Interview: Wie kann man in der IT schnell und nachhaltig Energie sparen?

Es müssen nicht immer die großen Umbauprojekte sein. Ob Admin, User oder Entwickler: Für alle Teile der Firmen-IT gibt es schnelle Maßnahmen zum Energiesparen.

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Die Energiekrise zwingt derzeit alle zum Sparen. Das wird sich auf absehbare Zeit wohl auch nicht ändern. Im Unternehmens-Kontext stellt das gerade diejenigen Firmen vor eine Herausforderung, die bislang noch nicht so genau auf ihren Ressourcenverbrauch geachtet haben. iX-Redakteurin Susanne Nolte hat sich ausführlich mit Quick-Wins in der IT auseinandergesetzt.

iX-Redakteurin Susanne Nolte

Susanne Nolte arbeitet bereits seit über 20 Jahren als Redakteurin bei iX. Für die aktuelle Titelstrecke hat sie schnelle Maßnahmen zum Energiesparen in der professionellen IT zusammengetragen und aufgeschrieben.

Im Privaten werden derzeit alle zum Energiesparen angehalten. Dort scheinen die Maßnahmen auch teilweise relativ einfach umsetzbar. Denkt man an die IT, vermutet man da schon deutlich größere Umbauprojekte, die für effektive Einsparungen nötig sind. Welche einfachen Maßnahmen gibt es hier, die weiterhelfen?

Jede Menge: Man kann zum Beispiel davon ausgehen, dass 20 bis 30 Prozent aller laufenden physischen und virtuellen Server Zombies oder komatöse Server sind, also ohne jegliche Aktivität oder Aufgabe. Das können vergessene Alt- oder Testsysteme oder solche sein, die man "für alle Fälle" noch behalten will. Eine solche Haltung sollte man wirklich ablegen und die Systeme aufspüren und abschalten.

Außerdem sollten Admins wieder mehr zum zeitlichen Begrenzen und zum gezielten Zuteilen von Ressourcen übergehen. Als Festplattenplatz noch teuer und rar war, gab es Quota für jeden Anwender. Heute bekommt jeder Anwender fast alles, was er will. Genau deswegen schätzt er den Wert der Ressourcen nicht mehr und geht nicht verantwortungsvoll damit um. Dann kann er natürlich beliebig viele VMs starten und dann einfach vergessen. Die Folgen seines Handelns, welchen Strom sie im RZ fressen und wie sie die Kühlanlagen weiter auslasten, sieht er ja nicht.

So wie die EU etwa seit Jahren die Menge von HFKW-Kältemittel wie R134a künstlich verknappt und damit die Betreiber von Kältemaschinen auch in Rechenzentren zum Handeln zwingt, müssen anscheinend auch Anwender zu einem anderen Umgang mit IT-Ressourcen genötigt werden. Vielleicht hilft es, ihnen zwischendurch mal eine Stromrechnung, auch gern in CO₂-Äquivalent umgerechnet, zu präsentieren.

Du sprichst auch die Admins an. Welche Verantwortung haben sie als zentrale Stelle der Unternehmens-IT?

Die Admins dürfen natürlich auch nicht in ihren Anstrengungen nachlassen. Nach dem Aufkommen virtueller Server etwa glaubte man, die bis dahin bei maximal 20 Prozent liegende, viel zu geringe Auslastung der bis dahin physischen Server steige durch die Virtualisierung automatisch, ganz ohne eigene Anstrengung. Das Ergebnis: Statistisch ist sie eher gesunken – von etwa 15 Prozent geht man heute aus –, auch weil das Start & Forget dank VMs noch einfacher geworden ist. Die Auslastung steigt nicht von allein: Lasten müssen gezielt zusammengelegt und Systeme besser ausgelastet werden.

Außerdem steckt auch in der Ausstattung und der Konfiguration vieler Systeme noch jede Menge Einsparpotenzial. Alle ungenutzten Komponenten etwa gehören entfernt, da sie nicht nur selbst Strom ziehen, sondern auch den Energiehunger von CPUs – beispielsweise für die PCIe-Ansteuerung – Lüftern und Netzteilen erhöhen. Die Einstellung "Systeme und Komponenten, die ich nicht nutze, fressen kein Brot" ist komplett falsch. Das Gegenteil ist der Fall, sie fressen uns energietechnisch gesehen gerade die Haare vom Kopf.

Viele vermuten die Hardware als größten Ressourcen-Sünder in der IT – ob im Kleinen im Büro oder im großen Maßstab im Rechenzentrum. Welche Rolle spielt die Software beim Energiesparen?

Die Software hat einen riesigen Einfluss auf den Verbrauch von Rechen-, Speicher- und Netzwerkressourcen. Die Unterschiede zwischen einzelnen Anwendungen können enorm sein. Das gilt es, bei der Auswahl von Software künftig zu berücksichtigen. Vergleichende Lasttest mit 30-Tage-Versionen und Open-Source-Software etwa können hier Klarheit schaffen. Bedenken sollte man dabei auch, dass schlankere und ressourcenschonendere Software auch performanter ist. Wann wird eigentlich aufgehört, uns zu wundern, dass ein Browser oder Mailclient 400 MByte oder ein PDF-Editor 2 GByte groß sein muss? Diese irrsinnige Entwicklung läuft doch in die völlig falsche Richtung.

Hier sind vor allem die Entwickler selbst gefordert. Möglichkeiten, Anwendungen schlanker und performanter zu gestalten, gibt es viele. Allein zwischen den unterschiedlichen Programmiersprachen und Bibliotheken gibt es Performanceunterschiede um den Faktor 100. Nur haben solche Kriterien bisher keine Rolle gespielt. Deshalb stehen wir jetzt vor diesem Scherbenhaufen. Hätten Softwareentwickler in der Vergangenheit verantwortungsvoll gehandelt, statt sich jahrzehntelang von umsatzwütigen Hardwareherstellern vor sich hertreiben zu lassen und dabei jede noch so unsinnige Programmiermode mitzunehmen, würde der Rechen-, Speicher- und Netzwerkbedarf bei etwa 1 Prozent heutiger Anwendungen liegen.

Außerdem müssen Programmierer ähnlich wie Admins nicht jeden alten Mist mitschleppen. Man kann sich überhaupt nicht vorstellen, wie viel unnützes Zeug in der Software rumgammelt. Und die Einstellung "Rechen- und Speicherressourcen? Was ist das? Haben wir doch im Überfluss" – die gehört als allererstes auf den Müllhaufen. Die ist einfach nur noch unverantwortlich. Hardware-Ressourcen sind so wenig endlos wie Energie, saubere Luft oder sauberes Wasser.

Vielen Dank für Deine Antworten, Susanne. Ausführliche Informationen zu den Energiespar-Quick-Wins für die IT und zum neuesten Stand der Technik bei energieeffizienter RZ-Kühlung finden sich in der Titelstrecke der aktuellen iX 9/2022 und bei heise+.

In der Serie „Drei Fragen und Antworten“ will die iX die heutigen Herausforderungen der IT auf den Punkt bringen – egal ob es sich um den Blick des Anwenders vorm PC, die Sicht des Managers oder den Alltag eines Administrators handelt. Haben Sie Anregungen aus Ihrer tagtäglichen Praxis oder der Ihrer Nutzer? Wessen Tipps zu welchem Thema würden Sie gerne kurz und knackig lesen? Dann schreiben Sie uns gerne oder hinterlassen Sie einen Kommentar im Forum.

(jvo)