KI, Software & Co.: EU-Abgeordnete fordern bis zu 30 Jahre Produkthaftung​

Ab einem Schaden von über 1000 Euro sollen auch psychische Schäden sowie Datenverluste etwa auf einer Festplatte geltend gemacht werden können.​

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(Bild: Niki Khun/Shutterstock.com)

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Mit 33 zu 2 Stimmen ohne Enthaltungen haben der Rechtsausschuss (JURI) sowie der Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz (IMCO) des EU-Parlaments am Montagabend ihren gemeinsamen Standpunkt zur geplanten Novelle der Produkthaftungsrichtlinie beschlossen. Dabei geht es vor allem um Schäden für Verbraucher, die Hersteller durch fehlerhafte Produkte verursachen. Ziel der von der EU-Kommission im September 2022 initiierten Richtlinie ist es, angemessen auf das Aufkommen neuer Technologien wie Künstliche Intelligenz (KI), den Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft und der Zunahme des Online-Shoppings mit Verkaufsstätten auch außerhalb der Mitgliedsstaaten zu reagieren.

Die Abgeordneten wollen laut ihrer Position, dass Verbraucher bei defekten Waren neben körperlichen auch medizinisch anerkannte psychische Schäden sowie die Zerstörung oder irreversible Beschädigung von Daten geltend machen können. Sie nennen dabei etwa das nicht selbstverschuldete Löschen von Dateien auf einer Festplatte, wenn der wirtschaftliche Schaden 1000 Euro übersteigt. Die Volksvertreter plädieren auch dafür, den Haftungszeitraum von 20 Jahren – wie von der Kommission vorgeschlagen – in Ausnahmefällen auf 30 Jahre zu verlängern. Dies soll der Fall sein, wenn die fehlerhaften Symptome erst langsam mit der Zeit auftreten. Wenn ein Kunde ein defektes Produkt außerhalb der EU gekauft hat, kann ein in der EU ansässiges Unternehmen wie ein Vertriebspartner für den verursachten Schaden haftbar gemacht werden.

Um Innovationen nicht zu gefährden, sollen die Regeln laut Beschluss nicht für kostenlos verfügbare Open-Source-Software gelten. Die Mindestschadengrenze von 500 Euro für die Geltendmachung von Ansprüchen wollen die Parlamentarier abschaffen. Außerdem sollen die nationalen Verbraucherschutzbehörden die Verbraucher bei der Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen besser beraten. Bei Gerichtsverfahren wollen die Abgeordneten die Beweislast vereinfachen. Geschädigte sollen vom Betreiber die Herausgabe von Unterlagen verlangen können, die ihnen bei der Durchsetzung ihrer Schadenersatzansprüche helfen können. Laut Kommissionsentwurf kann es sich dabei beispielsweise um die Herausgabe von Trainingsdaten für Algorithmen, Nutzerprotokollen oder Informationen zum Qualitätsmanagement handeln.

Die EU-Parlamentarier strebten "ein Gleichgewicht zwischen der Aufrechterhaltung eines wirksamen Instruments für Opfer fehlerhafter Produkte und der Rechtssicherheit an, die Wirtschaftsteilnehmer in einem sich schnell verändernden, durch Digitalisierung, Kreislaufwirtschaft und globale Wertschöpfungsketten gekennzeichneten Markt verdienen", erklärte der JURI-Berichterstatter Pascal Arimont von der konservativen Europäischen Volkspartei. Der Verbraucherschutzverband BEUC lobte, dass beide Ausschüsse dafür seien, eigenständige Software wie Apps in die Produkthaftungsrichtlinie aufzunehmen.

Das Parlament muss den Mandatsentwurf noch auf einer seiner nächsten Plenarsitzungen annehmen, was weitgehend als Formsache gilt. Im Anschluss kann es mit dem EU-Ministerrat über die endgültige Ausgestaltung des Gesetzes verhandeln. Weitere Vorgaben mit Fokus auf automatisierte Systeme hat die Kommission mit dem Entwurf für eine separate Richtlinie über KI-Haftung ins Spiel gebracht. Damit sollen Vorschriften für Ansprüche, die nicht in den Anwendungsbereich des allgemeineren Gesetzes fallen, bei Schäden durch Fehlverhalten harmonisiert werden. Es geht etwa um Verletzungen der Privatsphäre oder durch Sicherheitsprobleme verursachte Defekte. Darüber brüten die Abgeordneten und die EU-Staaten noch.

(mki)