekommunikationsunternehmen Barakat wegen des Verdachts der Unterstützung der Al Qaida vom Internet aussperren lassen. Zwei Monate lang hatten die Somalis keinen Zugang zum Internet, bis im Januar NetXchange in dem ostafrikanischen Land seine Dienste aufnahm.

Auch die EU habe ihren Widerstand gegen eine allgemeine elektronische Überwachung aufgegeben. Mitte Oktober habe US-Präsident George W. Bush beim belgischen Ministerpräsidenten Guy Verhofstadt, zu der Zeit EU-Ratspräsident, vorgesprochen und ihn zu verschärftem Vorgehen gegen kriminelle Aktivitäten im Internet und in anderen Kommunikationsnetzen gedrängt und dazu, Daten über Internetaktivitäten "vorbeugend" zu sammeln, wie es dann auch im Cybercrime-Abkommen des Europarats eingearbeitet wurde. Doch die EU hätte wahrscheinlich nicht von Bush gedrängt werden müssen, denn bereits elf Tage nach den Anschlägen erarbeiteten die Innen- und Justizminister des Staatenverbunds eine "Rahmenentscheidung zur Terrorismusbekämpfung", die von Bürgerrechtlern stark kritisiert wurde.

Die Reporter ohne Grenzen kommen mit ihrem Bericht zu einem ähnlichen Ergebnis wie Privacy International und das Electronic Privacy Information Center. Sie untersuchten die Maßnahmen in 50 Ländern und kamen zu dem Schluss, dass weltweit unter anderem Datenschutzrichtlinien gelockert würden. (anw)