Justizminister Buschmann: Bundesregierung klar gegen Chatkontrolle

Nach einem "guten Gespräch" mit der Innenministerin Faeser sei sich die Exekutive nun endlich einig beim Nein zu anlassloser Überwachung, so Buschmann.

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(Bild: fizkes/Shutterstock.com)

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Der monatelange Streit zwischen den Bundesministerien über eine gemeinsame Position zum Verordnungsvorschlag der EU-Kommission für den Kampf gegen sexuelle Gewalt an Kindern und damit verknüpften Befugnissen für Ermittler ist offenbar weitgehend beigelegt. Nach einem "guten Gespräch" mit seiner Kollegin im Innenministerium Nancy Faeser (SPD), könne er klar sagen: "Die Bundesregierung ist sich einig, dass wir klar gegen die Chatkontrolle sind", twitterte Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) am Donnerstag.

"Eine anlasslose Überwachung privater Kommunikation hat im Rechtsstaat nichts zu suchen" fasste Buschmann die Haltung der Exekutive zusammen. Auf eine Nachfrage hob er hervor, dass Faeser über den nun gefestigten Kurs Bescheid wisse. Der Austausch mit ihr am Morgen sei "konstruktiv" gewesen. Faeser drängt mit dem Speichern von IP-Adressen ebenfalls auf eine verdachtsunabhängige Überwachung, Buschmann will dagegen Quick Freeze.

Mit dem Entwurf der Kommission sollen auch Anbieter durchgängig verschlüsselter Messaging- und anderer Kommunikationsdienste wie WhatsApp, Apple, Signal und Threema über behördliche Anordnungen dazu verpflichtet werden, Fotos und Videos von Kindesmissbrauch in den Nachrichten ihrer Nutzer ausfindig zu machen und die private Kommunikation flächendeckend zu scannen. Dazu kommen dem Plan nach Websperren, Upload-Filter und Altersverifizierungen etwa bei Messengern und App-Stores.

Die Ampel hat sich in ihrem Koalitionsvertrag gegen flächendeckende Kinderporno-Scans und für das Recht auf anonyme und pseudonyme Nutzung des Internets ausgesprochen. Sie will durchgehende Verschlüsselung stärken.

Innerhalb der Bundesregierung stehe das Nein zur Chatkontrolle, hatte Bundesfamilienministerin Lisa Paus von den Grünen so eigentlich schon im Juni berichtet. Die FDP-geführten Bundesministerien für Digitales und Justiz stellten in Folge rote Linien gegen die Chatkontrolle auf. Sie wollen etwa verhindern, dass die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung von Messengern unterwandert wird.

Faeser äußerte sich über die Monate hinweg trotzdem immer wieder widersprüchlich zu dem Vorhaben. Die Sozialdemokratin erklärte etwa, sie halte eine anlasslose Kontrolle verschlüsselter privater Kommunikation "für nicht vereinbar mit unseren Freiheitsrechten". Nötig sei aber eine rechtsstaatliche Balance. Insgesamt sprach sie von einem "sehr wichtigen Kommissionsvorschlag", den es gemeinsam voranzutreiben gelte, "um diese entsetzliche Kriminalität wirksam einzudämmen".

Am Mittwoch erläuterte die Innenministerin, sie sei persönlich weiter gegen eine Chatkontrolle. Sie wolle sich aber dem sogenannten Client-Side-Scanning (CSS) "nähern", also dem Durchsuchen und Ausleiten von Nachrichten direkt auf Endgeräten der Nutzer wie Handys. Sie bezog diese Technik aber allein auf die Analyse von Webseiten, wofür CSS indes gar nicht nötig ist. Als Voraussetzung dafür gilt, Ende-zu-Ende verschlüsselte Kommunikation zu unterlaufen. Diese Position des Innenressorts zeichnete sich bereits ab, wogegen etwa der SPD-nahe digitalpolitische Verein D64 Sturm lief: Unschuldige Bürger würden diesem zufolge so zu Verdächtigen, intime Austausche könnten von Dritten eingesehen werden.

Im Innenausschuss des Bundestags blockierte die SPD-Fraktion am Mittwoch noch einen gemeinsamen Antrag mit den Koalitionspartnern von Grünen und FDP. Letztere wollten damit die Regierung auffordern, sich auf EU-Ebene "gegen sämtliche Regelungen" einzusetzen, "die zu einer anlasslosen Überprüfung privater Chat-Kommunikation führen würden". Explizit sollte dabei CSS ausgeschlossen werden.

Aus Berliner Kreisen war zu hören, dass es nun tatsächlich eine gemeinsame Formulierung der Regierung gebe. Private Kommunikation soll demnach nicht durchsucht werden. Das Justizministerium wollte sich auf Nachfrage von heise online zu Details, ob Client-Side-Scanning klar ausgeschlossen werde und die Definition von privater Kommunikation auch verschlüsselte private Cloudspeicher wie bald den Apple-Dienst iCloud-Fotos umfasse, nicht äußern. Es verwies auf das Innenressort, das bei den Verhandlungen in Brüssel federführend sei.

Das Bundesinnenministerium reagierte am Donnerstagnachmittag nicht auf eine Bitte um Stellungnahme. So bleibt Skepsis angebracht, ob es sich nicht nur um einen weiteren Formelkompromiss handelt.

(mho)