KI lernt das Rauchverhalten – und hilft beim Aufhören

Die Rauchentwöhnung fällt vielen Menschen schwer. Eine neue App soll mithilfe Künstlicher Intelligenz den Griff zur Kippe besser verhindern.

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Mit E-Zigaretten versuchen manche Menschen, sich das Rauchen abzugewöhnen. Forschende haben eine App-basierte Entwöhnung entwickelt, die zunächst das übliche Rauchverhalten lernt.

(Bild: Andrey_Popov/Shutterstock.com)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Eike Kühl

Ob in der Pause im Büro, beschwipst auf der Party, wartend an der Bushaltestelle oder einfach aus Gewohnheit nach den Mahlzeiten: Viele Menschen greifen vor allem dann zur Zigarette, wenn der soziale Druck groß ist oder sich eine Routine eingestellt hat. Für Menschen, die mit dem Rauchen aufhören wollen, sind solche Trigger-Situationen besonders herausfordernd, wenn sie gegen das innere Verlangen ankämpfen müssen. Dabei könnte ihnen eine neue App helfen, die mithilfe künstlicher Intelligenz (KI) die entsprechenden Situationen automatisch erkennt und unterstützend eingreift.

"Wir wissen, dass der Versuch, mit dem Rauchen aufzuhören, oft daran scheitert, dass der Drang zu rauchen ausgelöst wird, wenn man sich an Orten aufhält, an denen man früher geraucht hat", sagt der Gesundheitspsychologe Felix Naughton von der Universität East Anglia in Großbritannien. Er hat mit einem Team die Smartphone-App "Quit Sense" entwickelt, die in einer von unabhängigen Experten begutachteten Studie im Fachmagazin "Nicotine & Tobacco Research" vorgestellt wurde.

Quit Sense ist eine App, die sich das noch vergleichsweise junge psychologische Prinzip der Just-In-Time Adaptive Interventions (JITAI) zunutze macht. So heißen Interventionen, die maßgeschneiderte Unterstützung in Trigger-Situationen ermöglichen sollen. Das ist möglich, weil JITAIs auf Echtzeit-Daten zugreifen, um daraus Rückschlüsse auf den emotionalen, sozialen und physischen Zustands einer Person zu ziehen. In Kombination mit Künstlicher Intelligenz können die Interventionen noch zielgerichteter stattfinden.

Im Fall von Quit Sense müssen die Nutzerinnen und Nutzer die KI zunächst mit ihrem persönlichen Raucherverhalten trainieren. Immer wenn sie sich eine Zigarette anzünden, müssen sie das in der App vermerken, inklusive Hinweisen über ihre Stimmung ("gestresst") und den Kontext ("auf Arbeit"). Per GPS zeichnet die App im Hintergrund zusätzlich den jeweiligen Ort auf. Somit lernt die KI bereits binnen weniger Tage, welche Orte und Situationen die Nutzer möglicherweise zum Rauchen verleiten.

Wenn die Nutzer anschließend in der App angeben, mit dem Rauchen aufhören zu wollen, werden sie immer dann gewarnt, wenn ein mutmaßlicher Trigger bevorsteht. Die App meldet sich dann mit unterstützenden Nachrichten und kontextuellen Nachfragen und soll die Nutzer somit auf die Situation aufmerksam machen, ohne aufdringlich oder nervig zu wirken.

Um die Wirksamkeit des Verfahrens zu testen, führte das Team eine kontrollierte Studie mit 209 Raucherinnen und Rauchern durch, die über die sozialen Medien rekrutiert wurden. Alle Teilnehmer erhielten einen Link auf ein Projekt zur Raucherentwöhnung des britischen Gesundheitsdienstes NHS. Die Hälfte der Probanden erhielt zusätzlich Zugriff auf die Quit-Sense-App.

Quit Sense, die App zur KI-gestützten Raucherentwöhnung, erkennt, wenn Menschen einen Ort betreten, an dem sie früher geraucht haben.

(Bild: University of East Anglia)

Nach jeweils sechs Wochen und nach sechs Monaten baten die Wissenschaftler die Probandinnen und Probanden, von ihren Erfahrungen zu berichten. Wer angab, zwischenzeitlich mit dem Rauchen aufgehört zu haben, sollte eine Speichelprobe abgeben, um die Abstinenz zu bestätigen. Auch wenn das letztlich nicht alle taten, scheint das Ergebnis eine deutliche Sprache zu sprechen: Viermal so viele Menschen, die Zugriff auf Quit Sense hatten, hörten mit dem Rauchen auf im Vergleich zu jenen, die lediglich die Unterstützung des NHS in Anspruch nahmen. Die maßgeschneiderte und zeitnahe Intervention funktionierte offenbar.

Für Felix Naughton ist das ein Beweis, wie Smartphone-Technologie und maschinelles Lernen für Interventionen in Medizin und Psychologie erfolgreich eingesetzt werden können: "Indem wir Menschen, die versuchen, mit dem Rauchen aufzuhören, dabei helfen, diese Situationen zu lernen und zu bewältigen, können wir die Erfolgsquote erhöhen", sagt er.

(jle)