Ist Ericsson in Backnang auf dem Rückzug?

Die Mitarbeiter am ehemaligen Marconi-Standort Backnang machen sich wieder Sorgen um ihre Zukunft: Ericsson plant offenbar die Auslagerung weiter Teile der Entwicklung.

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Am Ericsson-Standort Backnang herrscht Unruhe. Rund 700 Mitarbeiter schauen mit gemischten Gefühlen in eine Zukunft, von der offenbar nicht ganz klar ist, ob sie noch bei Ericsson liegt. Von Auslagerung der Entwicklung ist die Rede, von Aufhebungsverträgen und betriebsbedingten Kündigungen. Am gestrigen Dienstag nahmen nach Angaben der IG Metall alle anwesenden Mitarbeiter an einer Kundgebung vor dem Gebäude teil, um für den Erhalt ihrer Arbeitsplätze zu demonstrieren.

Auslöser für die konkrete Besorgnis der Angestellten sind offenbar Pläne des Konzerns, dem Standort Backnang erneut ein Sparprogramm zu verordnen. Einem Bericht der Stuttgarter Nachrichten zufolge will das schwedische Management die Entwicklung in ein anderes Unternehmen auslagern, ein Partner dafür werde noch gesucht. Die Mitarbeiter seien angesichts des sich ankündigenden erneuten Besitzerwechsels alles andere als erfreut. Der Standort hat eine lange und leidensvolle Geschichte: Nach dem Zweiten Weltkrieg verlegte die AEG-Tochter Telefunken den Bereich Nachrichtentechnik von Berlin nach Backnang. Es folgte die Fusion zu AEG-Telefunken, zwischenzeitlich gehörte der Standort zu ANT, Bosch-Telecom und Marconi, die schließlich Anfang 2006 von Ericsson übernommen wurde.

Mit Ericsson sollte Solidität und Perspektive einziehen. Trotzdem baute auch der neue Eigner erst einmal ein paar hundert Arbeitsplätze ab, bekannte sich aber klar zum Standort Backnang. Das nehmen die Mitarbeiter den Schweden jetzt nicht mehr ab. "Die Leute hier haben einfach die Schnauze voll", sagte der zuständige ver.di-Betreuer Rolf Schmidt den Stuttgarter Nachrichten. Die Belegschaft will sich mit "Händen und Füßen" gegen weitere Einschnitte wehren.

Wie die aussehen könnten, präsentierten schwedische Manager der Backnanger Belegschaft am vergangenen Montag. Ericsson wolle die Entwicklungskosten senken. Dag Jungenfelt, Leiter der Breitband-Entwicklung des Konzerns, skizzierte nach Angaben der Backnanger Kreiszeitung ([ttp://www.bkz-online.de/ BKZ]) die vorhandenen Optionen: Auslagerung von Teilen oder der ganzen Entwicklungsabteilung, Personalabbau durch Aufhebungsverträge, betriebsbedingte Kündigungen. Konkrete Pläne habe man noch nicht, wolle die Maßnahmen aber bis Ende des Jahres umsetzen. In der Entwicklung arbeiten nach Angaben der Zeitung derzeit 475 Beschäftigte.

Die Backnanger fürchten nun, dass der Standort an sich gefährdet ist. Auch der Bürgermeister der Gemeinde macht sich Sorgen und appellierte in einem offenen Brief an das Verantwortungsbewusstsein der schwedischen Manager. Es könne nicht im Sinne von Ericsson sein, dass der Abbau oder gar die Aufgabe von wichtigen Teilen der Backnanger Nachrichtentechnik mit dem Namen Ericsson verbunden werde, warnte Frank Nopper (CDU). Dies würde der Reputation und dem Renommee von Ericsson am Standort Deutschland insgesamt enormen Schaden zufügen.

Die Stuttgarter Nachrichten wissen von einem Sparziel von jährlich bis zu 20 Millionen Euro, das Ericsson mit Kostenproblemen aus der Fusion mit Marconi begründe. Entscheidungen sollen noch keine gefallen sein. Ein deutscher Ericsson-Sprecher wies gegenüber der BKZ auf den reinen Informationscharakter der Veranstaltung hin. Am heutigen Donnerstag war aufgrund des Feiertags in Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen keiner der Beteiligten für eine Stellungnahme zu erreichen. (vbr)